heumaps0517

(Ben Green) #1

Herr Eckloff, vor wenigen Monaten wurden in
Nordrhein-Westfalen bei einem Streit um Knöll-
chen zehn Polizisten krankenhausreif geschla-
gen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft be-
klagte daraufhin eine „Verrohung der Ge-
sellschaft“. Haben wir hierzulande ein
Respektproblem?
Man kann dieses Verhalten tatsäch-
lich einordnen in einen gesell-
schaftlichen Trend. Schon
seit längerer Zeit beob-
achten wir eine Abnah-
me des positionalen Re-
spekts, also des Respekts,
den ein Mensch aus-
schließlich aufgrund seiner Po-
sition einfordern kann. Das Po-
chen auf die alleinige Position funk-
tioniert heute kaum noch. Insgesamt wer-
den Autoritäten nicht mehr fraglos anerkannt,
wir folgen nicht mehr jemandem, nur weil er eine
formale Position hat, sondern eher dann, wenn wir
das Gefühl haben, er hat es auch verdient.
Finden Sie diese Entwicklung problematisch?
Im Großen und Ganzen halte ich das für keine
schlechte Entwicklung. Es zeigt, dass unsere Gesell-
schaft f lexibler wird und die Hierarchien f lacher wer-
den. Es wird mehr darauf geachtet, dass die Leute,
die eine formale Position haben, eben auch die Qua-
lifikation haben, diese Position gut auszufüllen. Und
wenn sie es nicht können, wird es schwierig für sie,
sich durchzusetzen. Problematisch wird es aber, wenn
gerade diejenigen Menschen, die in unserer Gesell-


schaft für Schutz und Hilfe
zuständig sind, angegriffen
werden. Das ist nicht akzep-
tabel. An die Stelle des posi-
tionalen Respekts müsste
dann zumindest der horizon-
tale Respekt treten, also die
Einsicht, dass der andere
gleichwertig ist.
Welche Formen des Re-
spekts unterscheiden
Sie überhaupt?
Schon alltagssprachlich gibt
es ja viele unterschiedliche Be-
deutungen. Wenn man einen
Wachhund sieht oder einen mäch-
tigen Türsteher, sagt man oft: „Vor
dem habe ich Respekt.“ Wir nennen das
Hindernisrespekt, er bewirkt, dass ein
Mensch seine Handlungen den möglichen Ge-
fahren anpasst, damit er möglichst erfolgreich sein
Ziel erreichen kann. Dann gibt es den institutionalen
oder in allgemeinerer Form auch positionalen Res-
pekt: Man respektiert nicht die Person des Polizisten
oder der Richterin, sondern die Institution dahinter,
die ein bestimmtes Verhalten notwendig macht. In
unserer Forschungsgruppe sind uns aber vor allem
zwei weitere Unterscheidungen wichtig: die zwischen
vertikalem und horizontalem Respekt.
Vertikaler Respekt hat sicher etwas mit Bewun-
derung zu tun.
Genau, diese Art des Respekts muss man sich erst
verdienen, etwa indem man in einem bestimmten

„Eine wenig respektvolle


Gesellschaft erzeugt


respektloses Verhalten“


Gewalt gegen Polizisten, Lehrer oder Rettungskräfte: Immer wieder ist vom
Verlust des Respekts die Rede. Doch was ist das eigentlich, Respekt?
Wie erlernt man ihn? Ein Gespräch mit dem Psychologen Tilman Eckloff
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