Die Welt Kompakt - 27.11.2019

(Michael S) #1
I

m Abflug-Terminal des Dort-
munder Flughafens nahm
sich Lucien Favre Zeit für die
Fans. Der Trainer von Borus-
sia Dortmund, der vor dem
Champions League-Spiel beim
FC Barcelona unter erheblichen
Druck steht, schrieb Autogram-
me und posierte für Fotos.

VON OLIVER MÜLLER

Er machte einen aufgeräumten
Eindruck, der scheinbar im Wi-
derspruch zu der prekären Situa-
tion steht, in der er sich befindet:
Sollte seine Mannschaft Mitt-
woch im Camp Nou (21.00 Uhr/
Sky) und Samstag im Bundesliga-
Spiel bei Hertha BSC nicht mit
überzeugenden Leistungssteige-
rungen aufwarten, dürfte der
Trainer kaum noch eine Perspek-
tive haben.
Was das angeht, macht sich
Favre keine Illusionen. Dies hatte
er einerseits den Worten von
Hans-Joachim Watzke entneh-
men können. Der Vorsitzende
der Geschäftsführung hatte auf
der Mitgliederversammlung am
Sonntag davon gesprochen hatte,
dass Fußball „ergebnisabhängig“
sei. Dies war ein deutlicher Hin-
weis. Doch Favre hatte bereits
unmittelbar nach dem 3:3 gegen
den SC Paderborn am Freitag ge-
ahnt, dass es für ihn nun sehr eng
wird. „Ich kenne meinen Job, ich
mache ihn lange“, sagte er und
gab deutlich zu verstehen, dass

ihn eine vorzeitige Trennung
kaum überraschen würde.
Die Probleme, die es bislang
verhindert haben, dass der BVB
seinem eigenen Anspruch gerecht
werden kann, hängen jedoch
nicht nur mit dem Trainer zu-
sammen. Dies weiß Favre – dies
wissen aber auch die Verantwort-
lichen des Klubs, die im Sommer
nach Absprache mit Coach und
Spielerrat das Saisonziel Meister-
schaft formuliert hatten.
Watzke hat deshalb auch nicht
nur den Trainer, sondern auch
daås Team in die Pflicht genom-
men - vor allem: die Leistungs-
träger und Führungsspieler.
„Auffällig ist, dass viele Spieler,
die letztes Jahr den Unterschied
gemacht haben, sich in keiner gu-
ten Form befinden. Daran müs-
sen wir arbeiten“, sagte Watzke
und sprach davon, dass „viele
Leistungsträger“ nicht an ihr al-
tes Niveau heranreichen.
Tatsächlich sind es ausgerech-
net die Profis, die die größte Be-
deutung für die Statik der Mann-
schaft haben, die teilweise seit
Monaten schwächeln. Zum einen
trifft dies auf Axel Witsel zu. Der
belgische Mittelfeldspieler, in der
vergangenen Saison Dreh- und
Angelpunkt im Spielaufbau, hat
nicht mehr die Klarheit in seinem
Spiel, die ihn in seiner ersten Sai-
son so wertvoll gemacht hatte.
Seine Fehlpassquote ist deutlich
angestiegen. Hinzu kommt, dass
der 30-Jährige auffällig viele Bälle

verliert – die dann häufig zu
schnellen Tempo-Gegenstößen
des Gegners führen.
Witsel, der im Juli 2018 nach
Dortmund gekommen war, wirk-
te in den vergangenen Wochen
müde und überspielt – mögli-
cherweise als Folge der Tatsache,
dass er das vergangene Kalender-
jahr ohne Sommerpause durch-
gespielt hat – erst beim chinesi-
schen Erstligisten Tianjin Quan-
jian und dann beim BVB. Die Um-
stellung vom überschaubaren Ni-
veau in China auf das schnellere
Spiel in der Bundesliga schien
ihm zunächst problemlos zu ge-
lingen. Nun ist jedoch auffällig,
dass er speziell unter Druck Feh-
ler macht. So fehlt es der Mann-
schaft an Stabilität.
Marco Reus, der entscheiden-
de Faktor der Dortmunder Of-
fensive, ist ebenfalls nicht mehr
an sein altes Leistungsvermögen
heran gekommen. Der National-
spieler kommt in 2019/20 in bis-
lang 16 Pflichtspielen auf sieben
Tore und eine Torvorbereitung.
Damit hinkt er gegenüber den
Daten der Vorsaison deutlich
hinterher. 2018/19 erzielte Reus in
36 Spielen 21 Treffer und bereite-
te 13 weitere vor. Besonders in
der Hinrunde der vergangenen
Saison, als der BVB in der Liga
phasenweise sogar neun Punkte
Vorsprung auf den FC Bayern
hatte, war Reus kaum zu stop-
pen: Von seiner Lieblingspositi-
on heraus, der des Spielgestal-

ters, inszenierte er die meisten
Angriffe. Doch die Probleme des
Kapitäns fingen bereits in der
Rückrunde an: Verletzungen nah-
men zu, dies ging zu Lasten der
Spritzigkeit des 30-Jährigen.
Auch Jadon Sancho, der eine
überragende vergangenen Saison
gespielt hat, tut sich schwer, kon-
stant gute Leistungen abzurufen.
Ähnliches gilt für Paco Alcácer
und Thomas Delaney, die in Bar-

AFP VIA GETTY IMAGES

/ JOHN MACDOUGALL

SPORT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,27.NOVEMBER2019 SEITE 28


FUSSBALL

Ballacks Vater
kandidiert

Der Vater des früheren Na-
tionalspielers Michael Ballack
kandidiert für den Aufsichtsrat
des Drittligisten Chemnitzer
FC. Stephan Ballack ist eine
von acht Personen, die sich auf
der Mitgliederversammlung
am 7. Dezember zur Wahl stel-
len. Ballack ist Unternehmer,
Geschäftsführer eines Pla-
nungsbüros. Sein Sohn Michael
spielte in der Jugend für den
CFC und machte dort seine
ersten Schritte als Profi.

Rekordstrafen für den
HSV und St. Pauli

Der DFB-Kontrollausschuss
hat gegen den Hamburger SV
eine Geldstrafe in Höhe von
250.000 Euro beantragt, der
FC St. Pauli soll 180.000 Euro
bezahlen. Strafen in dieser
Größenordnung seien bisher
nicht verhängt worden. Bei St.
Paulis 2:0-Sieg am 16. Septem-
ber hatte Schiedsrichter Sven
Jablonski das Spiel unterbro-
chen, als Fans beider Teams
Feuerwerk und Leuchtfackeln
zündeten. Schon das Derby im
März (4:0 für St. Pauli) hatte
mehrmals unterbrochen wer-
den müssen. Damals hatte das
DFB-Gericht dem HSV eine
Strafe von 150.000 Euro auf-
erlegt, St. Pauli musste
100.000 Euro zahlen.

EISHOCKEY

Kahun glänzt mit
zwei Torvorlagen

Dominik Kahun hat in der
NHL mit den Pittsburgh Pen-
guins das deutsche Duell gegen
Tobias Rieder von den Calgary
Flames gewonnen. Der 24-
Jährige steuerte beim 3:2 n.V.
zwei Assists bei. Kahun hat in
der laufenden Saison bereits
acht Treffer vorbereitet, ins-
gesamt sammelte er 14
Scorerpunkte.

FORMEL 1

Schumachers F2002
wird versteigert

Eines der legendärsten For-
mel-1-Autos der Geschichte
kommt unter den Hammer:
Samstag wird der F2002 von
Michael Schumacher verstei-
gert. Das Auktionshaus Sot-
heby's erwartet, dass der Kauf-
preis im Rahmen des Saison-
finales in Abu Dhabi bei bis zu
sieben Millionen Euro liegen
wird. Bei dem Modell handelt
es sich um das Originalchassis,
mit dem Schumacher 2002 in
Frankreich seinen fünften von
sieben WM-Titel einfuhr.

KOMPAKT


D


en Schuldigen hatten die
9 6-Fans nach dem miss-
lungenen Debüt von
Trainer Kenan Kocak schnell ge-
fffunden. Schiedsrichter Martinunden. Schiedsrichter Martin
Thomsen wurde mit einem gel-
lenden Pfeifkonzert in die Kabi-
ne verabschiedet. Mit einem
couragierten Auswärtsauftritt
hat Darmstadt 98 dem Coach
seinen Einstand bei Hannover
9 6 verdorben. Die Hessen be-
siegten den Bundesliga-Abstei-
ger am Ende verdient 2:1 (2:1).
Nach nun fünf Partien in Serie
ohne dreifachen Punktgewinn
bleibt Hannover in der Zweiten
Liga auf Relegationsrang 16.
VVVor 22.100 Zuschauern erziel-or 22.100 Zuschauern erziel-
ten Waldemar Anton per Eigen-
tor (4. Minute) und Tobias Kem-
pe (29.) die Tore für Darmstadt.
Das Team von Coach Dimitrios

Grammozis rückte auf Platz
zehn vor und verschaffte sich so
ein wenig Luft nach unten. Gen-
ki Haraguchi (14.) gelang der ein-
zige Treffer der Gastgeber. Der
einzig gültige, muss es heißen.
Denn in der Schlussphase spiel-
te sich das Drama um Marc
Stendera ab. Der wurde in der
8 4. Minute eingewechselt und
erzielte drei Minuten später den
vermeintlichen Ausgleich. Es
war ein herrlicher Treffer: Sten-
dera hatte rund 30 Meter vor
dem Tor viel Platz und drosch
den Ball genau in den oberen lin-
ken Winkel des Darmstädter Ge-
häuses.

Doch der Jubellauf der Gast-
geber wurde jäh unterbrochen,
der Videoschiedsrichter melde-
te sich, weil es kurz vor dem Tor
zu einem Regelverstoß gekom-
men war. Hannovers Haraguchi
wollte den Ball nämlich gar
nicht zu Stendera passen, son-
dern ihn in den Strafraum flan-
ken. Bei diesem Versuch wurde
das Spielgerät zunächst von
einem Darmstädter, dann von
Schiedsrichter Thomsen abge-
fffälscht, ehe es vor die Füßeälscht, ehe es vor die Füße
Stenderas fiel. Die Proteste der
Hannoveraner waren vergebens
und zeugten eher von mangeln-
der Regelkunde, die Trainer Ko-

cak unumwunden eingestand:
„Ich habe erst auf der Bank er-
fffahren, dass es diese Regel gibt“,ahren, dass es diese Regel gibt“,
sagte er und wetterte: „Wer die-
se Regel erfunden hat ... aber es
ist halt so.“
AAAuch hier kann Kocak gehol-uch hier kann Kocak gehol-
fffen werden. Die Regel hat dasen werden. Die Regel hat das
IFAB erfunden, das internatio-
nale Regelboard des Fußballs.
Dieses hatte vor der neuen Sai-
son im internationalen Fußball
ein ganzes Bündel von Änderun-
gen beschlossen und dies auch
sehr großflächig kommuniziert.
Eine Regel beschreibt sehr de-
tailliert den Fall von Hannover.
Der Schiedsrichter galt bis-

Neue Regel kostet den Ausgleich


Hannover 96 verliert auch, weil der Schiedsrichter nicht mehr „Luft“ ist


Krise der


Leistungsträger


Borussia Dortmund reist schwer angeschlagen nach


Barcelona. Schuld daran hat nicht allein der Trainer

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