Handelsblatt - 01.11.2019

(Brent) #1

Kunstmarkt


(^54) WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211
Robin Rhode „Piano-
Chair“: Aus der
Digital animation über
einen Pianisten.
Kunstmuseum Wolfsburg/Robin Rhode
Tiefer Blick auf
Südafrikas Trauma
Robin Rhode geht in seiner Kunst von der Street-Art aus. So witzig sie
wirkt, er erinnert damit an die Geschichte der „Coloureds“ vom Kap.
Frank Kurzhals Wolfsburg


W


er an Künstler aus Südafrika
denkt, hat schnell ein deutli-
ches Bild vor Augen. Entwe-
der das eines Schwarzen oder
das eines Weißen. Ein „Dazwi-
schen“ gibt es nur allzu selten. Für Robin Rhode,
einen der Senkrechtstarter der Street-Art aus Süd-
afrika, ist diese verengte Wahrnehmung einer der
Gründe, warum er zumindest in dem auf Eindeu-
tigkeit ausgerichteten Deutschland oft übersehen
wird.
Er zählt zu den „Coloured Artists“, wie er sich
selbstironisch der Apartheid-Nomenklatur folgend
klassifiziert: ein Südafrikaner mit Vorfahren aus ver-
schiedenen Ethnien, der in der bundesrepublikani-
schen Kunstszene gerne mal durch das Wahrneh-
mungsraster fällt. Seit gut zwölf Jahren gab es von
Rhode keine Museumsausstellung mehr hierzulan-
de, obwohl er schon seit 2002 in Berlin lebt. Das

Kunstmuseum Wolfsburg gibt jetzt umfassend Ein-
blick in Rhodes hintergründiges Werk.
Internationale Museen und auch der Kunstmarkt
haben längst auf die Bedeutung seiner Bildsprache
reagiert. Spätestens seit 2005, als der 1976 gebore-
ne Rhode auf der Biennale in Venedig ausstellte,
stieg seine Bekanntheit rasant. Mit der Folge, dass
die Preise für seine Arbeiten anzogen. Fotoserien
liegen heute zwischen 40 000 und 100 000 Euro,
Malerei und Zeichnungen werden mit 20 000 bis
80 000 Euro gehandelt. Rhodes Spitzenpreise krat-
zen aktuell bereits an der 150 000-Euro-Marke. Auf
der vor Kurzem zu Ende gegangenen „Frieze Lon-
don“ richtete ihm seine New Yorker Galerie Leh-
mann Maupin sogar eine Soloschau aus. Und auch
in Rhodes Heimatland, so Joost Bosland von
Rhodes südafrikanischer Galerie Stevenson, wach-
se die Nachfrage deutlich.
Wer im Kunstmuseum Wolfsburg durch die Räu-

me streift, begreift, wie der Künstler die eigene Ge-
schichte reflektiert. Auf gut 800 Quadratmetern ist
eine faszinierende Gesamtschau ausgebreitet, zu
der neben digitalen Animationen und Videos vor
allem Fotos und eine Performance gehören.
Rhodes Arbeiten greifen zwar ästhetisch auf die
Street-Art zurück, gehen aber weit darüber hinaus.
Sie erschöpfen sich keinesfalls im humorvollen
Bildwitz, sondern sind stets auch ein „Conversa -
tion-Piece“, das den Blick in eine über die Jahrhun-
derte geschundene südafrikanische Seele freigibt.
„Ich habe wirklich eine ausgeprägte Schwäche für
Ästhetik und das Auslösen emotionaler Reaktio-
nen, aber nicht auf eine finstere oder zynische
Art“: So fasst der Künstler selbst zusammen, was
ihn antreibt. Rhode stößt nicht vor den Kopf, er ist
wesentlich raffinierter. Er arbeitet mit einer vergif-
teten Schönheit, bei der das Gift erst spät zu wirken
beginnt.

„Piano Chair“:
Rhode erinnert an
Moses T. Molelekwa,
der erhängt auf-
gefunden wurde.
Seine Frau lag neben
ihm erwürgt.

Kunstmuseum Wolfsburg/Robin Rhode

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