Handelsblatt - 01.11.2019

(Brent) #1
„Dieses Verfahren ist ein gutes Verfahren.
Ich habe mich am Anfang des Verfahrens
aus besagten Gründen entschieden, nicht
anzutreten, und zum jetzigen Zeitpunkt des
Verfahrens kann ich Ihnen sagen, werde ich
auch bei dieser Entscheidung bleiben.“
Franziska Giffey, Bundesfamilienministerin, zur Frage, ob sie
noch in die Kandidatur für den SPD-Vorsitz einsteigt

„ Wir wollen unsere
bilateralen
Beziehungen festigen,
von Indien lernen, aber
auch unsere technologischen
Entwicklungen platzieren.“
Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Stimmen weltweit


Zu den Parlamentswahlen in Großbritannien
am 12. Dezember meint der Londoner
„Guardian“:

D


ie Verschiedenheit der einzelnen Wahl-
bezirke in Kombination mit ungewöhn-
lich starken Schwankungen bei der Iden-
tifizierung von Wählern mit einer der Parteien
machen das Ergebnis am 12. Dezember weitge-
hend unvorhersagbar. Der Brexit hat herkömmli-
che Loyalitäten durcheinandergebracht, was ins-
besondere die Konservativen zwingt, zu bislang
ungewohnten Bedingungen um die Unterstüt-
zung von Wählern zu werben. (...)
Derweil hofft Labour, Brexit-Gegner in Städten
und Universitätsorten für sich gewinnen zu kön-
nen, ohne dabei Pro-Brexit-Wähler in ihren
Hochburgen zu entfremden, die zu den Tories
oder zur Brexit-Partei von Nigel Farage überlau-
fen könnten. Jeremy Corbyns Methode besteht
darin, auf nichteuropäische Themen zu setzen:
wirtschaftliche Fairness oder die Finanzierung
der öffentlichen Dienste. Das mag angesichts der
Wahlmüdigkeit bei allem, was mit dem Brexit zu
tun hat, und dem auffallenden Interesse an loka-
len Themen eine brauchbare Strategie sein. Aber
Labour muss auch mit Corbyns erbärmlichen
persönlichen Umfragewerten fertig werden.

Die liberale schwedische Tageszeitung
„Göteborgs-Posten“ schreibt zur Rolle der AfD
in Deutschland:

D


eutschland kann aus guten Gründen sa-
gen, Europas wichtigstes Land zu sein,
sowohl bevölkerungsmäßig als auch öko-
nomisch. Potenziell sind auch militärische, kultu-
relle und politische Machtfaktoren einzurech-
nen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass
die AfD in Deutschland politisch isolierter ist als
die Schwedendemokraten hierzulande. Und es
ist alles andere als sicher, dass die AfD in Zukunft
wirkliche Macht erhält. Ausgeschlossen werden
kann das aber nicht. Und eine Sache ist sicher:
Wer über die Macht in Wien, Rom oder Budapest
verfügt, das ist eine Bagatelle für Europa vergli-
chen mit der Frage, wer Einfluss in Berlin hat.
Das war vor einem Jahrhundert so und ist es
dpa, imago images/Christian Thiel, APauch noch heute.

Auch die österreichische Tageszeitung „Der
Standard“ beschäftigt sich mit den Neuwahlen
in Großbritannien:

W


ie im Frühjahr 2017 bittet auch dies-
mal ein konservativer Premierminis-
ter um ein klares Brexit-Mandat. Und
wie damals seine Vorgängerin Theresa May geht
auch Boris Johnson ein hohes Risiko ein. (...)
Die erneute Verlängerung der Austrittsperiode
hätte eine ordnungsgemäße Ratifizierung des
Vertrags möglich gemacht. Doch das geschah
nicht. Stattdessen müssen sich die Bürger nun
sieben Wochen lang mehr oder weniger intelli-
gente Parolen um die Ohren schlagen lassen, und
das in der Vorweihnachtszeit. Johnson glaubt wie
damals May, am Ende werde seine Tory-Partei ei-
ne satte Mehrheit haben. Seiner Vorgängerin ver-
weigerte dies das Wahlvolk. Es bleibt zu sehen,
ob ihr Nachfolger mehr Glück hat.

E


s ist ein guter Tag für die Meinungsfreiheit: Twit-
ter-Chef Jack Dorsey will politische Werbung von
seinem Kurznachrichtendienst verbannen. Das
wird seine eigene Plattform besser machen. Vor allem
aber sendet die Entscheidung die richtige Botschaft in
eine hitzige Debatte: Freie Meinungsbildung und be-
zahlte Meinungsbildung sind nicht vereinbar.
Soziale Netzwerke bieten jedem, der Zugang zum In-
ternet hat, die Freiheit, seine Meinung zu äußern. Twit-
ter und Facebook haben es bisher aber nicht ermög-
licht, sich unverzerrt eine Meinung zu bilden. Denn
auch wenn Werbung als solche gekennzeichnet ist, be-
einflusst sie, was Menschen bewusst und unbewusst für
wichtig und richtig halten. Die Nutzer können die Wer-
bung nicht ausblenden und können sich kein Bild da-
von machen, welcher Ausschnitt der Werbelandschaft
für sie bereitgestellt wird und weshalb. Das ist tragbar,
wenn es um Halbwahrheiten über Feuchtigkeitscreme
geht. Aber untragbar bei Lügen über Politik.
Twitter ist die Onlineplattform für den politischen
Diskurs. Vor allem Politiker in den USA platzieren dort


ihre Themen, kritisieren Vorhaben von Widersachern,
unterstützen Pläne von Parteifreunden, verteidigen ihre
Entscheidungen. Wessen Botschaften verbreitet werden
und die meisten Menschen erreichen, sollten andere
Nutzer entscheiden, nicht das Geld. Da liegt Dorsey
richtig. Es ist die beste Möglichkeit, dem Diskurs eine
Art demokratische Grundlage zu geben.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg sollte sich dieser
Strategieänderung anschließen. Denn Facebook-User
sind oft jünger und nutzen die Plattform in erster Linie,
um mit ihren Freunden in Kontakt zu bleiben, und zur
Unterhaltung. Sie müssten noch stärker vor politischen
Kampagnen geschützt werden, deren Wirkungsweise
sie nicht verstehen können. Stattdessen enthebt sich
der Facebook-Chef der Verantwortung, Wahlwerbung
auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
US-Präsident Donald Trump war im Wahlkampf 2015
und 2016 einer der großen Profiteure politischer Wer-
bung im Internet. Kein Wunder, dass sein Kampagnen-
manager die Twitter-Entscheidung gleich kritisierte. In
den USA nutzt mittlerweile jede Partei politische Wer-
bung intensiv.
Das Aus für politische Werbung macht soziale Netz-
werke aber noch nicht zu vertrauenswürdigen Orten.
Ein noch viel größeres Problem ist die Meinungsmani-
pulation durch Bots und die Verbreitung von Falsch-
nachrichten. Dafür müssen technische Lösungen entwi-
ckelt werden. Aber Dorseys Entscheidung, politische
Werbung zu verbannen, ist ein erster, längst überfälli-
ger Schritt auf dem Weg zu einer leichteren freien Mei-
nungsbildung im Netz.

Politische Werbung im Internet


Das Netz wird besser


Twitter will kein Geld mehr mit
politischer Werbung verdienen.
Das ist ein längst überfälliger
Schritt, kommentiert
Larissa Holzki.

Die Autorin ist Redakteurin im Ressort Unternehmen
& Märkte. Sie erreichen sie unter:
[email protected]

Wirtschaft & Politik


WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211^15

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