WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211^55
Rhode, der in Johannesburg Kunst studierte,
konzipiert seine Werke in Berlin. In Südafrika setzt
er sie um und dokumentiert sie fotografisch. Und
er schafft es in nahezu jedem Werk, die Betrachter
schon auf den ersten Blick mit seinem Bildwitz zu
amüsieren. Wem das ausreicht, der behält ein char-
mantes und auch humorvolles oder auch nur witzi-
ges Werk in Erinnerung. Doch die zweite Ebene
seiner Bildgeschichten sorgt für eine verstörende
Tiefe. In die wird der Betrachter geradezu strudel-
artig gerissen, wenn er sich auf den historischen
Hintergrund einlässt.
2002 zeichnet Rhode auf eine Wand ein einfa-
ches Fahrrad, das „Classic Bike“. Vor der Zeich-
nung steht ganz real ein Mann, der das Rad fiktiv
besteigen will, um wegzufahren, was natürlich
nicht funktionieren kann. Ein fotografischer Witz,
der mit den Wirklichkeitsebenen spielt. Wer aber
den Hintergrund kennt, dem bleibt das Lachen im
Halse stecken. Robin Rhode wird emotional, wenn
er über die Fakten spricht, die hinter dem Rad ste-
cken: Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es für die
heimkehrenden weißen Soldaten als staatliches
Kompensationsgeschenk Land, die heimkehren-
den Schwarzen hingegen erhielten – ein Fahrrad.
Jetzt mischt sich Bitterkeit in die Erinnerung, die
sich vom Humor im Bild nicht mehr lösen lässt.
Rhode aktiviert das Langzeitgedächtnis des Be-
trachters immer dort, wo Politik versucht zu ver-
drängen. Seine Geschichten sind Storytelling at its
best. „Piano Chair“ ist eine zuerst slapstickartig-hu-
morvoll wirkende digitale Animation von knapp
vier Minuten Länge. Darin erzählt Rhode die Ge-
schichte des bekannten Jazzpianisten Moses Taiwa
Molelekwa und seiner Frau Florence Mthobo.
Doch die Heiterkeit kippt schnell um in Düsternis:
Er wurde erhängt aufgefunden, sie lag neben ihm,
erwürgt. So endet auch die Animation. Noch im-
mer sind die Morde unaufgeklärt.
In „Stone Flag“ von 2004 lässt Rhode eine Figur
mit dem schwer lastenden Gewicht einer Fahne
kämpfen, deren Stoff aus Ziegeln zu bestehen
scheint. Ziegel fertigten die mittellosen Migranten
im Südafrika des 19. Jahrhunderts, um daraus Häu-
ser für andere zu mauern. In Rhodes Statement
zum zehnjährigen Jubiläum der südafrikanischen
Demokratie wirkt die steinerne Flagge gleichzeitig
fragil und schwer aufrecht zu halten.
„Twilight“ von 2012 diskutiert nicht nur die per-
sönliche Identität, sondern die Identität aller
„Coloured People“. Zwischen Schwarz und Weiß
fächern große, spielerisch entfaltete Federn ein rei-
ches Spektrum an Zwischentönen auf. Und das auf
einer Wand in gebrochenem Weiß.
Der für Wolfsburg gewählte Ausstellungstitel „Me-
mory Is The Weapon“ zitiert die gleichnamige Auto-
biografie des südafrikanischen Schriftstellers Don
Mattera. Erinnerung und Geschichte erklären die
Bedingungen der Gegenwart. Ohne Geschichte und
Geschichten bleibt alles eindimensional. Die sinnklä-
rende Tiefenperspektive fehlt. Aber mit genauen Er-
innerungen wird alles gleichzeitig noch komplizier-
ter. Bei Rhode allerdings, das zeigt die Ausstellung,
wird es poetisch-kompliziert.
„Robin Rhode. Memory Is The Weapon“. Bis
- Februar 2020 im Kunstmuseum Wolfsburg.
Der Ausstellungskatalog im Hatje Cantz Verlag
ist ein Standardwerk zu Robin Rhode,
herausgegeben von Uta Ruhkamp. 224 Seiten,
34 Euro im Museum. Vom 15. März 2020 bis 21.
Juni 2020 in der Kunsthalle Krems.
Robin Rhode:
„Ich habe eine
Schwäche für
das Auslösen
emotionaler
Reaktionen, aber
nicht auf eine
finstere oder
Thomas Meyer/OSTKREUZ zynische Art.“
*#' ( .&&% .)) ) % ) (
'*$'
!#'-" +++"!#'-"
* + &) , .
* # #-
* *!'*# " " "
% %
# %
# %
!
! (#( &&&!!$!
$ ( "# ' " ((((((((
Ǖ
Ǖ
0 #ŕ
Ĩ *Ǖŕ
Ĩ %ǕǕA
0ǔǔB
-0 .0"&
$" $0"&
-# $
3$.03!0 &$$
06"-.0- 2 7%/'"$
"+,% )22(* %2/275
$&4$#+
&" ( - ""$0 +((( 0
5 2+777 1+777
3!0 &$$
(1+ ,(+ &4+ 27(%
&-. 0 3$
+ ((+ &4+ 27(%
&?+;=*9&=
·¿è±Mû¢¿·z· ėĈè ·ėz¢z·ígM«ûĈ·m
#]Cp¡ #p®ďpßd 4p¡Í đđõüuđõìõ