Süddeutsche Zeitung - 18.11.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
Berlin– Was es heißt, unerreichbar zu
sein? Bundesverkehrsminister Andreas
Scheuer (CSU) machte sich schon im ver-
gangenen Jahr davon in Brandenburg ein
Bild. Entsetzt vom Zustand des Mobilfunk-
netzes nötigte er die Telekom dazu, in Kle-
ßen-Görne, einem 360-Seelen-Dorf rund
75 Kilometer nordwestlich von Berlin, ei-
nen neuen Funkmast aufzustellen. Wenigs-
tens ein weißes Loch sollte von der Handy-
landkarte verschwinden. Dort haben die
Bewohner jetzt Empfang. Nur ein kleiner
Erfolg, denn an vielen anderen Stellen
sieht es nach wie vor katastrophal aus.
„Trotz der Versorgungsauflagen und ver-
traglicher Verpflichtungen haben wir etwa
5000 weiße Flecken“, räumte Scheuer nun
ein. Zu viele, weiß auch der Minister. Doch
der Ausbau sei dort für die Mobilfunkfir-
men schlicht nicht wirtschaftlich.
Die Bundesregierung will eines der größ-
ten Alltagsprobleme der Deutschen in den
Griff bekommen. Die Funklöcher im Mobil-
funknetz sollen in den nächsten Jahren
komplett geschlossen werden. Wieder
fuhr Scheuer am Sonntag nach Branden-
burg. Denn dort traf sich das gesamte Kabi-
nett zu einer Digitalklausur im Gästehaus
der Regierung in Meseberg. Das Ziel: die be-
stehende Mobilfunkstrategie endlich mit
Leben zu füllen und vor allem mit Geld aus-
zustatten. Am Sonntag wurde klar, was das
heißt: Mehr als eine Milliarde Euro will die
Regierung für neue Mobilfunkmasten be-
reitstellen. Nach Angaben aus Regierungs-
kreisen sollen bis 2024 genau 1,1 Milliar-
den Euro über das Sondervermögen Digita-
le Infrastruktur in den Kampf gegen Funk-

löcher fließen. Das Sondervermögen wird
aus den Milliardenerlösen der Frequenz-
auktion für den neuesten Mobilfunkstan-
dard 5G gespeist.
Bislang gibt keine verlässlichen Statisti-
ken, wie viele Menschen in Deutschland
vom Mobilfunknetz abgeschnitten sind.
Selbst vorsichtige Schätzungen gehen da-
von aus, dass Landstriche mit fast zwei Mil-
lionen Einwohnern ernste Probleme ha-
ben, weil Mobilfunkmasten zu weit weg
ist. Die Telekom kommt auf gut 80 Prozent
Netzabdeckung in der Fläche – und ist da-
mit noch der führende Anbieter. Neuen Un-

tersuchungen zufolge ist das schnelle LTE-
Netz bislang auf einem Drittel der Fläche
Deutschlands nicht zu empfangen. Vor al-
lem auf dem Land gelten dies als Hindernis
für die wirtschaftliche Entwicklung.
Zwar haben Mobilfunkfirmen Besse-
rung und den Aufbau Tausender zusätzli-
cher Masten angekündigt. Doch darauf ver-
lassen will sich die Regierung nicht mehr.
Sie will nun selbst eine Mobilfunk-Infra-
strukturgesellschaft (MIG) gründen, um
notfalls selbst Aufträge zu vergeben. Ziel
der Strategie ist es, dass Deutschland beim
Mobilfunk eine „internationale Spitzenpo-
sition“ auf Basis einer flächendeckenden
4G-Versorgung erreicht. Dafür sollen auch
Genehmigungsverfahren beschleunigt
und bestehende Liegenschaften von Bund,
Ländern und Kommunen verstärkt als
Standorte von Antennenmasten genutzt
werden. Doch wann die Lücken geschlos-
sen sein sollen, blieb auch am Sonntag of-
fen. Er wolle mit Ländern und Kommunen
über schneller Genehmigungsprozesse
sprechen, kündigte Scheuer am Abend an.
Der Branchenverband Bitkom mahnte
unterdessen mehr Tempo bei der Digitali-
sierung an. „Im Koalitionsvertrag steht
297 Mal das Wort „digital“, dennoch fällt
Deutschland im internationalen Digitalver-
gleich weiter zurück“, erklärte Verbands-
chef Achim Berg. In Digitalkommissionen
der Regierung würden Empfehlungen erar-
beitet, die geeignet seien, Deutschland von
den internationalen Entwicklungen noch
stärker zu entkoppeln „und zum analogen
Inselstaat zurückzubauen“.
markus balser Seite 4

von hubert wetzel

Washington –AchtJahre lang war Barack
Obama Präsident der USA, und acht Jahre
lang wurde der Demokrat von den Republi-
kanern als linker Revoluzzer verteufelt.
Insofern ist es bemerkenswert, wenn nun
ausgerechet der angebliche sozialistische
Gottseibeiuns seine Partei davor warnt, po-
litisch so weit nach links zu rücken, dass
sie für die Mehrheit der Bürger unwählbar
wird. Mutige Zukunftsvisionen seien ja gut
und schön, sagte Obama am Freitag. „Aber
der Durchschnittsamerikaner ist nicht der
Ansicht, dass wir das ganze System nieder-
reißen und neu aufbauen müssen.“
Das war bereits das zweite Mal binnen
weniger Wochen, dass Obama sich in den
Vorwahlkampf der Demokraten einge-
mischt hat. Zwar sagt er weder offen,
welche der vielen Bewerberinnen und Be-
werber, die Präsidentschaftskandidat der
Demokraten werden wollen, er für untaug-
lich hält, noch wen er unterstützt. Letzte-
res wird ebenfalls als Signal gewertet,
denn dass Obama seinem früheren Vize
Joe Biden bislang eine Wahlempfehlung
vorenthält, heißt ja auch etwas.
Noch klarer aber scheint zu sein, dass
Obama den dezidierten Linkskurs, den die
Senatorin Elizabeth Warren und der Sena-
tor Bernie Sanders propagieren, nicht für
erfolgversprechend hält. Beide fordern ge-
nau das, was die meisten Wähler nach Oba-
mas Ansicht lieber nicht wollen: eine um-
stürzlerische Revolution – zumindest für
amerikanische Verhältnisse – statt behut-
samer Reformen. Das zeigt sich vor allem

bei ihren Plänen zum Umbau der Kranken-
versicherung. Warren und Sanders wollen
eine einzige, staatlich organisierte und
finanzierte Versicherung für alle Bürger.
Ähnlich ehrgeizig sind viele ihrer anderen
Vorschläge, von der Umwelt- und Klima-
bis zur Steuer- und Verkehrspolitik.
Diese Ideen gehen weit über alles hin-
aus, was Obama, der vermeintliche Links-
radikale, je getan oder auch nur gedacht
hat. Es mag daher sein, dass der Altpräsi-
dent das Gefühl hat, Warren und Sanders

zollten seinen Erfolgen zu wenig Respekt,
wenn sie jetzt alles anders machen wollen.
Aber hinter Obamas Kritik an allzu muti-
gen Visionen, welche die Bürger vielleicht
eher verschrecken als anziehen, steht auch
eine grundsätzliche Sorge: Wie andere mo-
derate Demokraten fürchtet auch Obama,
dass seine Partei so sehr in einer linksakti-
vistischen Twitter-Blase gefangen ist, in
der Idealismus oft in Ignoranz und Arro-
ganz gegenüber Andersdenkenden um-
schlägt, dass die Normalbürger sich kopf-
schüttelnd abwenden.

Vor dieser Gefahr hatte Obama die De-
mokraten bereits Ende Oktober öffentlich
gewarnt. „Diese Vorstellung von Reinheit,
und dass man politisch immer erweckt ist
und all das Zeug – das solltet ihr schnell
wieder vergessen“, sagte er bei einer Veran-
staltung mit Jugendlichen in Chicago. „Die
Welt ist unübersichtlich. Es gibt Grau-
töne.“ Im Internet möglichst hämisch über
Leute herzuziehen, die anderer Meinung
seien, habe mit politischem Aktivismus
wenig zu tun, mahnte Obama. „Damit er-
reicht man keinen Wandel.“
Im linken Lager kam dieses Plädoyer für
mehr Zurückhaltung und weniger Selbst-
gerechtigkeit nicht gut an. Der Tenor der
Kritik lautete, der Altpräsident sei zu reich
und zu träge geworden, um den neuen, re-
volutionären Geist in der Partei wertschät-
zen zu können. Ein Gastautor derNew York
Timeswarf Obama, immerhin der erste
schwarze Präsident Amerikas und der er-
folgreichste demokratische Politiker der
vergangenen zwanzig Jahre, praktisch vor,
auf die dunkle Seite der Macht gewechselt
zu sein: zu den „weißen, heterosexuellen,
männlichen, rechten Laberköpfen“.
Aus dieser wütenden Abwehr sprach ei-
nerseits verletzter Stolz – auch Obama
kann auf arrogante Art Ratschläge geben.
Sie war aber auch Ausdruck eines tiefer sit-
zenden Unbehagens, das schon länger an
linken Demokraten nagt, wenn sie an die
Obama-Jahre denken. Denn Obama war –
allen republikanischen Anwürfen zum
Trotz – stets ein eher pragmatischer Mitte-
Politiker, kein ideologischer Linker: Er hat

Rettungspakete für Banken geschnürt, er
hat Millionen illegale Einwanderer depor-
tieren lassen, er hat die heimische Öl- und
Gasförderung vorangetrieben, den Droh-
nen-Krieg ausgeweitet und wenig gegen
die Waffenflut im Land unternommen. Als
Obama mit diesem Kurs Wahlen gewann,
war die Partei noch stolz auf ihn.
Inzwischen aber hat der linke Aktivisten-
flügel die Diskurshoheit bei den Demokra-
ten erobert. Die Folge ist ein Linksruck im
politischen Programm, auch wenn die Akti-

visten das bestreiten: „Wir rücken die Par-
tei nicht nach links, wir bringen sie heim“,
sagt die linke Ikone Alexandria Ocasio-Cor-
tez, die Sanders unterstützt. Wie auch im-
mer – bei all den erwähnten Themen for-
dert die Partei heute das Gegenteil dessen,
was Obama getan hat. Selbst Obamacare,
die historische Krankenversicherungsre-
form des Präsidenten, hält die Parteilinke
mittlerweile für mutlos und halbherzig.
Kein Wunder also, dass Obama jetzt we-
nig von Linkauslegern wie Warren und San-

ders hält. Politisch liegt er eher auf der Li-
nie von Joe Biden und Pete Buttigieg, dem
jungen, schwulen Bürgermeister aus India-
na; wobei der erst 37 Jahre alte Buttigieg
doch sehr viel mehr an den energetischen,
in die Zukunft schauenden Kandidaten er-
innert, der Obama einmal war, als der fast
77 Jahr alte Biden.
Und vielleicht hat Obamas Wort ja doch
noch Gewicht: In Iowa jedenfalls, dem ers-
ten Vorwahlstaat, sprintet Buttigieg der-
zeit an die Spitze der Umfragen.

Fleck weg


Die Bundesregierung will mit 1,1 Milliarden Euro Mobilfunklöcher stopfen


Berlin– Die CDU-Vorsitzende Annegret
Kramp-Karrenbauer lehnt eine Überarbei-
tung des Koalitionsvertrags ab. „Der Koali-
tionsvertrag gilt, und er wird ganz sicher
nicht neu verhandelt“, sagte Kramp-Kar-
renbauer derWelt am Sonntag. Sie wandte
sich damit gegen Vorstöße aus Union und
SPD. So hatte sich der Chef der Mittel-
stands- und Wirtschaftsunion, Carsten Lin-
nemann (CDU), für eine Überarbeitung der
Vereinbarung von CDU/CSU und SPD un-
mittelbar nach den anstehenden Parteita-
gen ausgesprochen. Eine Revision befür-
wortet unter anderem auch Saskia Esken,
Kandidatin für den SPD-Vorsitz.
Die CDU kommt am 22. und 23. Novem-
ber zum Bundesparteitag in Leipzig zusam-
men, zwei Wochen später findet der SPD-
Parteitag statt. Auf dem SPD-Parteitag soll
auch über die Zukunft des Bündnisses mit
CDU und CSU abgestimmt werden. Am
Dienstag beginnt bei den Sozialdemokra-
ten die Stichwahl über den Parteivorsitz.

Kramp-Karrenbauer sagte: „Wir wer-
den auf unserem Parteitag deutlich ma-
chen, wie unser Land künftig aussehen
kann und soll und wie wir dafür die Wei-
chen richtig stellen, wie wir die Probleme
der Menschen in Deutschland am besten
lösen. Und das, was wir in dieser Wahlperio-
de noch umsetzen können, werden wir an-
packen. Alles andere wird in unser Wahl-

programm kommen.“ An ihrer Amtsfüh-
rung hatte es intern wiederholt Kritik ge-
geben, auch wegen schwacher Wahlergeb-
nisse. Debattiert wurde etwa über das Ver-
fahren der Kanzlerkandidatenkür und die
entsprechende Person. So forderte die Jun-
ge Union eine Entscheidung per Mitglieder-
entscheid, was als Affront gegen Kramp-
Karrenbauer verstanden wurde. Die Partei-
chefin hat ihre internen Gegner aufge-
fordert, auf dem Parteitag die offene Aus-
einandersetzung zu suchen. Linnemann
verlangte nun mit Blick auf die kommende
Bundestagswahl, für die CDU zehn Punkte
zu definieren, „bei denen wir uns von der
SPD unterscheiden“. Als Beispiele nannte
er ein neues Arbeitszeitgesetz und ein mu-
tiges Modellprojekt für Bürokratieabbau.
Der frühere Unionsfraktionschef Fried-
rich Merz, ehemaliger Rivale Kramp-Kar-
renbauers um den Parteivorsitz, sagte auf
dem Landestag der Jungen Union Baden-
Württemberg in Bad Waldsee, Kramp-Kar-
renbauer sei gewählte Parteivorsitzende –
das werde er akzeptieren. „Sie hat unser al-
ler Unterstützung verdient – auch wenn es
schwierig wird.“ Auf dem Bundesparteitag
stünden keine Personaldebatten an. Merz
betonte aber auch, in einer solchen Zeit
müsse erlaubt sein, kontroverse Diskussio-
nen in Sachfragen zu führen. „Und wenn
dann jemand wie ich einmal eine kritische
Anmerkung zu Sachfragen macht, dann ist
diese Anmerkung keine Personaldiskussi-
on. Und wenn ich mich zu der ein oder ande-
ren Person auch einmal kritisch äußere,
dann ist das kein Putschversuch. Lasst mal
die Kirche im Dorf!“ dpa

Bingen– Die rheinland-pfälzische AfD
hatMichael Frisch zu ihrem neuen Vor-
sitzenden gewählt. Der 62-jährige Ober-
studienrat aus Trier erhielt beim Lan-
desparteitag in Bingen am Samstag 294
von 394 gültigen Stimmen. Frisch setz-
te sich damit deutlich gegen die Gegen-
kandidatin Gabriele Bublies-Leifert
durch, die nur auf 45 Stimmen kam.
Frisch folgt Uwe Junge nach, der für
den Bundesvorstand der Partei kandi-
dieren will. Er hatte seine Kandidatur
erst am Freitag bekanntgemacht. Zuvor
hatte Fraktionsvize Joachim Paul zu-
gunsten Frischs verzichtet. Paul galt
lange als aussichtsreichster Kandidat.
Dann war unter anderem der Vorwurf
laut geworden, er habe vor Jahren einen
Beitrag für eine NPD-nahe Zeitschrift
verfasst, was er bestreitet. dpa


Tel Aviv– Ganz selbstverständlich stan-
den sie nebeneinander auf dem israeli-
schen Militärflughafen Uvda in der Wüste
Negev, ehe sie abhoben: Eurofighter mit
dem Eisernen Kreuz der deutschen Bun-
deswehr und F-35-Jets der israelischen
Luftwaffe mit dem Davidstern. Etwa 130
Soldaten aus dem Taktischen Luftwaffen-
geschwader 71 Richthofen in Wittmund
nahmen mit sechs Eurofightern in den ver-
gangenen zwei Wochen an der „Blue Flag“
getauften Übung teil. Neben Deutschland
beteiligten sich auch Soldaten und Kampf-
jets aus den USA, Italien und Griechenland


  • bis auf Israel sind alle Nato-Staaten.
    Geübt wurde das Zusammenspiel ver-
    schiedener Flugzeug-Typen. Der Feind
    war in der Simulation als das russische
    Luftabwehrsystem S-400zu erkennen.
    Dieses System hat der Nato-Partner Tür-
    kei von Russland gekauft, zum Ärger der


USA. Bei den „Blue-Flag“-Übungen könne
man viel voneinander lernen, meint Leut-
nant G. von der israelischen Luftwaffe, der
nur mit abgekürztem Vornamen genannt
werden darf. „Jede Luftwaffe hat ihre Spe-
zialitäten und eigene Taktiken, die sie über
Jahre entwickelt hat. Da fließen auch Erfah-
rungen ein. Es ist eine gute Möglichkeit,
diese Erfahrungen auszutauschen.“ Was
die israelische Luftwaffe von der deut-
schen lernen könne? „Zusammen mit zwei
deutschen Kollegen hatte ich die beste Tref-
ferquote bei einer Übung und wir haben
den Abend zusammen verbracht. Wir kön-
nen eine gute Kooperation aufbauen.“
Auf die Frage, was die deutsche Bundes-
wehr von den israelischen Streitkräften ler-
ne könne, antwortet Oberstleutnant Gor-
don Schnittger: „Die sind vielleicht etwas
flexibler, was administrative Dinge anbe-
langt. Was Verfahren in der Luft betrifft,

sind sie hochprofessionell.“ Übungsziele
werden festgelegt, nach dem Manöver gibt
es eine Auswertung mit Blick auf Verbesse-
rungspotenzial. Außerdem finde die deut-
sche Luftwaffe in Israel ganz andere Bedin-
gungen vor: „Hier ist ein Großteil Wüste.

Wir können da Manöver üben, die man in
Deutschland nicht üben kann, weil
Deutschland dicht besiedelt ist. Das ist ein
Riesenunterschied.“ Israel könne Luftver-
teidigungssysteme zu Übungszwecken an-
bieten, die in Deutschland nicht verfügbar
seien. In der Negev-Wüste kann die Bun-
deswehr Tiefflugmanöver üben. „Und das
in Kombination mit Gebirgszügen.“

Dass mehr als 70 Jahre nach der Shoah
deutsche und israelische Soldaten in Israel
militärisch zusammenarbeiten, sei etwas
Besonderes, sagt Oberstleutnant Schnitt-
ger: „Der eine oder andere sagt auch, das
ist eine tolle Sache, dass gerade unsere bei-
den Nationen hier üben können. Seite an
Seite.“ Für den israelischen Leutnant spielt
die Vergangenheit jedoch keine große Rol-
le mehr: „Was in der Vergangenheit war, ge-
hört zur Vergangenheit. Man soll mehr in
die Zukunft und nicht zurückschauen.“
Für die Bundeswehr-Soldaten, die we-
gen zu geringer Kapazitäten im Militär-
quartier in Uvda im 60 Kilometer entfern-
ten Badeort Eilat übernachten mussten,
war überraschend, dass sie von der Bevöl-
kerung positiv aufgenommen wurden.
„Viele Israelis wissen, dass wir hier sind
und sind dankbar. Es ist gut, wenn man
auch die Möglichkeit hat, mit der Zivilbe-

völkerung in Kontakt zu kommen“, sagt
Schnittger.
In die letzten Tage der Übung fiel die ge-
zielte Tötung eines Anführers des Islami-
schen Dschihad durch die israelische Luft-
waffe im Gazastreifen, daraufhin feuerte
die militante Organisation 450 Raketen
auf Israel. „Von den Ereignissen in Gaza
wurden wir deutsche Soldaten so wie alle
Teilnehmer an der Übung überrascht“,
sagt Schnittger. Der Übungsraum sei dar-
aufhin verkleinert worden. „Wir flogen
nicht mehr in den Norden Israels. Aber die
Übung wurde weitergeführt. Die Ereignis-
se waren natürlich Teil vieler Gespräche.“
Thema war auch in Israel, dass bei einem
Angriff auf einen mutmaßlichen Dschihad-
Führer acht Menschen starben, darunter
fünf Kinder. Die israelische Armee sprach
von einem Fehler und begann eine Untersu-
chung. alexandra föderl-schmid

Berlin– Vertreter von Staat und Gesell-
schafthaben zum Volkstrauertag vor
Extremismus und politischer Hetze
gewarnt. „Wir erleben in unserem Land
gerade wieder, dass aus Hasspropagan-
da Hass und aus Hass Mord wird“, sagte
Wolfgang Schneiderhan, der Präsident
des Volksbundes Deutsche Kriegsgrä-
berfürsorge, am Sonntag bei einem
Gedenkakt im Bundestag. „Und wir
lernen aus der Geschichte, dass wir
nicht nur die Straftäter verurteilen,
sondern den geistigen Brandstiftern
mutig entgegentreten müssen“, sagte
der frühere Generalinspekteur der Bun-
deswehr weiter. Der Präsident des Zen-
tralrats der Juden in Deutschland, Josef
Schuster, kritisierte die AfD scharf. Es
handle sich um eine Partei, „die den


Nationalsozialismus verharmlost, ihn in
Teilen wieder salonfähig machen will
und gegen Minderheiten hetzt“, sagte er
bei einer Gedenkfeier auf dem Jüdi-
schen Friedhof in Berlin-Weißensee. In
der Zentralen Gedenkstätte für die Op-
fer von Krieg und Gewaltherrschaft in
der Neuen Wache in Berlin legten Bun-
despräsident Frank-Walter Steinmeier
(Mitte,FOTO: DPA) und Repräsentanten
von Bundesregierung, Bundestag, Bun-
desrat und Bundesverfassungsgericht
Kränze nieder. dpa, kna


„Der Koalitionsvertrag gilt“


CDU-ChefinKramp-Karrenbauer lehnt Überarbeitung ab


Einer allein reicht nicht: ein Funkmast
der Telekom nahe dem brandenburgi-
schen Kleßen-Görne. FOTO: BÄNSCH/DPA

Berlin– Asylanträge sollen nach dem
Willen von Bundesinnenminister Horst
Seehofer (CSU) künftig bereits an den
EU-Außengrenzen einer „Vorprüfung“
unterzogen und, falls unzulässig oder
unbegründet, sofort abgelehnt werden.
In diesen Fällen sollten die Asylbewer-
ber gar nicht erst einreisen dürfen.
„Durch geeignete, notfalls freiheitsein-
schränkende Maßnahmen ist sicherzu-
stellen, dass sich der Einreisewillige der
Vorprüfung nicht entzieht“, heißt es in
einem als Verschlusssache gekennzeich-
neten Skizzenpapier des Innenministeri-
ums zur Reform des gemeinsamen
europäischen Asylsystems, das der
Süddeutschen Zeitungvorliegt. „Wir
brauchen einen Neuanfang für die Mi-
grationspolitik in Europa“, sagte Seeho-
fer am Sonntag. „Überlegungen für
einen Neuansatz“ habe er bereits bei
einem Treffen mit Ministerkollegen aus
fünf weiteren EU-Ländern Ende Okto-
ber in München vorgelegt. Dem Papier
zufolge drängt das deutsche Innenmi-
nisterium auf ein „gerechtes Zuständig-
keitsregime“ zur europaweiten Vertei-
lung der Flüchtlinge in der EU. Um zu
verhindern, dass Flüchtlinge innerhalb
der EU unerlaubt in andere Länder
weiterwandern, sollten sie künftig „aus-
schließlich“ in den Mitgliedstaaten,
denen sie zugewiesen wurden, Unter-
kunft und Sozialleistungen erhalten.
Allerdings scheitert eine auch von der
EU-Kommission betriebene Reform des
europäischen Asylsystems seit Jahren
daran, dass sich die Mitgliedstaaten
nicht auf die Verteilung der Flüchtlinge
einigen können. jbb


Kiel– Ein Facebook-Video, in dem die
fraktionslose, aus der AfD ausgeschlos-
sene Landtagsabgeordnete Doris von
Sayn-Wittgenstein andere Parteien als
„neue Nazis“ beschimpft, hat in Kiel
Empörung ausgelöst. „Diese Frau ge-
hört nicht ins Parlament“, sagte Schles-
wig-Holsteins Innenminister Hans-Joa-
chim Grote (CDU). Der SPD-Bundesvize
und Fraktionschef in Schleswig-Hol-
stein, Ralf Stegner, stellte nach Anga-
ben vom Sonntag Strafanzeige wegen
Volksverhetzung und Beleidigung. Sayn-
Wittgenstein hatte in einem Vortrag auf
Facebook dem Staat vorgeworfen, zur
Denunziation von Bürgern beim Verfas-
sungsschutz aufzurufen: „Spätestens
jetzt hat das Regime Merkel seine Mas-
ke fallen gelassen. Wann werden die
Ersten abgeholt? Wann kommen die
ersten grün-rot-schwarzen Umerzie-
hungslager, wann die ersten KZs der
neuen Nazis?“ dpa


6 HMG (^) POLITIK Montag, 18. November 2019, Nr. 266 DEFGH
Mahnung
aus der Mitte
Ex-Präsident Obama warnt die US-Demokraten
vor allzu revolutionären Visionen.
Bei den Parteilinken kommt das nicht gut an
Barack Obama – hier als Zuschauer bei einem Basketballspiel – stand als Präsident stets für einen pragmatischen Mitte-
Kurs. Im Moment hat aber das linke Lager die Diskurshoheit bei den Demokraten inne. FOTO: AP / FRANK GUNN / THE CANADIAN PRESS
Ein „New York Times“-Gastautor
wirft Obama vor, auf der dunklen
Seite der Macht zu stehen
Hinter der Kritik steckt die Sorge,
dass sich der Normalbürger
kopfschüttelnd abwendet
Für den israelischen Offizier
spieltdie Vergangenheit
keine große Rolle mehr
Friedrich Merz betont, seine
Kritik sei kein Putschversuch:
„Lasst mal die Kirche im Dorf!“
Neuer Landeschef für AfD
Lernen über der Wüste
Deutsche und israelische Luftwaffen-Soldaten üben bei einem gemeinsamen Manöver. Der Nahost-Konflikt ist dabei allgegenwärtig
Seehofer-Vorstoß zu EU-Asyl
Eklat um Kieler Abgeordnete
Warnung vor Hasspropaganda
INLAND

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