heumaps0517

(Ben Green) #1
Die Redaktion behält es sich vor, Leserbriefe zu kürzen

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„Manche Menschen können sehr empathisch sein, aber mit drastisch reduziertem
Mitgefühl, was dann ein Hauptmerkmal der Persönlichkeit des Psychopathen wäre“
Dr. phil. Mario Fox, Psychologischer Psychotherapeut, Lübeck

Empathie ist kein Mitgefühl
(Im Interview setzte sich Fritz Breithaupt
kritisch mit dem Konzept der Empathie ausei-
nander. „Wir waren alle ein wenig berauscht
vom eigenen Mitgefühl.“ Im Fokus. Heft
03/2017)

Mit einiger Verwunderung haben wir in
der letzten Psychologie Heute-Ausgabe das
Interview mit Fritz Breithaupt zur Kennt-
nis genommen. Zwar sind auch wir der
(w issenschaf t lich f undierten) Meinung,
dass Empathie nicht per se „gut“ ist, son-
dern zunächst nur eine Fähigkeit, die kon-
struktiv oder destruktiv genutzt werden
kann. Allerdings werden in dem Artikel
Abgrenzungen zu verwandten Konstruk-
ten wie insbesondere dem des Mitgefühls
nicht vorgenommen, schlimmer noch: Die
Begriffe Empathie und Mitgefühl werden
als Synonyme gebraucht. Während unter
Empathie tatsächlich die Fähigkeit ver-
standen wird, sich in andere hineinzu-
fühlen, kommt beim Mitgefühl ein tiefes
„Sich-anrühren-Lassen“ genauso hinzu
wie der Wunsch zu helfen. Die psycholo-
gische Forschung hat vielfach gezeigt, dass
Empathie zu negativen Konsequenzen
führen kann (z. B. Burnout), während
Mitgefühl in der Regel positive Auswir-
kungen hat (z. B. Wohlbefinden) und vor
Burnout schützen kann. Gerade wegen der
politischen Implikationen halten wir eine
verkürzte Darstellung wie jene von Herrn
Breithaupt nicht nur für fachlich unan-
gemessen, sondern auch für gefährlich.
Prof. Dr. Thomas Beblo, Diplompsychologe,
Elisabeth Fey, Diplompsychologin und Psychologische
Psychotherapeutin, Bielefeld

Ich kann hier aus Platzgründen gar nicht
alle argumentativen Fehler diskutieren,
die Fritz Breithaupt in Ihrem Interview

zum Besten gibt. Daher gehe ich nur auf
den Hauptfehler ein: Er setzt permanent
die Begriffe Empathie und Mitgefühl
gleich und verwechselt diese dann zwangs-
läufig in seiner dann eben schlampigen
Diskussion. In der Empathieforschung
wird schon seit langem unterschieden zwi-
schen diesen beiden zentralen Begriffen,
die Breithaupt je nach Belieben zusam-
menrührt. Es zeigt sich durch die Studien
der weltweit anerkannten Kognitionswis-
senschaftlerin Tania Singer sogar, dass
sich die jeweiligen Neurotransmitteraus-
schüttungen bei Empathie und Mitgefühl
in jeweils unterscheidbaren Hirnregionen
lokalisieren lassen. Singers Forschung be-
legt, dass Empathie ein eher kognitiver
Vorgang ist, der insbesondere die Hand-
lungsabsicht des anderen deutet und si-
muliert, um eine angemessene Reaktion
vorzubereiten. Es geht der Empathie also
eher kognitiv darum, Strategien im Um-
gang mit den Mitmenschen zu entwickeln,
was mit „Gefühlen“ nicht viel zu tun hat.
Breithaupts Tipp, man sollte mit der Em-
pathie nicht übertreiben und ein wenig
zurückfahren – er spricht hier von „ab-
blocken“ und „gezielt anknipsen“ – liefe
auf eine vergleichbar dumme Forderung
hinaus, man solle seine Intelligenz „ab-
blocken“. (Allgemeine Intelligenz und
Empathie zeigen eine hohe Korrelation.)

Mitgefühl dagegen motiviert, sich um
den hilfsbedürftigen Mitmenschen zu
kümmern; hier ist man auch emotional
vom anderen berührt, was dann als Mo-
tivation für das eigene prosoziale Handeln
fungiert. Manche Menschen können sehr
empathisch sein, aber mit drastisch redu-
ziertem Mitgefühl, was dann ein Haupt-
merkmal der Persönlichkeit des Psycho-
pathen wäre. Also zeigt sich auch hier, dass
„Empathie“ und „Mitgefühl“ unbedingt
als Begriffe auseinanderzuhalten sind. Ein
„Empathietraining“ mit Psychopathen
wäre Öl ins Feuer gießen, dagegen bräuch-
ten diese ein „Mitgefühlstraining“.
Die angebliche Willkommenskultur in
Deutschland als politische Folie zu miss-
brauchen, um Breithaupts absurden For-
derungen eine gewisse Dringlichkeit und
Pseudorelevanz zu verleihen, empfinde
ich als besonders perfide. Gerade als Kul-
turwissenschaftler sollte er doch wissen,
dass man einen so hochkomplexen Vor-
gang nicht erklären kann durch nur einen
wie auch immer gearteten „Faktor“. Es
wäre hilfreich gewesen, wenn Fritz Breit-
haupt den aktuellen Forschungsstand zur
Kenntnis genommen hätte.
Dr. phil. Mario Fox,
Psychologischer Psychotherapeut, Lübeck

Gütesiegel – die beste Lösung?
(Die BWL-Professorin Evi Hartmann fordert
Konsumenten auf, den eigenen Lebensstil zu
überdenken. Im Fokus. Heft 12/2016)
Evi Hartmann erklärt, „warum unser
Konsumverhalten uns zu Sklavenhaltern
macht“. Das ist rhetorisch starker Tobak.
In dem Artikel mischt sich dann Richtiges
mit Falschem – oft ein Indiz für eine man-
gelnde Analyse des behandelten Gegen-
standes. Der Artikel empfiehlt, zum
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