Handelsblatt - 01.11.2019

(Brent) #1
„Frankreich muss stolz
sein auf seine
Autoindustrie, die ihre
Fähigkeit zur Forschung und
zur technischen Erneuerung
unter Beweis gestellt hat.“
Bruno Le Maire, Finanzminister Frankreichs

„Ich kann das Abkommen nicht
beurteilen, aber was der Regierung
am Herzen liegt, ist, dass das
Produktions- und
Beschäftigungsniveau in Italien
gesichert ist.“
Giuseppe Conte, Ministerpräsident Italiens, zur Fusion
FCA mit PSA

I


n der Zeitung habe ich gelesen, dass im Inter-
net der Cat-Content rückläufig sei und stattdes-
sen die Hunde auf dem Vormarsch seien. Es
gibt leider keine sehr konkreten Zahlen, aber
Indizien. Der Zwergspitz Boo hat zum Beispiel dop-
pelt so viele Likes auf Facebook sammeln können wie
die legendär schlecht gelaunte Katze Grumpy Cat.
Das Suchvolumen bei Google für „Cute Dogs“ soll laut
BBC schon doppelt so groß sein wie „Funny Cats“.
Es gibt verschiedene Theorien darüber: Eine ist,
dass sich der Charakter des Internets verändert ha-
be. Einst sei es eine Spielwiese der Nerds und Non-
konformisten gewesen – und nun spiegele es eben
die Vorlieben der Mehrheit wider. Und die fänden
eben süße Hunde noch toller als Katzen. Die Katze,
so sagt etwa die US-Internet-Forscherin Elyse Gra-
ham, stehe für die anarchische Zeit des Internets, als
in den verschiedenen Foren massenhaft Katzenbil-
der getauscht wurden. Die „Washington Post“ be-
zeichnete die Katze sogar als das „Totemtier“ des In-
ternets.
Viele Internetnutzer wollten gern ein bisschen wie
Katzen sein. Eigenwillig, hedonistisch, unangepasst
und trotzdem irgendwie sehr niedlich. Und natürlich
schätzte man den ironischen Blick auf irgendwie al-
les. Hunde sind natürlich auch irgendwie niedlich –
aber Hunde lieben nicht nur sich selbst, sondern
sind auch ihrem Besitzer sehr zugetan. Hunde lieben
es, Befehle auszuführen, und können sich für jeden
Unsinn begeistern. Es sind keine Nonkonformisten.
Heißt das nun, das Internet wird angepasster?
Ich habe nie so ganz verstanden, warum Katzen
als etwas Besonderes gelten, nur weil sie ihren Besit-
zer vor allem als Quelle für Streicheleinheiten und
als Futterspender begreifen. Für mich ist Egoismus

eigentlich keine besondere Auszeichnung. Es gibt
auch viele andere Tiere, die Menschen vor allem als
Nahrungsquelle sehen, zum Beispiel Blutegel. Des-
wegen gibt es im Internet allerdings noch lange nicht
Millionen Blutegel-Videos. Auch kann ich mir schwer
vorstellen, dass Katzenhalter vornehmlich Individua-
listen sind. Es gibt neun Millionen Katzenbesitzer in
Deutschland. Die können nicht alle anarchistische
Individualisten sein.
Es gibt noch eine andere Theorie über Katzen im
Netz. Katzen interessieren sich nicht für Kameras
und haben eine relativ ausdrucksarme Mimik. Man
kann also sehr gut alles Mögliche in sie hineininter-
pretieren. Demnach wäre gar nicht die Katze, son-
dern der Mensch der Egoist, der rücksichtslos seine
eigenen Empfindungen auf sein Haustier projiziert.
Und dabei manchmal auch noch kräftig kassiert.
Eine der bekanntesten Internetkatzen, Maru, eine
Katze, die sich vorbildlich in alle möglichen Schach-
teln falten kann und im „Guinness-Buch der Rekor-
de“ als meistangeschautes Tier auf Youtube steht,
hat ihrem Besitzer im Jahr 2017 etwa 75 000 Dollar
eingebracht. Die Deutschen sind die größten Katzen-
liebhaber Europas, hier leben fast 15 Millionen die-
ser Tiere. Ihre Besitzer müssen keine Steuern zah-
len, obwohl Katzen einen erheblichen ökologischen
Schaden anrichten, etwa, indem sie Singvögel jagen.
Es geht also eigentlich nicht egoistischer. Wenn nun
der Hund die Katze im Netz verdrängt, ist dies viel-
leicht ein Zeichen, dass das Internet ein bisschen we-
niger ichbezogen wird.

Prüfers Kolumne


Zwergspitz statt Funny Cats


Tillmann Prüfer ist
überzeugt, dass
das Internet
weniger
ichbezogen wird,
weil Fotos von
Hunden statt
Katzen jetzt sehr
beliebt sind.

Der Autor ist Mitglied der Chefredaktion des
„Zeit-Magazins“. Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

dpa, AFP, AFP


Illustration: Max Fiedler


Grüne Mode


Noch mehr


Verwirrung


E


s hat viele Jahre gedauert.
Aber jetzt interessieren sich
endlich mehr Menschen für
grüne Kleidung. Sie wollen nicht
mehr alles nur möglichst billig kau-
fen. Sondern sie legen Wert darauf,
dass ihre Jeans umweltfreundlich
und unter fairen Bedingungen ge-
färbt und genäht wird.
Wer solche Kleidung sucht, muss
sich leider mit mehreren Dutzend
Siegeln beschäftigen. Das reicht von
GOTS über Fear wear bis zu Oeko-
tex. Jedes Siegel steht für andere
Kriterien einer nachhaltigen Liefer-
kette. Jetzt kommt noch eines hin-
zu. Zalando nennt das zwar nicht
Siegel. Aber Deutschlands größter
Online-Modehändler kennzeichnet
immer mehr Bekleidungsangebote
mit einem Label, das er schlicht
„Nachhaltigkeit“ nennt.
Das ist ein schöner, aber auch
sehr dehnbarer Begriff. Und so gibt
Zalando seinen Produkten schon
diese Auszeichnung, wenn sie auch
nur eines von mehreren Kriterien
erfüllen, die Zalando für nachhalti-
ge Mode definiert hat. Da reicht es
schon, wenn eine Bluse nur zum
Teil aus recycelten Fasern herge-
stellt wird.
Damit wird erneut eine Chance
vertan, für mehr Klarheit in der Mo-
debranche zu sorgen. Dazu passt
es, dass Zalando ebenso wie andere
große Händler von C&A bis Peek &
Cloppenburg sich nicht für den
„Grünen Knopf “ starkmachen. Die-
ses erste staatliche Siegel für Texti-
lien hat Bundesentwicklungsminis-
ter Gerd Müller Anfang September
gestartet, um für mehr Klarheit im
Markt zu sorgen.
Natürlich: Das staatliche Siegel ist
auch nicht perfekt und muss nach-
gebessert werden. So lässt es Bear-
beitungsstufen in der Lieferkette
außen vor. Aber die Initiative des
Entwicklungsministers verdient
mehr Unterstützung von Herstel-
lern und Händlern. Immerhin ver-
kaufen Tchibo und Otto schon erste
Produkte mit dem Grünen Knopf.
Vielleicht muss Müller dem Wirr-
warr der Siegel am Ende doch mit
Regelungen ein Ende bereiten. Da-
mit gedroht hat er ja schon. Noch
aber hofft er auf Einsicht der Mode-
firmen.

Zalando kreiert nun auch noch ein
Nachhaltigkeitssiegel. Das schadet
dem Wunsch nach ökologischer
Mode, meint Georg Weishaupt.

Der Autor ist Redakteur im
Ressort Unternehmen & Märkte.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Unternehmen & Märkte


WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211^25

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