heumaps0517

(Ben Green) #1

Bereich gute Leistungen bringt. Ein Fußballer kann
wegen seiner Leistungen auf dem Platz respektiert
werden, ein Politiker wegen seiner Wortgewandtheit,
eine Führungskraft wegen ihrer besonderen Füh-
rungsfähigkeiten. Vertikaler Respekt entsteht, wenn
jemand etwas deutlich besser kann als ich, und die-
sen Personen räumt man dann gern die Führung ein.
Wenn Lukas Podolski mir sagt, ändere mal deine
fußballerische Technik, würde ich das also dankbar
annehmen.
Und horizontaler Respekt?
Horizontaler Respekt hingegen geht zurück auf Im-
manuel Kant und seinen Begriff der Achtung bezie-
hungsweise des moralischen Respekts. Er bedeutet,
dass man den anderen als gleichwertig erlebt und
anerkennt. Dafür muss der andere nichts geleistet
haben. Der horizontale Respekt ist ungeheuer wich-
tig, weil er in unserer Gesellschaft für die Integrati-
on von Vielfalt sorgt. Wenn ich jemanden auf Au-
genhöhe betrachte, heißt das ja, dass ich der anderen
Person – auch wenn sie andere Hintergründe oder
Meinungen hat – das gleiche Recht auf freie Entfal-
tung einräume wie mir selbst. Vor diesem Hinter-
grund erklären sich auch die Bestrebungen einiger
Bewegungen, anderen Menschen die Menschenwür-
de abzusprechen und sie als nicht gleichwertig zu
erklären. Das ist natürlich hochgradig gefährlich.
Wie erlernt man horizontalen Respekt?
Indem man selbst Respekt bekommt. Wenn ich in
der Familie, bei meinen Peers, in der Schule oder im
Job Anerkennung erfahre, erhalte ich ein stabiles
Selbstwertgefühl und kann auch den Wert anderer
gut anerkennen. Wenn ich aber in der Gesellschaft
die Erfahrung mache, dass ich unterprivilegiert bin,
dass ich also weniger Chancen habe und weniger auf-
steigen kann, wird es schwieriger, dieses positive
Selbstwertgefühl zu entwickeln. Dann werde ich viel-
leicht versuchen, abwertende Strategien zu entwi-
ckeln, um mich selbst als stark darzustellen. Eine
wenig respektvolle Gesellschaft erzeugt also respekt-
loses Verhalten.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
(GEW) beklagte kürzlich „eine Sprache des Has-
ses, der Geringschätzung und Diskriminierung“
auf deutschen Schulhöfen. Hat die Jugend heute
ein Respektproblem?
An den Schulen beobachten wir tatsächlich eine Ab-
nahme des positionalen Respekts, und sicherlich gibt
es hier und da auch ernste Probleme. Dennoch ist
die Klage, dass die Jugend mehr Respekt haben sol-
le, ja schon uralt. Die Gesellschaft verändert sich über
die Zeit, sodass ältere Generationen oft das Gefühl


haben, ein bestimmtes Verhalten der Jugend sei nicht
angemessen. Mit horizontalem Respekt wird nämlich
immer wieder neu ausgehandelt, was gelten soll: Ge-
pf logenheiten werden dauernd auf den Prüfstand
gestellt, das gilt auch für die Beziehung zwischen
Schülern und Lehrern. Dennoch finde ich, dass die
meisten Schüler im Großen und Ganzen durchaus
bereit sind, die Einschränkung ihrer Freiheit durch
S c hu le i n K au f z u ne h me n. W ic ht i g i s t , d a s s auc h d ie
Lehrer ihren Schülern Respekt entgegenbringen, sie
also als eigenständige Wesen anerkennen und ihnen
eine andere Meinung zugestehen.
Dennoch scheinen überall um uns herum Popu-
lismus und Extremismus zuzunehmen, was nicht
unbedingt dafür spricht, dass wir in einer Gesell-
schaft leben, die dem horizontalen Respekt ver-
pflichtet ist.
Sagen wir es mal so: Die Bandbreite der Haltungen
wächst und auch die Heftigkeit, mit der Konf likte
ausgetragen werden. Ich würde die Ursache darin
sehen, dass die Welt durch Globalisierung und zu-
nehmende Vernetzung komplexer wird. Und dass
wir in unserem direkten Umfeld zunehmend mit
Menschen zu tun haben, die anders sind als wir. Um
mit dieser Komplexität besser umgehen zu können,
ist es notwendig, dass diese Vielfalt besser integriert
wird. Das Ziel muss sein, mit dieser Differenz so um-
zugehen, dass der andere das gleiche Recht auf freie
Entfaltung hat wie wir selbst. Das ist unserer Ansicht
nach die wirksamste Möglichkeit zur Integration von
Unterschiedlichkeit in unserer Gesellschaft.
Das ist leider alles andere als einfach. Was kann
jeder Einzelne tun, um in diesen schwierigen Zei-
ten den eigenen Sinn für horizontalen Respekt zu
schärfen?
Erstens ist es wichtig, anzuerkennen, dass Unter-
schiedlichkeit prinzipiell gut und wünschenswert ist.
Zweitens sollte man ernsthaft überlegen: Bin ich selbst
in der Lage, Differenz anzuerkennen? Der erste Im-
puls ist doch of t, Menschen aufgrund ihrer Haltun-
gen oder Meinungen abzuwerten. Damit schränkt
man letztlich aber sich selbst auch ein. Es ist ein Pro-
zess zu erkennen, dass Abwertung zu nichts führt.
Sonst kommt man nicht ins Gespräch. Wenn ich je-
manden, der eine völlig andere Haltung hat als ich,
aber horizontal respektiere, führt das eigentlich im-
mer dazu, dass das Gegenüber auch offener wird,
mich zu respekt ieren. Da nn muss die a ndere Person
nicht mehr kämpfen. Damit reduziert sich auch die
Abwertung. PH
INTERVIEW: ANNE-EV USTORF

Tilman Eckloff
ist Mitbegründer
der interdisziplinären
RespectResearch-
Group und Professor
für Wirtschafts-
psychologie an der
BSP Business School
Berlin. Er bietet
Coaching und
Diagnostik in den
Bereichen Kommuni-
kation, Kooperation
und Führung an
Free download pdf