„Der Schaden ist bereits
angerichtet.“
Philip Grosse, Finanzvorstand Deutsche
Wohnen SE, zur geplanten Einführung
eines Mietendeckels in Berlin
„Der nun erneut recht radikal
angelegte Protest von ,Ende
Gelände‘ ist eine große
Zumutung. Die Initiative kündigt an,
Regeln verschiedenster Art zu brechen.“
Christian Hoßbach, Vorsitzender DGB
Berlin-Brandenburg, zu geplanten Protesten in der Lausitz
A
ls das kalifornische Fintech Robinhood vor
sechs Jahren startete, war die Mission klar: den
Markt der etablierten Onlinebroker aufmischen.
Die großen Spieler waren schließlich mit ihren Gebüh-
ren und Kommissionen zu teuer und zu aufwendig für
junge Leute. Robinhood dagegen machte den Aktien-
handel zum ersten Mal überhaupt kostenlos und via
App leicht verständlich. Robinhood zählt heute in den
USA mehr als sechs Millionen Nutzer und bereitet den
Markteintritt in Großbritannien vor. Angangs wurde die
Firma belächelt. Doch das hat sich gründlich geändert,
längst nehmen die großen Spieler den Angreifer aus
dem Silicon Valley ernst. So ernst, dass Charles
Schwab, TD Ameritrade, Fidelity und E-Trade im Okto-
ber auch ihre Gebühren abschafften.
Der anhaltende Preiskampf führte am Ende jedoch
nicht zu mehr, sondern zu weniger Wettbewerb. Bran-
chenführer Charles Schwab übernimmt den Konkurren-
ten TD Ameritrade. Damit entsteht ein neuer Gigant –
die Folge wird mehr Konsolidierung und eine noch stär-
kere Konzentration des Marktes sein.
Der Drang nach Größe ist verständlich. Das schafft
Synergien, spart Kosten – das Geschäftsmodell im Zeit-
alter von Nullgebühren funktioniert vor allem über die
Kundenzahl. Die Art und Weise, wie Anleger ihr Geld
investieren, hat sich in den vergangenen zehn Jahren
deutlich geändert. Zwar haben alle Broker von dem an-
haltenden Bullenmarkt nach der Finanzkrise profitiert,
der junge und alte Anleger zurück an die Börse ge-
bracht hat. Doch der Trend geht nicht nur zum kosten-
losen Handel. Er geht auch weg von einzelnen Aktien.
Börsengehandelte Indexfonds locken mit niedrigen
Gebühren. Sogenannte Robo-Advisor legen das Geld
der Kunden je nach gewünschtem Alters- und Risiko-
profil automatisch in solchen Fonds an. Große Broker
müssen ihren Kunden also deutlich mehr bieten und
das zu deutlich niedrigeren Kosten.
Für die Kunden ist das positiv – zunächst einmal. Der
zweite Blick fällt etwas differenzierter aus. Denn je stär-
ker die Konsolidierung, desto konzentrierter die Markt-
macht, und desto weniger Alternativen bieten sich den
Investoren am Ende.
Der Zusammenschluss von Schwab und TD Ameritra-
de, falls er von den Wettbewerbsbehörden durchge-
wunken wird, hat auch Auswirkungen auf Kunden an-
derer Broker. Die beiden Anbieter sind auch wichtige
Dienstleister für unabhängige Finanzberater, sie halten
die Papiere für deren Kunden, führen Käufe und Ver-
käufe aus und übernehmen administrative Aufgaben.
Zudem bedeutet mehr Marktmacht meist auch weniger
Innovation. Dann würden die Kunden am Ende trotz
Nullgebühren dennoch draufzahlen.
Broker
Gefährliche Konzentration
In den USA entsteht ein neuer,
riesiger Onlinebroker. Die neue
Marktmacht darf nicht zum
Nachteil für die Kunden werden,
mahnt Astrid Dörner.
Die Autorin ist Korrespondentin in New York.
Sie erreichen sie unter:
dö[email protected]
Der
Preiskampf
führt am
Ende nicht
zu mehr,
sondern
zu weniger
Wettbe-
werb.
Bloomberg, Deutsche Wohnen, DGB
RWE
Im letzten
Moment
T
hyssen-Krupp, Eon und RWE
haben nicht nur den Stand-
ort Essen gemein. Die drei
Konzerne kämpfen auch allesamt
um ihre Existenz. Während Thys-
sen-Krupp noch immer verzweifelt
eine Zukunft jenseits des kriselnden
Stahlgeschäfts sucht, hat Eon sich
schon komplett von seinem alten
erodierenden Geschäftsmodell,
dem Betrieb großer Kraftwerke, ge-
trennt. Und auch RWE scheint gera-
de noch rechtzeitig die Wende zu
vollziehen. Deutschlands größter
Kohlekonzern setzt alles auf erneu-
erbare Energien – und gibt den Mit-
arbeitern und Aktionären endlich
wieder eine Zukunftsperspektive.
Diese radikale Neuausrichtung
vollzieht RWE freilich sehr spät und
auch nicht wirklich freiwillig. Vor
drei Jahren noch hatte Deutsch-
lands größter Stromproduzent das
Geschäft mit den erneuerbaren
Energien zusammen mit Netz und
Vertrieb im Unternehmen Innogy
abgespalten – und sich operativ
komplett der konventionellen
Stromerzeugung verschrieben.
Allerdings hat RWE-Chef Rolf
Martin Schmitz auch entschlossen
zugegriffen, als sich plötzlich die
Chance für eine radikale Wende er-
gab: das Angebot von Eon-Chef Jo-
hannes Teyssen, Innogy wieder
vom Markt zu nehmen und unter -
einander aufzuteilen. Während sich
Eon die Sparten Netz und Vertrieb
sicherte, bekommt RWE die erneu-
erbaren Energien von Innogy und
auch das grüne Stromgeschäft, das
bislang von Eon betrieben wurde.
Auf einen Schlag hat der Kohle-
konzern RWE ein Portfolio an
Wind- und Solaranlagen, mit dem
er in der europäischen Spitze mit-
spielt. Zudem legt Schmitz den
Schalter richtig um und will auch
die Investitionen auf die neue Toch-
ter konzentrieren. Pro Jahr will er
1,5 Milliarden Euro netto für die er-
neuerbaren Energien ausgeben.
In zwanzig Jahren will RWE ein
reiner Ökostromkonzern sein. Et-
was anderes bleibt dem Unterneh-
men aber auch nicht übrig, schließ-
lich ist dann der Kohleausstieg voll-
zogen. Ob der Dritte im Bunde,
Thyssen-Krupp, seine Zukunft fin-
det, bleibt abzuwarten.
Der Kohlekonzern vollzieht gerade
noch rechtzeitig die Wende zu den
erneuerbaren Energien, lobt
Jürgen Flauger.
Der Autor ist stellvertretender
Ressortleiter Unternehmen &
Märkte. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Unternehmen & Märkte
MITTWOCH, 27. NOVEMBER 2019, NR. 229
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