Süddeutsche Zeitung - 18.11.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1

Joshua Wong gilt als das Gesicht des Kon-
flikts inHongkong. Er war erst 14 Jahre alt,
als er 2011 erstmals gegen die Regierung
aufbegehrte – mit Flugblättern gegen „Ge-
hirnwäsche“ im Schulunterricht. Ein Jahr
später folgten an die 120000 Menschen sei-
nem Aufruf, auf die Straße zu gehen. 2014
gehörte er zu den führenden Köpfen, als
die „Regenschirmbewegung“ die Hongkon-
ger Innenstadt besetzte. Wegen seines En-
gagements saß Wong, inzwischen 23 Jahre
alt, dreimal im Gefängnis – zuletzt vor
mehr als fünf Monaten, als die Proteste wie-
der aufflammten. Während ausländische
Politiker Wong als Wortführer der Demons-
tranten empfangen, ist seine Rolle in Hong-
kong selbst nicht unumstritten.


SZ: In den vergangenen Tagen gab es
massive Ausschreitungen in Hongkong
mit vielen Verletzten und mehreren To-
ten. Sie haben die Gewalt bisher nicht
verurteilt. Warum?
Joshua Wong: Auch nach mehr als fünf Mo-
naten sieht man viele Berufstätige auf den
Straßen. Sie werfen keine Brandsätze, son-
dern marschieren in ihrer Mittagspause.
Mit rein friedlichem Protest werden wir un-
ser Ziel aber nicht erreichen. Allein mit Ge-
walt allerdings auch nicht. Wir brauchen
beides. Die Regenschirmbewegung hat ge-
zeigt, dass niemand entscheiden kann,
was richtig und was falsch ist. Niemand hat
das Recht, die anderen zu verurteilen.


Was Sie als Verständnis für die Sicht
anderer bezeichnen, führt dazu, dass nie-
mand mehr wagt, die enthemmte Gewalt
zu kritisieren, die Demonstranten auf der
Straße ausüben.

Wir müssen verschiedene Strategien aus-
probieren. Gleichzeitig braucht es Kontrol-
le. Dafür gibt es Onlineforen wie LIHKG,
auf denen die Bewegung nächste Schritte
debattiert. Jeder Vorschlag muss zunächst
eine Mehrheit finden. Das funktioniert
immer noch. Gerade haben sie gemeinsam
beschlossen, die bis dahin besetzte Chine-
se University of Hong Kong zu verlassen.
Das ist eine der wichtigsten Lehren aus der
Regenschirmbewegung: gegenseitiger Re-
spekt und Verständnis für die Sicht der
anderen. Wir müssen solidarisch sein.
Gleichzeitig müssen wir uns anstelle einer
Führungsspitze dezentraler organisieren.
Sonst ist es zu leicht für die Regierung, die
Bewegung zu stoppen.

Am Sonntag stehen die Distriktwahlen an.
Sie sind der einzige Kandidat, der ausge-
schlossen wurde. Welche Gründe hat man
Ihnen dafür genannt?
Die Regierung hat Angst vor meinem inter-
nationalen Engagement. Ich arbeite aber
weiter für die Kandidaten meiner Partei.
Ich hoffe, dass wir von den 452 Sitzen min-
destens die Hälfte erobern können. Das
wäre ein wichtiges Zeichen an das prode-
mokratische Lager. Wenn die Wahlen abge-
sagt werden, wird das in Hongkong Konse-
quenzen haben. Die Demonstranten for-
dern in der Mehrheit nicht mehr als eine
Polizeiuntersuchung. Das ist eine modera-
te Forderung.

Wie geeint ist die Bewegung noch?
Die Polizeigewalt stößt auf immer mehr Wi-
derstand in der Bevölkerung. Erst hat die
Polizei nur Demonstranten verhaftet,
dann Ersthelfer, Pastoren und nun Zivilis-
ten. Über 4000 Menschen wurden inzwi-
schen festgenommen. Das stärkt das Ver-
ständnis der Bevölkerung für die Proteste.

Woher kommt aus Ihrer Sicht die ent-
hemmte Gewalt aufseiten der Polizei?
Die Regierung in Hongkong hat keine Kon-
trolle mehr über die Polizei. Die Einsatz-
kräfte respektieren unseren Rechtsstaat
nicht. Im Scherz sagen wir, dass wir eine

Militärregierung haben. In der Innenstadt
stehen nun jeden Tag vermummte Polizis-
ten auf den Brücken und zielen auf Journa-
listen. Ehrlich, ich weiß nicht, was die Stra-
tegie der Regierung ist. Die Forderung
einer unabhängigen Untersuchung der Po-
lizeigewalt wird von etwa 80 Prozent der
Bevölkerung unterstützt. Während der Re-
genschirmbewegung war die Geschäfts-

welt mehrheitlich auf der Seite des prochi-
nesischen Lagers. Bereits im Juli hat sich
selbst die Handelskammer für eine Unter-
suchung ausgesprochen.

Was hat sich seit der Regenschirmbewe-
gung verändert?
Die Lage ist für China international kompli-
zierter geworden. Während der Regen-
schirmbewegung war Präsident Xi Jinping
erst zwei Jahre an der Macht. Im Ausland
hat man die Konsequenzen seines Amtsan-
tritts noch nicht verstanden. Man dachte,
China sei immer noch das China unter Hu
Jintao. Es gab noch keine Arbeitslager in
Xinjiang oder die massive Zensur. Ich den-
ke, die Sicht in westlichen Staaten auf Chi-
na hat sich inzwischen geändert.

Hat sich das Ziel der Bewegung geändert?
In Hongkong gibt es seit 30 Jahren eine De-
mokratiebewegung. Da war ich noch nicht
geboren. Kurzfristig wollten wir die Rück-
nahme des Auslieferungsgesetzes. Das ist
passiert. Mittelfristig geht es um die unab-
hängige Untersuchung der Polizeigewalt
und die Reform der Polizei. Langfristig
fordern wir ein allgemeines Wahlrecht. Ich
hoffe, dass wir 2047 Autonomie und Demo-
kratie in unserer Stadt haben. Aber das
kann niemand voraussehen. Sicher ist: Die
aktuelle Bewegung hat ein Momentum,
das es in den vergangenen Jahren nicht
gegeben hat.

Ein Demonstrant hat über Sie gesagt, Sie
seien wie ein Telefonbuch. Alle Nummern
von wichtigen Leuten im Handy, sonst
aber irrelevant für die Bewegung. Tut das
weh, nicht mehr der Anführer zu sein?
Ich bin in der Tat nicht der Anführer der Be-
wegung. Meine Verantwortung ist es, die
Stimme der Demonstrierenden weltweit
hörbar zu machen. Ich kann meine Be-
kanntheit nutzen, die Bewegung zu unter-
stützen. Ich habe Erfahrung an der Front.
Ich werde aber kein Experte mehr beim
Bau von Brandbomben. Jeder sollte einen
Beitrag mit dem leisten, was er am besten
kann. Ich demonstriere auch. Aber anstatt
vier Stunden zu demonstrieren, kann ich
auch Artikel und Meinungsbeiträge schrei-
ben. Das hilft wiederum den Demonstran-
ten in der ersten Reihe.

Wird die Regierung die Wahlen am kom-
menden Sonntag absagen?
Das ist eine gute Frage. Wenn die Polizei in
jedem Distrikt Hongkongs Tränengas ver-
schießt, wie können die Wahlen dann statt-
finden? Im Moment scheint es aber unter-
schiedliche Ansichten in der Regierung zu
geben. Wenn die Wahlen abgesagt werden,
droht Chaos. Wenn sie stattfinden, könn-
ten sie verlieren. Aus meiner Sicht sollten
sie die Wahlen stattfinden lassen. Es ist die
einzige Möglichkeit politischer Mitbestim-
mung in Hongkong. Egal, auf welcher Seite
man steht. interview: lea deuber

„Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen“


Aktivist JoshuaWong rechtfertigt die Gewalt der Demonstranten. Er habe selbst „Erfahrung an der Front“, werde „aber kein Experte mehr beim Bau von Brandbomben“


„Anstatt vier Stunden
zu demonstrieren,
kann ich auch Artikel und
Meinungsbeiträge schreiben.“

von lea deuber

A


ls Yim auf den Balkonsims tritt, heu-
len zwanzig Meter unter ihm schon
die Sirenen. Der 20-Jährige spannt
die Sehne seines Bogens und richtet die
Pfeilspitze auf die Straße unter ihm, wo er
die Polizei vermutet. Wenig später knallt
die erste Tränengaskartusche neben ihm
auf die Steine. Es ist der Auftakt zu einem
Kampf zwischen Polizei und Demonstran-
ten, der von Samstag bis in den späten
Sonntagabend dauern wird. Wer in diesen
Minuten den jungen Mann auf dem Balkon
der Polytechnischen Universität in Tsim
Sha Tsui balancieren sieht, mag nicht
glauben, im Zentrum Hongkongs zu sein.
Der globalen Finanzmetropole. Einst ein
Leuchtturm der Freiheit in Asien.
Die Mehrheit der Bewegung ist immer
noch friedlich. Seit Tagen gehen Menschen
in ihrer Mittagspause protestieren. Es gibt
Streiks und friedliche Kundgebungen.
80 Prozent der Bürger sind laut einer Um-
frage aber auch einverstanden mit der Ge-
walt an der „Front“. Yungmo nennen sie die
jungen Radikalen: der harte Kern. Jeden
Tag kommt es inzwischen zu Zusammen-
stößen mit der Polizei. Demonstranten blo-
ckieren über Tage wichtige Verkehrskno-
tenpunkte und Brücken. Zuletzt haben sie
sich an den fünf Universitäten der Stadt
verschanzt. Was vor fünf Monaten als
friedlicher Protest gegen ein Auslieferungs-
abkommen mit Festlandchina begann,
nimmt seinen zwischenzeitlichen Höhe-
punkt an diesem Wochenende. Hier in
Tsim Sha Tsui. Nächsten Sonntag sind Dis-
triktwahlen. Die Regierung droht, sie abzu-
sagen. Bis Dienstag muss Regierungsche-
fin Carrie Lam die Entscheidung treffen.
Yim ist vermummt, trägt einen Schutz-
panzer am Körper und einen Helm mit
Tarnmuster. Er heißt in Wirklichkeit an-
ders. Bezeichnet sich nicht als Student, son-


dern als „Bürger Hongkongs“. Mit seinem
Bogen ziele er auf Arme und Beine, sagt er.
Wenn man ihn fragt, ob ihm klar ist, dass
er mit dem Bogen jemanden tödlich verlet-
zen könnte, sagt er „Ja“. Dann steigen ihm
die Tränen in die Augen. „Die Polizei er-
schießt uns“, sagt er. „Ich will die Men-
schen beschützen, die unten auf der Straße
kämpfen.“ Die Regierung lenke nicht ein.
Vor den Protesten hat Yim noch nie einen
Bogen in der Hand gehalten.

Nicht jeder Demonstrant ist mit Pfeil
und Bogen bewaffnet. Aber niemand
stoppt Yim dabei, als er auf den Vorsprung
klettert. Er ist die Vorhut. Über die vergan-
genen Tage haben Demonstranten Tausen-
de Brandsätze gebaut. Blockaden werden
geschweißt und Zement angemischt, um
die Mauern um die Uni zu verstärken.
„Kann man alles auf Youtube lernen“, sagt
ein Demonstrant. Am Pool lagern die De-
monstranten Petroleum in Kanistern. Bis
zuletzt wird befürchtet, die Polizei könnte
die Uni stürmen. Der Grund: Es fehlt Ma-
terial aus den Laboren. Die Hochschullei-
tung hat deshalb die Polizei gerufen.
Die Bilanz der vergangenen Tage ist
verheerend. Am Mittwoch hat ein Demons-
trant einen Mann mit einem Stein am Kopf
getroffen und tödlich verletzt. Im Streit

wurde ein Mann mit einer Flüssigkeit über-
gossen und angezündet. Gleichzeitig ist
ein Demonstrant auf der Flucht vor der
Polizei tödlich verunglückt. Die Polizei
schießt nun scharf. Es gibt viele Schwerver-
letzte. Der erste tote Demonstrant hat zur
Radikalisierung bedeutend beigetragen.
Auge um Auge: Das ist in Hongkong
buchstäblich Realität, seit eine Demons-
trantin von einer Kugel im Gesicht getrof-
fen wurde.
Gewalt stellt auch die Erfolge der Bewe-
gung infrage. Die jungen Menschen kämp-
fen für ihre Freiheit und für Demokratie.
Chinas Autokratie tröpfelt wie Gift in die
Stadt. Das Prinzip „Ein Land, zwei Syste-
me“, das Peking Hongkong zugesichert
hat, ist nicht mehr viel wert. Der Kampf
wirkte in den ersten Monaten unwirklich,
wie David gegen Goliath. Doch diese Sicht
droht ins Wanken zu geraten, je gewalttäti-
ger Teile der Bewegung werden. „Wir ha-
ben keine andere Wahl“, sagt der Bogen-
schütze Yim. Die Polizei könne tun, was sie
wolle. Sie würde sogar noch belohnt für
ihre Verbrechen, sagt er. Die Beamten bekä-
men ein gutes Gehalt und vergünstigte
Wohnungen. „China ist schuld, nicht wir.“
Protest war in Hongkong schon unter
britischer Kolonialherrschaft fast die einzi-
ge Möglichkeit der politischen Mitbestim-
mung. Seit ein paar Wochen lässt die Re-
gierung aber keine Protestmärsche mehr
zu. Sie hat ein Notstandsgesetz aus der Kolo-
nialzeit bemüht, um ein Maskenverbot am
Parlament vorbei durchzusetzen. 4000

Menschen sind inzwischen festgenommen
worden. In jedem anderen Land wäre der
Regierungschef längst zurückgetreten. Car-
rie Lam ist aber nicht gewählt. Sie ist der Be-
völkerung gegenüber nicht verantwortlich.
Lam ist verhasst wie kein Regierungschef
vor ihr. Ihre Worte wirken wie Brandbe-
schleuniger. Gerade erst hat sie die De-
monstranten als „Feinde der Bevölkerung“
bezeichnet. Ein Signal erscheint inzwi-
schen besonders fatal: Lam hatte den Geset-
zesentwurf für das Auslieferungsabkom-
men erst zurückgenommen, als der Kon-
flikt schon eskaliert war. „Ihr habt uns bei-
gebracht, dass Gewalt hilft“, sprühen die
Demonstranten an die Wände der Stadt.
Das politische Versagen, Pekings Drohge-
bärde und die Toleranz der Menschen für
Gewalt sind eine toxische Mischung.
In der Polytechnischen Universität ist in-
des am Wochenende eine kleine Stadt ent-
standen. Wer die Uni betritt, muss durch ei-
nen Checkpoint. Eine junge Frau bittet um
einen Blick in die Tasche. Besucher werden
abgetastet. Frauen dürfen nur von Frauen
abgetastet werden. Das ist die Vorschrift.
Es herrschen strenge Regeln. Der Müll
wird getrennt. Es gibt einen Putzplan.
Überall, wo nicht randaliert werden soll,
stehen Schilder: Sauber halten. An den Au-
tomaten, an denen die Studenten ihre Men-
sakarten aufladen, steht die Bitte, diese
nicht zu beschädigen. In der Turnhalle, wo
die Demonstranten schlafen: keine Fotos.
Im Raum, wo die radikalen Protestieren-
den ihre Ausrüstung lagern: keine Journa-

listen. Selbst auf der Toilette der Hinweis:
Liebe Mitdemonstranten, Hände waschen
nicht vergessen. Es gibt ein Fundbüro, ein
Pressezentrum mit Liveübertragung auf
sechs Kanälen und eine Kantine. Freiwilli-
ge kochen. Es gibt Fischsuppen, Teig-
taschen, Spaghetti. Es sind längst nicht
nur Studenten und Schüler da. Ihre Eltern
sind gekommen, viele Alumni und norma-
le Bürger. Noch immer fahren Hongkonger
zu Protesten und bringen die Demonstran-
ten nach Hause. Die Lebensmittel, Masken
und Medizin, die für mehrere Tage rei-
chen, sind allesamt Spenden. Es gibt Zahn-
bürsten, Binden, und jemand hat sogar sei-
ne Sammlung an Seife aus Hotelzimmern
vorbeigebracht.

Der Sturm auf die Universitäten ist eine
neue Eskalationsstufe für viele Menschen.
Seit 30 Jahren erinnern die Menschen mit
einer Mahnwache im Juni an das Massaker


  1. Jedes Jahr nehmen Hunderttausen-
    de Menschen teil. Die brennenden Unis
    treffen die Menschen in ihren Herzen.
    Die Zentrale des Widerstands liegt im
    zweiten Untergeschoss. Livestreams wer-
    den auf Bildschirme übertragen, die sonst
    das Mittagsmenü zeigen. Davor koordi-
    niert eine Gruppe Vermummter die Ein-
    satztruppen. Wenn eine neue Angriffswel-


le erfolgt, schicken sie frische Truppen
raus. Es gibt einen Kanal im Messenger Te-
legram, auf dem in Echtzeit Updates ver-
sendet werden. In mehreren Gebäuden
sind Krankenstationen eingerichtet wor-
den. In einer davon arbeitet Cheung, der
seinen Namen auch lieber nicht nennen
will. Er ist Krankenpfleger und Mitglied
eines Untergrundsystems aus Ärzten und
Krankenpflegern, die Demonstranten be-
handeln. Viele kämen mit Schnittwunden
und Platzwunden, sagt er. Das Tränengas,
das aus Festlandchina kommt, führt zu
schweren Verbrennungen. Manche sind so
schwer verletzt, dass Cheung sie unter nor-
malen Umständen sofort ins Krankenhaus
einliefern würde. Doch die Polizei verhaf-
tet Demonstranten noch im Krankenhaus-
bett und verlangt die Herausgabe von
Patientenakten.
Es ist inzwischen Sonntagabend. Am
Tag zuvor hat die Volksbefreiungsarmee
an einer Universität geholfen, die Spuren
des Protests zu beseitigen. Die Hongkon-
ger Regierung erklärt, sie habe die Truppe
nicht darum gebeten. Es ist eine weitere Es-
kalation, eine Drohung in Richtung Hong-
kong. An der Uni wird inzwischen seit zwei
Tagen fast durchgehend gekämpft. Die De-
monstranten kommen mit schweren Haut-
ausschlägen und Platzwunden die Treppe
herunter. Am späten Abend riegelt die Poli-
zei dann den Campus ab. Sie sei bei der Räu-
mung bereit, „tödliche Gewalt“ einzuset-
zen, so die Ankündigung. Die Demonstran-
ten diskutieren, was sie tun sollen. Fast alle
wollen bleiben. Andere Demonstranten
aus anderen Vierteln der Stadt kündigen
an herzufahren. Sie hatten zur Ablenkung
bereits in einem anderen Stadtteil randa-
liert. „Wenn wir brennen, dann brennt ihr
auch!“, schreien sie. Auf dem Boden, neben
der Statue von Staatsmann Sun Yat-sen,
sitzt eine Schülerin auf dem Boden und
schreibt auf einen Zettel ihr Testament.

2 HF3 (^) THEMA DES TAGES Montag, 18. November 2019, Nr. 266 DEFGH
Vom zweiten Untergeschoss der
Universität aus koordinieren
Vermummte den Widerstand
Anführer, Sprachrohr, Wortführer? Jo-
shua Wong steht für die Demonstranten
in Hongkong. FOTO: HANNIBAL HANSCHKE / REUTERS
Der Campus als Festung
Checkpoints anden Eingängen, Krankenstationen in Seminarräumen, Brandsätze am Poolbereich:
Die Universitäten sind die Epizentren des Widerstands in Hongkong, der sich zunehmend radikalisiert
Er ziele auf Arme und Beine der Polizisten, sagt ein Bogenschütze an der Polytechnischen Universität von Hongkong. Er habe keine andere Wahl. „China ist schuld, nicht wir.“ FOTO: ATHIT PERAWONGMETHA / REUTERS
Der erste tote Demonstrant hat
zur Radikalisierung der
Bewegung bedeutend beigetragen
Eskalation in HongkongWasvor fünf Monaten als friedlicher Protest gegen ein Auslieferungsabkommen mit China begann,
entwickelt sich zum Bürgerkrieg: An den Universitäten Hongkongs wird von beiden Seiten scharf geschossen. Die Studenten
wollen die Gewalt der Polizei nicht mehr hinnehmen. Sie antworten mit Brandbomben – und mit Pfeil und Bogen

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