(^) • TEXT DER REDAKTION
Landwirtschat, Chemieindustrie und nicht zuletzt die Medizin:
Überall kommt Biotechnologie zum Einsatz – seit den wissenschat-
lichen Durchbrüchen Ende des 19. Jahrhunderts ist sie eine tragende
Säule des Fortschrits; viele verbinden heutzutage vor allem Gentech-
nik mit ihr. Und doch ist Biotechnologie so alt wie die Menschheit.
Seit Tausenden von Jahren stellen die Menschen Bier, Sauerteig oder
Joghurt her, indem sie sich Eigenschaten und Verhalten lebender
Organismen wie Bakterien oder Hefepilzen zunutze machen. Genau
darum geht es: um die Nutzung von lebenden Organismen, Teilen
von ihnen oder ihrer Produkte „zwecks Veränderung von lebender
oder nicht lebender Materie“, wie es die oecd deiniert.
INSULIN AUS BAKTERIEN
Klassische Beispiele für frühe Biotechnologieanwendungen sind
die Herstellung von Butanol und Aceton durch die Fermentation
eines Bakteriums oder die Entdeckung der antibiotischen Wirkung –
eines Pilzes. Seine wissenschatliche Bezeichnung, Penicillium
chrysogenum, war Namensgeber des weltweit ersten Antibioti-
kums. Für die Klassiizierung hat sich eine Kategorisierung nach
Farben durchgesetzt: Sogenannte weiße Biotechnologie steht für
die Chemie, grüne für die Landwirtschat. Für die Gesundheit der
Menschheit von entscheidender Bedeutung ist die rote Biotechno-
logie, also deren Anwendung in der Medizin. Auch hier beherrschen
heute mikrobiologische, molekularbiologische und gentechnische
Verfahren das Feld. Ein Beispiel ist die Herstellung des Hormons
Insulin für Diabetiker, das bis vor 40 Jahren den Bauchspeichel-
drüsen von Rindern und Schweinen entnommen werden musste.
Seit den frühen 1980er Jahren bedient man sich dafür des Bak-
teriums Escherichia coli. Stark vereinfacht gesagt, indem man ein
menschliches Insulin-Gen in das Bakterium einschleust, das dar-
auhin Insulin produziert: lebende Organismen, die etwas herstellen.
Wichtige Bereiche der roten Biotechnologie sind der Kampf
gegen Krankheiten wie Alzheimer, Krebs oder Erkrankungen
des Herz-Kreislauf-Systems. Auf diesen Feldern ist nicht nur
die Pharmabranche aktiv, hier setzt auch die Bevölkerung die
größten Erwartungen. Laut einer Studie im Autrag des Münchener
Biotech-Unternehmens amgen sieht die Mehrheit der Deutschen die
größten Erfolge der medizinischen Forschung in den vergangenen
40 Jahren in Fortschriten bei der Organtransplantation, der Behand-
lung von Aids und der von Krebserkrankungen. Für die Zukunt ver-
sprechen sie sich als häuigste Nennung (58 Prozent der Befragten)
größere Fortschrite in der Onkologie, bei der Stammzellenforschung
(38 Prozent) oder der Behandlung neurologischer Erkrankungen
(35 Prozent) oder der Behandlung von Erbkrankheiten (29 Prozent).
Das sind Fortschrite, die ohne Biotechnologie nicht möglich sind.
PERSONALISIERTE MEDIZIN
UND DIGITALISIERUNG
Beispiel Immuntherapien: Im Kampf gegen bösartige Tumore
werden bestimmte weiße Blutkörperchen, sogenannte T-Zellen, die
der Abwehr dienen, dem Patienten, entnommen und es wird ein Gen
„eingebaut“, das die Zellen dazu anregt, einen tumorspeziischen
Rezeptor zu entwickeln. Vermehrt und in den Körper zurückver-
bracht, spüren die veränderten T-Zellen dann die Tumorzellen auf
und vernichten sie.
Beispiel personalisierte Medizin: Sehr breit gefasst liegt dem Begrif
das Wissen zugrunde, dass Menschen, unter anderem auch wegen
ihres genetischen Proils, auf dieselbe Behandlung unterschiedlich
ansprechen, etwa bei Krebserkrankungen. Ziel der personalisierten
Medizin ist es, auch mithilfe gentechnischer Verfahren zielgerichtete,
individuelle herapien zu inden. Schon lange ist zum Beispiel be-
kannt, dass manche Frauen aufgrund ihrer genetischen Disposition
ein höheres Brustkrebsrisiko haben. So weisen bei einer bestimmten
Risikogruppe die Körperzellen vermehrt Rezeptoren auf, die Zell-
wachstum und -vermehrung anregen, auch das von vorhandenen
Tumorzellen. Seit gut 20 Jahren ist es möglich, diese Rezeptoren mit
einem speziellen Antikörper zu blockieren. Sowohl die Überprüfung
auf die spezielle genetische Ausprägung als auch der herapieansatz
wären ohne moderne biotechnologische Verfahren nicht möglich.
Mitlerweile können auch die individuellen Genproile von Tumoren
ermitelt werden, um so Erkenntnisse über deren Verhalten und
mögliche herapien zu gewinnen.
In jüngster Zeit werden auch Digitalisierung und Big Data im-
mer wichtiger für die personalisierte Medizin. Hier geht es unter
anderem darum, hundertausende diagnostische Datensätze mit den
Erfahrungen aus ebenso vielen bereits erfolgten herapien ande-
rer Patienten miteinander abzugleichen, um für den einzelnen die
richtige herapie zu inden. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel:
Anstelle von ot langjährigen Studien proitieren Patienten und Medi-
ziner von sogenannter „Real Word Data“, quasi dem Live- Abgleich von
Erfahrungen am Krankenbet. Das erfordert aber das elektronische
Vorliegen dieser Informationen in leicht zugänglicher Form und die
digitale Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen – bislang
zumindest in Deutschland noch ein frommer Wunsch.
Ohne Biotech-
nologie wäre
die moderne
Medizin nicht,
was sie heute ist.
Das wird auch
so weitergehen:
herapien
gegen Krebs,
Erkrankungen
des Herz-Kreis-
lauf-Systems oder
neurologische
Erkrankungen
wie Alzheimer
basieren auf
biotechnologi-
schen Verfahren.
Und immer
wichtiger wird
auch hier die
Digitalisierung.
AUTOR
JOST BURGER
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69 %
64 %
QUELLE: AMGEN, AUS: STUDIE „MEDIZINISCHER FORTSCHRITT UND DER
BIOTECH STANDORT DEUTSCHLAND“
NEUE MEDIKAMENTE GEGEN BISHER UNHEILBARE KRANKHEITEN
AUSROTTEN VON KRANKHEITEN (Z.B. POCKEN)
VERBESSERTE (FRÜH -)ERKENNUNG VON KRANKHEITEN
HÖHERER ANTEIL AN GEHEILTEN PATIENTEN (HÖHERE ÜBERLEBENSRATE)
MEDIZINISCHE ERRUNGENSCHAFTEN ALLEN MENSCHEN
GLEICHERMASSEN ZUGÄNGLICH MACHEN
55 %
53 %
52 %
Was kann moderne Medizin bewirken?
Zwei Drittel der Deutschen sehen die Entwicklung neuer Medikamente
als wichtigsten medizinischen Fortschritt.
16 CHANCEN DER MEDIZIN
tina meador
(Tina Meador)
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