Freitag, 1. November 2019 ∙Nr. 254∙240.Jg. AZ 8021Zürich∙Fr. 5.20 ∙€5.
Nobelpreis für Literatur: Der Diskussion fehlt die nötige Tiefenschärfe Seite 12
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Impeachment gegen
Trump rückt näher
Innert Kürze sollen öffentliche Anhörungen beginnen
Das Repräsentantenhaus hat
die Impeachment-Untersuchung
gegen PräsidentTrump etwas
konkretisiert. DieParteilinien
wurden weitgehend eingehalten.
PETER WINKLER,WASHINGTON
Die amerikanischen Demokraten haben
am Donnerstag den Einsatz in ihrer
Impeachment-Untersuchung gegen Prä-
sident DonaldTrump erhöht und das
weitereVorgehen in einer formellenAb-
stimmung imRepräsentantenhaus fest-
gelegt.DasAbstimmungsresultat – 231
zu 196 Stimmen – entsprach fast genau
den Mehrheitsverhältnissen; nur zwei
Demokraten verweigerten sich derPar-
teilinie. Unter denRepublikanern gab es
keine Dissidenten.
Es war keine Abstimmung über
eine Anklage gegen den Präsidenten.
Sie macht aber denWeg frei für öffent-
liche Anhörungen und legt fest, dass
der Geheimdienstausschuss die Unter-
suchungen mit etwas verändertenRe-
geln leitet, die unter anderem ein ver-
tieftes Befragen von Zeugen erlauben.
Danach entscheidet dieJustizkommis-
sion, ob sie Anklagepunkte aufsetzen
will. Die Demokraten unterstrichen,
ein solcher Entscheid werde aber erst
am Ende, nicht am Anfang der Unter-
suchungen stehen.
Als erste Abstimmung im Plenum
der grossenKongresskammer war der
Entscheid vom Donnerstag natür-
lich mehr als lediglich ein prozedura-
ler Zwischenschritt, nämlich eine Geste
von erheblichem symbolischemGe-
wicht. Die bisherigen Untersuchungen
waren nur durch einen einseitigen Be-
schluss der Demokraten angestossen
worden. Nun mussten sämtliche Abge-
ordneten zum ersten MalFarbe beken-
nen , ob sie grundsätzlich an die Mög-
lichkeit glauben,Trump habe eine Ent-
fernung aus dem Amt verdient, und sie
deswegen die Untersuchungen weiter-
führen wollen.Dabei steht die Ukraine-
Affäre imVordergrund,aber eskönnen
durchaus noch weitereThem en aufge-
griffen werden.
So zumindest stellten es die Demo-
kraten dar, die sich damit alsVerteidiger
der verfassungsmässigen Gewaltentren-
nung in Szene setzten. PräsidentTrump
glaube, dieVerfassung verleihe ihm die
Macht, zu tun und zu lassen, was immer
er wolle, erklärte die Speakerin Nancy
Pelosi. Es liege deshalb amRepräsentan-
tenhaus, dafür zu sorgen, dass die Macht-
balance zwischen den gleichberechtigten
Inst anzen derRegierung –Kongress und
Weisses Haus – gewahrt werde.
Die Republikaner stellten ebenso
grundsätzlich in Abrede, dass irgend-
etwas vorgefallen seinkönnte, was eine
EntfernungTrumpsaus dem Präsiden-
tenamt verdiente. Statt für das amerika-
nischeVolk zu arbeiten, wie sie es vor
und nach ihrerWahl im Herbst verspro-
chen hätten, stürzten sich die Demokra-
ten in einen abenteuerlichenVersuch,
die Wahl von 2016 zu annullieren, weil
sie deren Ergebnis nie akzeptiert hät-
ten, erklärte derrepublikanische Min-
derheitsführerKevin McCarthy.
SpeakerinPelosi hatte noch vor kur-
zem strikt darauf bestanden, dass ein
Impeachment-Verfahren lediglich im
Falle von parteiübergreifender Unter-
stützung sinnvoll sei.Davon ist gegen-
wärtig jedoch nichts zu erkennen.Aber
der Bericht desWhistleblowers aus den
Geheimdiensten überTrumpsVersuch,
die ukrainischeRegierung zurWahl-
hilfe zu erpressen, liess alleDämme
brechen.
Hatten bisher Zeugen hinter ver-
schlossenenTüren ausgesagt, sollen be-
reits Mitte November öffentliche Hea-
rings beginnen. ObPelosi an einen Er-
folg des Impeachments glaubt, ist un-
klar.Was bisjetzt gegen Trump vorliegt,
ist nicht der Stoff, der eine grössereAb-
setzungsbewegung der Republikaner
von ihrem Präsidenten auslösenkönnte.
Möglicherweise hofft sie auf weitere,
schwerer wiegendeVorwürfe. Oder sie
hofft,der steteTropfen öffentlicher Zeu-
genaussagen überTrumps Amtsführung
werde mithelfen, imHinblick aufdie
Wahl im nächstenJahr eine Stimmungs-
änderung zugunsten der Demokraten
zu bewirken. So oder anders istPelosis
Spiel riskant.
In Kneipen wie«AuDaringman» kommt man demWesen der belgischen Hauptstadt näher. JOËLHUNN/ NZZ
PROVINZIELLE METROPOLE
Brüssel – Porträt
einer unterschätzten Stadt
WOCHENENDE,SEITE 45–
Zürich will deutlich mehr Geld
in die Entwicklungshilfe stecken
Die Stadt wird die 1-Prozent-Vorlage am 17. Novemb er wohlannehmen
dfr.· Die Entwicklungshilfe ist in der
Schweiz mehrheitlich Sache des Bundes.
Rund 3 MilliardenFranken gibt er jähr-
lich für Projekte in der ganzenWelt aus.
Die Gemeinden betätigen sich bis jetzt
wenig auf diesemFeld, und falls doch,
dann meist mit tiefen Beträgen: 10 000
Franken für sauberes Trinkwasser in
Kenya hier, 30 000 Franken für indi-
gene Kleinbauern in Guatemala dort.
Die grosszügigsten Spenderinnen unter
den Kommunen sind die Städte Genf
und Zürich. Genf zahlt über 5 Millio-
nen Franken imJahr aus eigener Kasse,
Zürich bis jetzt rund 3 Millionen. Zu-
mindest in der Limmatstadtkönnte sich
der Betrag nun aber deutlich erhöhen.
Stadtrat unterstütztVorlage
Am 17.November stimmen die Stadt-
zürcher über eineVorlage ab, wonach
jährlich mindestens 0,3 bis maximal 1
Steuerprozent fix für Hilfsbeiträge be-
reitgestellt werden soll. Gegenwärtig
entspräche dies einem Betrag von 6 bis
18 MillionenFranken. Die Chancen auf
ein Ja stehen gut.Eine breiteAllianz von
SP, Grünen, AL, GLP und EVP steht
hinter demAnliegen.Nur FDP undSVP,
die in der Stadt Zürich wenig zu mel-
den haben, kämpfen dagegen an.Auch
der rot-grün dominierte Stadtrat unter-
stützt dieVorlage.
Die Erhöhung angeregt hatte die
Stiftung für Effektiven Altruismus.
Diese in universitären Kreisen entstan-
den e Bewegung setzt sich wissenschaft-
lich und philosophisch mit demThema
Entwicklungshilfe auseinander. Viele
Mitglieder spenden einen fixen Betrag
ihres Einkommens – zum Beispiel 10
Prozent – für wohltätige Zwecke. In d er
Stadt Zürich hat die Stiftung vor drei
Jahren die1-Prozent-Initiative lanciert.
Deren Inhalt: Zürich soll jedesJahr
ein Prozent des Budgets spenden. Dies
würde einem Betrag von rund 90 Mil-
lionenFranken entsprechen. «Zu viel»,
fand der Stadtrat. Eine derart massive
Erhöhung würde den Steuerhaushalt zu
stark belasten und einen zusätzlichen
Personalaufwand nach sich ziehen. Der
erarbeitete Gegenvorschlag, der nun
zur Abstimmungkommt, sei hingegen
finanziell tragbar – unter anderem
auch, weil die Beträge bei Bilanzfehl-
beträgen gekürzt werdenkönnten. Die
Altruisten zogen ihre Initiative in der
Folge zurück. Und der ZürcherFinanz-
vorsteher hat bereits versprochen, dass
er bei einemJa am 17. November die
Entwicklungsgelder schon im nächsten
Jahr auf 8 bis 9 MillionenFranken er-
höhen möchte.
Grüne contra Freisinn
Die Gegner derVorlage äussern grund-
legende Kritik. Im NZZ-Streitgespräch
zweifelt der FDP-Gemeinderat Alexan-
der Brunner, ob die Stadt Zürich über-
haupt in Eigenregie Entwicklungsgelder
sprechen sollte. Und falls ja, ob sie die
Beträge auch effektiv einsetze. «Wenn es
am Ende nur darum geht,Symbolpolitik
zu betreiben undsichselber ein gutes
Gefühl zu verschaffen, nützt es nieman-
dem etwas», sagt Brunner. Katharina
Prelicz-Huber,frisch gewählte National-
rätin der Grünen,betont hingegen, dass
auch mitrelativ geringen Beträgen in
Entwicklungsländern sehr viel erreicht
werdenkönne. Mit lediglich 60Fran-
ken verschaffe man zum Beispiel einer
Person einen dauerhaften Zugang zu
sauberemTrinkwasser. «Ein lächerlich
klein er Betrag entfaltet so eine enorm
grosseWirkung», sagt Prelicz-Huber.
Zudem sei in derVorlage festgehalten,
dass die Stadt die Zusammenarbeit mit
dem Bund suchen solle.
Zürich undRegion, Seite 17
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