2 THEMA DES TAGES DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,5.NOVEMBER
1 6 Beamte wurden verletzt, Si-
cherheitsleute gejagt.
Die Akteure nehmen Verletzte
nicht nur in Kauf, sie gehen das
Risiko ein, mit Bränden und At-
tacken noch Schlimmeres anzu-
richten – wie in Leipzig, wo
Menschen aus ihren Wohnungen
geholt werden mussten, weil of-
fffenbar Gefahr für Leib und Le-enbar Gefahr für Leib und Le-
ben bestand.
Diese Gruppen rechtfertigen
ihre Gewalt mit dem Kampf ge-
gen die Gentrifizierung, also die
Sanierung und Verteuerung
meist von Altbauvierteln großer
Städte. Und sie nehmen ein
Recht für sich in Anspruch, das
das Grundgesetz nicht kennt:
das Recht, selbst zu richten und
zu strafen, wen sie politisch ver-
urteilen, weil er oder sie Woh-
nungen baut, besitzt oder be-
wohnt, die in ihren Augen „Lu-
xuswohnungen“ sind.
Eine Leipziger Gruppe, die
sich Kiezmiliz nennt, veröffent-
lichte auf der Plattform Indyme-
dia, die oft von Linksextremis-
ten genutzt wird, am 3. Novem-
ber eine Erklärung, die kaum an-E
ine Welle linksextre-
mistischer Gewalt rollt
durch deutsche Städte,
vor allem durch Berlin,
Hamburg und Leipzig. Der mas-
sivste Anschlag zuletzt wurde am
3. Oktober auf eine Leipziger
Baustelle verübt. Drei Baukräne
standen in Flammen und droh-
ten, in benachbarte Wohnhäuser
zu stürzen – Bewohner mussten
evakuiert werden. Oberbürger-
meister Burkhard Jung (SPD)
sprach von einem „Terroran-
schlag“.
VON WOLFGANG BÜSCHERGut zwei Wochen später, in
der Nacht des 14. Oktober, folgte
der nächste Anschlag, diesmal
brannte ein Bagger. Und am 26.
Oktober stand abermals eine
Baustelle in Flammen – in Leip-
zig-Connewitz, einer Hochburg
der autonomen Szene. Als Feuer-
wehr und Polizei anrückten, wur-
den sie von einer Menge mit Feu-
erwerkskörpern, Steinen und
Flaschen angegriffen, zwei Be-
amte wurden verletzt.
In Berlin schlug am 2. Novem-
ber eine Demonstration in mas-
sive Gewalt um. Vermummte be-
waffneten sich mit Steinen, Stra-
ßenschildern und Bierbänken
und attackierten Sicherheitskräf-
te an Baustellen und Polizisten –
ders denn als Aufruf zur Gewalt
gegen solche Menschen gelesen
werden kann: „Wir haben uns
deswegen entschieden, die Ver-
antwortliche für den Bau eines
problematischen Projekts im
Leipziger Süden da zu treffen,
wo es ihr auch wirklich wehtut:
in ihrem Gesicht.“ Es folgt der
volle Name der Frau, die beruf-
lich mit einem in der Szene ver-
hassten Bauprojekt zu tun habe,
samt Privatadresse.
Leuten wie ihr müsse klar
sein, „dass sie sich an einem An-
griff auf einen Raum der radika-
len Linken beteiligen und dass
dieser Angriff beantwortet wer-
den wird“. Ein Teil der Stadt
wird also zur linksbefreiten Zo-
ne erklärt, die militant zu vertei-
digen sei. Auch wie das gesche-
hen solle, lassen die Verfasser
nicht im Unklaren: „kaputte
Scheiben, brennende Autos und
kaputte Nasen“.
In der Bewertung dieser Ge-
waltwelle durch Sicherheitsbe-
hörden zeichnet sich ein Wandel
aaab. Noch in seinem Bericht fürb. Noch in seinem Bericht für
2 018 bewertete das sächsischeLandesamt für Verfassungs-
schutz (LfV) Leipzig zwar als
„die Schwerpunktregion der
sächsischen autonomen Szene“
und auch als den „Brennpunkt
linksextremistischer Gewalt“.
Mit rund 250 Personen gehören
mehr als die Hälfte der sächsi-
schen Autonomen (insgesamt
rund 425 Personen) zur Leipziger
Szene. Der attestierte das Lan-
desamt für Verfassungsschutz
„hohe Gewaltorientierung“, aber
„noch keine terroristische Di-
mension, was Angriffe gegen Per-
sonen betrifft“.
Die sächsischen Verfassungs-
schützer warnten aber: „Auch
Angriffe auf Infrastruktur kön-
nen die Schwelle zum Terroris-
mus erreichen.“ Etwa Attacken
auf die Bahn, auf AfD-Einrich-
tungen, auf Firmen und auf Poli-
zeibehörden.
An diesem Punkt sind die Din-
ge aus der Sicht einer anderen
Behörde nun angekommen. An-
ders als das LfV noch für 2018,
sieht das sächsische Landeskri-
minalamt (LKA) nach den jüngs-
ten Anschlägen auf Baustellen inLeipzig „eine neue Stufe der Ge-
walt“ und „die Schwelle zum Ter-
rorismus bereits erreicht“. Laut
einem Bericht der „Leipziger
VVVolkszeitung“ spricht das LKA inolkszeitung“ spricht das LKA in
seiner aktuellen Lageeinschät-
zung von einem „stetig wachsen-
den Gewaltsockel“.
Dieses Jahr zählt das LKA bis-
her 305 linksmotivierte Strafta-
ten in Leipzig, 2018 waren es 222,
davon werden 42 als Gewaltde-
likte eingestuft ( Gesamtjahr
2 018: 47), es gab 20 Brandstiftun-
gen (2018: 23). Im gleichen Zeit-
raum registrierte das LKA 192
rechtsextremistische Straftaten
(2018: 234), davon acht als ge-
walttätig eingestufte (2018: 9).
AAAuch das Bundesamt für Ver-uch das Bundesamt für Ver-
fffassungsschutz (BfV) hat dieassungsschutz (BfV) hat die
wachsende linksextreme Mili-
tanz im Blick. Rund 9000 Links-
extremisten betrachtet die Be-
hörde als gewaltorientiert – das
sagte BfV-Präsident Thomas Hal-
denwang kürzlich in der öffentli-
chen Anhörung des sonst geheim
tagenden Parlamentarischen
Kontrollgremiums im Bundes-
tag. Sie begingen „Straf- und Ge-
walttaten sowohl in Form von
Sachbeschädigung und Brand-
stiftung als auch in Form geziel-
ter Angriffe auf Personen“. Ziel
solcher Angriffe seien tatsächli-
che und vermeintliche Rechtsex-
tremisten, Polizisten, politische„Kaputte Scheiben,
kaputteNasen“
Baukräne brennen in Leipzig, in Berlin herrscht Straßenkampf
gegen Polizisten und Feuerwehr. Sicherheitsbehörden sehen eine
neue Stufe linksextremistischer Gewalt