Handelsblatt - 18.11.2019

(Tina Meador) #1
Flaschen. Stattdessen können Kunden eine Mehr-
wegflasche einstellen und per Display wählen, was
eingefüllt werden soll: sprudelndes oder stilles
Wasser und verschiedene Geschmacksrichtungen.
Die Zahlung erfolgt bargeldlos.
Schneider spricht von „Hightech-Geräten, die um-
fangreiche Filter- und Remineralisierungstechnik
nutzen“, um für Qualität und Geschmack zu sorgen.
Das Projekt soll schon 2020 starten. Derzeit laufen
Tests. ZKB-Analyst Patrik Schwendimann zeigt sich
abwartend: „An den vergleichsweise wenig attrakti-
ven Margen im Wassergeschäft dürften auch neue
Konzepte wie Refill+ nichts über Nacht ändern.“
Auch andere Konzerne wollen am Geschäft mit
aufgepepptem Leitungswasser mitverdienen. Pepsi-
Co hatte Ende 2018 die israelische Firma Sodastream
für 3,2 Milliarden Dollar übernommen. Fast jeder
zehnte deutsche Haushalt nutzt bereits einen Soda-
stream. Eine Familie spare mit dem Wassersprudler
im Jahr angeblich 2000 bis 3000 Flaschen. 2020
kommt zudem Pepsi Homemade mit Getränkekon-
zentraten auch nach Deutschland. Konkurrent Coca-
Cola (Apollinaris, Vio) bietet mit dem Wasserspender
Dasani PureFill wahlweise gefiltertes Leitungswasser
mit Geschmack oder Sprudel an. In 100 Büro, Unis
und Kliniken wird das Gerät derzeit getestet.

Gratis-Leitungswasser in Restaurants
Danone hat sich über seinen Investmentarm mit 13
Prozent am Berliner Start-up Mitte beteiligt. Auch
Bitburger und die Oetker-Gruppe halten Anteile.
Mitte-Gründer Moritz Waldstein-Wartenberg will
Ende 2020 eine Maschine auf den Markt bringen,
die Wasser von allen Schadstoffen – auch Hormo-
nen – reinigt und mit Kartuschen wieder reminera-
lisiert. Seine Vision: „Wir wollen das gleiche hoch-
wertige Wasser in den bayerischen Alpen oder in
einer chinesischen Großstadt produzieren.“ Für
Danone ist Mitte ein überzeugendes Unternehmen,
„das strategisch gut zu uns passt“.
Rückenwind bekommen Wassersprudler von Mi-
nisterin Schulze. Sie ermuntert Verbraucher, Lei-
tungswasser zu trinken. Das ärgert die mehr als
200 kleinen familiengeführten Mineralbrunnen
hierzulande. Sie haben – anders als die Konzerne –
nicht die Finanzkraft, sich ein zweites Standbein
mit Wassersprudlern aufzubauen.
Zusätzliche Kopfschmerzen bereitet der Branche
indes eine neue Trinkwasserrichtlinie der EU. Brüs-
sel will den Ausschank von kostenlosem Leitungs-
wasser in Restaurants fördern. Dies soll zwar nur
eine Empfehlung sein, einzelne Mitgliedstaaten
könnten aber verbindliche Gesetze ableiten.
In einem Positionspapier „Ja zum Naturprodukt
Mineralwasser“ wehren sich Verbände von Mine-
ralbrunnen, Gaststätten und der Getränkefach-
großhandel vehement: Natürliches Mineralwasser
sei mit Leitungswasser in keiner Weise vergleichbar
und werde „zunehmend diskriminiert“. Deshalb
seien Arbeitsplätze gefährdet – auch in der Gastro-
nomie. Denn das Gastgewerbe macht einen nicht
unerheblichen Umsatzanteil mit dem Verkauf von
Getränken – insbesondere Mineralwasser.

> Leitartikel Seite 28

Mineralwasser: Mehr Glas, weniger Plastik
Absatz nach Verpackungsart*
Veränderung zum Vorjahr
in Prozent

HANDELSBLATT*Deutscher Einzelhandel, Zeitraum 12 Mon. bis Ende Sept. 2019 • Quelle: Nielsen

Mineralwasser gesamt

Mehrweg Glas

Mehrweg PET

Einweg PET im Kasten

Einweg PET Sonstige

-7,

+5,

-8,

-12,

-10,

%

%

%

%

%

Umsatzanteil nach
Verpackungsart*
in Prozent

Umsatz
gesamt
3,
Mrd. €

28,7 %
Mehrweg Glas

40 ,6 %
Einweg PET
Sonstige

19,9 %
Mehrweg PET

10,3 %
Einweg PET
im Kasten

VDM

Karl Tack

„Plastikflaschen zu Unrecht verteufelt“


Herr Tack, die Mehrwegquote für
Getränke aller Art sank seit dem
Pfand auf Einwegflaschen von 70
auf rund 42 Prozent. Warum?
Die Einführung des Zwangspfands
2003 sollte die Mehrwegquote stüt-
zen, diese Rechnung ist definitiv
nicht aufgegangen. Der Verbraucher
kann heute guten Gewissens
sagen: Ich habe Pfand be-
zahlt, bringe die Einweg-
flasche zurück. Die lan-
det nicht auf der Müllhal-
de, sondern wird recy-
celt und zur Herstellung
neuer Flaschen verwandt.

Mehrweg gilt als umweltscho-
nender. Stimmt das heute noch?
Schwere Glasflaschen mit Wasser
über mehrere Hundert Kilometer
hin und her zu transportieren ist
ökologischer Unsinn. Da sind leich-
tere Einwegflaschen aus PET, die re-
cycelt werden, umweltschonender.
Tatsächlich gibt es aktuell einen
deutlichen Trend zu Glas, weg von
PET-Flaschen. Das liegt daran, dass

Plastikflaschen derzeit zu Unrecht
verteufelt werden.

Welche Vorurteile stimmen nicht?
Was uns Kopfzerbrechen bereitet,
ist neben Greta Thunberg vor allem
die Kampagne von Bundesumwelt-
ministerin Svenja Schulze. Sie hat
die Vermüllung der Weltmeere
in Zusammenhang gestellt
mit Plastikflaschen der
Deutschen Mineralbrun-
nen. Das ist absoluter
Unsinn. In Deutschland
haben wir das weltweit
beste Pfand- und Rück-
nahmesystem. Wir haben
einen geschlossenen Mehr-
weg-Kreislauf. Auch die Rücklauf-
und Recyclingquoten von PET-Ein-
weg-Wasserflaschen liegen bei fast
100 Prozent. PET-Flaschen von uns
landen nicht in den Ozeanen.

Umweltministerin Schulze hat
auch dazu ermuntert, Leitungswas-
ser zu trinken. Das sei gesund,
preiswert und verpackungsfrei.

Das ist ein unzulässiger Eingriff der
Ministerin in den Wettbewerb und
die unternehmerische Freiheit. Au-
ßerdem vergleicht sie Äpfel mit Bir-
nen. Mineralwasser ist ein Natur-
produkt, Leitungswasser hingegen
ein industriell aufbereitetes Wasser.

Gefährden Wassersprudler für
Kranwasser, in die Konzerne mas-
siv investieren, Ihr Geschäft?
Aufgesprudeltes Kranwasser ist
nicht unbedingt preiswerter als Mi-
neralwasser in Flaschen. Man muss
ja Geräte und Kartuschen kaufen. Es
ärgert uns gewaltig, dass eine Minis-
terin internationale Großkonzerne
zulasten der 220 deutschen und na-
hezu ausschließlich familiengeführ-
ten Mineralbrunnen so pusht. Wir
fürchten den Wettbewerb mit Lei-
tungswasser nicht, aber die Kampa-
gne der Ministerin wird sich negativ
auf unser Geschäft auswirken. Was
uns hilft, ist der Trend zu Naturpro-
dukten und regionalen Produkten.

Die Fragen stellte Katrin Terpitz.

Der Chef des Verbands Deutscher Mineralbrunnen attackiert Umweltministerin Svenja Schulze.

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Unternehmen & Märkte


MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
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