Handelsblatt - 18.11.2019

(Tina Meador) #1

Die Zahlen sind erschreckend: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind
in Deutschland nach wie vor Todesursache Nummer eins – etwa 37
Prozent aller Todesfälle sind auf Herzerkrankungen zurückzuführen,
teilte die Deutsche Gesellschat für Kardiologie (dkg) im diesjährigen
Herzbericht mit. Zudem mussten deutlich mehr Menschen wegen
Erkrankungen des Herzens im Krankenhaus behandelt werden: So
gab es dem Bericht zufolge 2017 mehr als 1,71 Millionen Kranken-
hauseinweisungen aufgrund von Herzerkrankungen, ein Plus von
37.800 Fällen oder 1,5 Prozent.


Die gute Nachricht ist jedoch: Dank des medizinischen Fortschrits
und neuer, innovativer und schonender Behandlungsmethoden
sinkt die Zahl der Herztoten kontinuierlich. So starben 2016 etwa 2,1
Prozent weniger Patienten an kardiovaskulären Erkrankungen als
noch im Jahr 2014; neuere Zahlen nennt der Herzbericht nicht. Die
Sterberate von Herzinsuizienz-Patienten konnte sogar um nahezu
elf Prozent gesenkt werden. Das liege den Experten der dkg zufol-
ge vor allem an den verbesserten herapiemöglichkeiten im medi-
kamentösen, aber auch im interventionellen und technologischen
Bereich. Bei Ärzten konnte das Bewusstsein für die Fortschrite der
herapiemöglichkeiten verbessert werden, sodass mehr Patienten


einem Kardiologen vorgestellt werden. Einen wichtigen Beitrag
leisten außerdem die „Heart Failure Units“.

BESSERE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR
VIELE VOLKSKRANKHEITEN

Doch nicht nur im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind
die Behandlungsmethoden in den vergangenen Jahren immer
besser geworden und ist die Zahl der Todesfälle immer weiter
gesunken. Auch andere Volkskrankheiten wie Diabetes und Über-
gewicht, Demenz, Schlaganfälle, degenerative Gelenkerkrankungen,
Osteoporose, Depressionen und Allergien lassen sich immer besser
behandeln.
Große Fortschrite gab es zudem in den vergangenen Jahren
auf dem Gebiet der Krebstherapie: Neben den herkömm-
lichen Behandlungsmethoden – also Operation, Bestrahlung und
Chemotherapie – steht Medizinern nun eine Vielzahl neuer hera-
pieoptionen zur Verfügung. Neue Medikamete, individuelle

herapien und Technologien sollen die Volkskrankheit, die immer
noch für 25 Prozent aller Todesfälle verantwortlich ist, beherrsch-
barer machen. Innovative Diagnostikverfahren ermöglichten mo-
lekulare Tumorproile. Damit bekommen Ärzte einen genauen
Einblick in genetische oder andere biologische Charakteristika
des Tumors, sodass eine präzisere Bekämpfung möglich ist. Nach
Angaben der Weltgesundheitsorganisation who sind die altersbe-
reinigten Sterblichkeitsraten der meisten Krebserkrankungen in
Europa tendenziell schon jetzt entweder sinkend oder zumindest
stabil.

AUCH DIE SEELE WIRD MAL KRANK

Nicht immer aber ist der Körper allein betrofen. Auch psychische
Erkrankungen, allen voran Depressionen, gehören zu den Volkskrank-
heiten. Die who geht davon aus, dass in Deutschland über fünf
Prozent der Bevölkerung zumindest einmal im Leben von einer
Depression betrofen sind. Laut verschiedener Schätzungen liegt die
Lebenszeitprävalenz für eine Depression – also die Wahrscheinlich-
keit, zu erkranken – zwischen 16 und 20 Prozent.

Die gute Nachricht ist jedoch: „Eine Depression ist eine gut zu be-
handelnde Erkrankung“, sagt Professor Isabella Heuser, Direktorin
der Klinik für Psychiatrie am Campus Benjamin Franklin, gegenüber
der B.Z. Wichtig sei nur, sie schnell zu erkennen und die richtige
Behandlung zu inden. Wie die genau aussieht, hängt vor allem vom
Schweregrad der Depression ab: Bei einer leichten Depression genügt
Heuser zufolge mitunter schon eine Beratung. Bei mitelschweren
bis schweren Fällen müsse jedoch – abhängig von der individuellen
Krankheitsgeschichte des Patienten – die richtige Kombination aus
Psychotherapie und Psychopharmaka gefunden werden. Doch bis
die gefunden ist, dauert es. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass
die Depression verschwindet, aber relativ hoch, betont die Expertin.

SELTENE ERKRANKUNGEN IM FOKUS

Im Schaten der Volkskrankheiten stehen immer noch die so-
genannten seltenen Erkrankungen. Dazu zählen alle Krankheiten,
die höchstens eine von 2.000 Personen betrefen, wie die zystische
Fibrose oder auch das immerhin medial bekannte Asperger-
Syndrom. Nicht immer wird hier genug geforscht. Zudem werden ot
nicht die richtigen Diagnosen gestellt. Doch das ändert sich gerade:
Immer öter nehmen Forschungs- und Pharmaunternehmen auch
die seltenen Erkrankungen ins Visier. Der Grund: Während für vie-
le häuige Erkrankungen bereits hervorragende herapiemöglich-
keiten gefunden sind, gibt es in diesem Bereich noch viel Potenzial.
Ein Beispiel ist da die relativ seltene Hämophilie (Bluterkrankheit),
die heute gut beherrschbar ist. Bei dieser erblich bedingten Erkran-
kung ist das Blut unfähig, nach einer Verletzung zu gerinnen – weil
es am sogenannten Faktor viii (antihämophiles Globulin) mangelt.
Betrofene bekommen diesen fehlenden Faktor viii heute regelmäßig
gespritzt und können so ein normales Leben führen.

Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Depressionen – sie gehören zu den am weitesten
verbreiteten Leiden, nicht nur in Deutschland. Doch dank des stetigen medizinischen
Fortschrits lassen sich solche und viele andere Volkskrankheiten immer besser
behandeln.

Immer besser


behandelbar


QUELLEN: DATENREPORT STATISTISCHES BUNDESAMT

Krankheitsbedingte Todesursachen —


in Prozent


Deinition nach der Internationalen statistischen Klassiikation der Krankheiten
und verwandter Gesundheitsprobleme icd-10

25,3
26,1

NEUBILDUNGEN

7,4
7,0

KRANKHEITEN DES
ATMUNGSSYSTEMS

4,3
5,2

KRANKHEITEN DES
VERDAUUNGSSYSTEMS

4,8
1,4

PSYCHISCHE UND
VERHALTENSSTÖRUNGEN

3,9
4 ,0

VERLETZUNGEN UND
VERGIFTUNGEN

(^) • TEXT DER REDAKTION
AUTOREN
JOST BURGER &
BARBARA FUCHS
FOTO:
JESSEDO81 / UNSPLASH
2005
2015
KRANKHEITEN DES 38,5
KREISLAUFSYSTEMS 44,2
4 CHANCEN DER MEDIZIN

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