Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.11.2019

(vip2019) #1

SEITE 12·FREITAG,8.NOVEMBER 2019·NR.260 Neue Sachbücher FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


E

rwareine ganzeMusikrichtung,
verkleidetals Einzelperson.
Manchmal aberwohl auc hein-
sam wie ein Symbol, das nie-
mand lesenkann. VomE-Gitar ren-Zwit-
schersalat im Anlauf zu „When Do ves
Cry“ (1984) über den albumförmigen
Neun-Kapitel-Song „Lovesexy“ (1988)
bis zum autohypnotischen Lavagroove
der Zusammenarbeit mit 3rdeyegirlauf
„Plectrumelectrum“ (2014)blieb sein
Schaf fensogarda,wo essic hnurumsich
selbst zu drehen schien, in Hörweiteder
Tanzfläche,wollteundwarBewegung.
Geboren am 7.Juni 1958in Minneapo-
lis, getauftauf den klangvollenNamen
Prince RogersNelson,kürzt ederKünstler

diesenzu„ Prince“zusammen,wasimEng-
lischen sowohl den Nachwuchskönig wie
allgemein einenFürstenmeint.Beide Be-
deutungen füllteermit Leben, erst als
ErbedesFunksunddannalsHerrscherim
eigenen, denFunk freilichmit umfassen-
denReich.AlsPrinceimApril2016starb,
erging sichselbstder Vollrassis tTheodor
Beale(alias„VoxDay“) ,derAfricanAme-
ricans als „Halbwilde“veracht et,auf sei-
nem Blog inwehmütigen Erinnerungen
an die Popszeneder Achtziger imStaate
Minnesota:„Fast alle, die ichkanntehat-
tenirgendeineVerbindung zu Prince, sei
esalsZufallsbegegnung,sei’sberuflich.“
Damals und dort,grübelteBeale, habe
mannichtaufRassenmerkmalegeacht et,
ihm selbstsei er st später klargeworden,
wiewichtigmandiezunehmenhabe.Sei-
nerech tsradikaleStammkundschaftmuss-
te sichimKommentarbereichzud iesem
Blogeintrag zusammenreißen;wenn je-
mandesanEhrfur chtfürden Verewigten
fehlenließ,gab’swasmit demModerato-
renknüppel, undFiguren, die sichdar-
über Gedanken machen, wie man diege-
sellschaftlic he RangordnungimSinne
faschistoider Ressentimentseinrichten
kann, schwärmten davon, wie Prince sei-
nerzeit Bandsaus seinerUmgebung wie
TheTimeoderVanity6geförder thatte.
Vonunangenehmen Bewunderernver-
abschiedetwurde da eineKomponisten-,
Texter-, Performer -und Produzentenper-
sönlichkeit, derenFüllhor ngenug Musik
auswarf,dassauchanderealssieselbstda-
mit Er folgefeierten, vonSinéad O’Con-
nor über Sheila Eastonbis zu den Ban-
gles. DasNach rufpathos in jenemFrüh-
jahr 2016 mischtesich, weil Prince seine
Gabensobreitgestreuthatte,mitNostal-

gie für eineganze Pop-Epoche undstand
stellenweiseim kuri osenKontrastzurGe-
lasse nheit des Beweinten während des-
senKrisen;nochindenletztenLebensta-
genbeantwortete erbesorgteMedienmel-
dungen über sein Leiden mit einem lako-
nischenSelbstzitat:„Ijustcan’tbelieveall
thethingspeoplesay“,wasdie Leut enur
immerreden.
EmphatischeDeklamatio nenimZusam-
menhang mit Schicksal und Vergänglich-
keitwarenihmzwaraufdemErfolgsgipfel
zwischen „IWould Die4U“(1984) und
„SometimesitSnowsinApril“(1986)kei-
neswegs fremd; kleinmütiges Sinn- und
Seinsfragengegrübel aber quittierte er
gern mit einem lebensbejahenden Schul-
terzucken: „Li fe isjus tapartyandparties
weren’tmeant to last“, heißt es auf dem
Weltunter gangsfeger„1999“von1982.
WerdieKunstkennt,diePrincehinter-
lassen hat, und sicheine Vorstellung da-
vonmachenwill,wasfüreinMenschihre
Voraussetzungwar, in ihr aber nichtrest-
los aufgehenkonntenochwollte, kann
jetzt ein Buchlesen und betrachten, das
„TheBeautifulOnes“heißt,also „Die
Schönen“–Jahre? Menschen?Auftritte?
Alles ,ja.Der VerlagverkauftdasBu chbe-
scheide nund damit irreführend als „un-
vollendeteAutobiog rafie“, weil es sich
aus einem Projekt ergeben hat, das in
RichtungSelbstdarstellunggedacht gewe-
senwar.InWirklichkeitist„TheBeautiful
Ones“eineArtAusstellungauferstklassi-
gemPapier,voller Faksimiles vonSong-
texten und Entwürfendazu, erzählenden
und erläuternden Beilagen und anderen
Elementeneines mehrfachbelicht eten
Großporträts.
In diesem nachallen Neugierrichtun-
genlichtdur chlässigen,geräumigen und
kein bisschen bedrückenden Grabmal
stützen einander drei Teile. Der erste
birgteinenachFotovorlagen reproduzier-
te und danachins Deutsche übertragene
hands chriftlicheSammlungvonJugender-
innerungen,inderdasseinerzeitsinnlich
ErfahreneunddiespätereSelbstreflexion
einanderohnejedeMühedurchdringen–
gleichzuBeginnliestman,einMoment,
in dem seine Mutter dem kleinen Prince
einmal sanftdas Gesicht streichelte,weil
sie er kannte, dasserwieder einmal nicht
verstand, wasdie Er wachsenen darede-
tenund waserauchnicht verstehen soll-
te,erwachsenesZeugnämlich,seiderAu-
genblickder „Geburtmeiner physischen
Phantasie“gewesen.
AufEnglisch:„thebirthofmyphysical
imagination“.Treffender als mit dieser
Wendung kann man die Quelle seiner
Kunstkaum benennen:Hier passiertet-
wasGeistigesalsLeib,etwasWitzigesals
Sexund ein eDenkleistungmit hellwa-
chenSinnen.
Der zweiteTeil des Buchesgreiftin
denNach lassüberdieschonmitdemZiel
der Buchveröffentlichunggeschriebenen
Notatehinaus;ZettelmitSong-Palimpses-
tengibtesda,niedlicheundfeurig eFotos
auch: Der Jugendliche spielt im Bett Gi-
tarreodersitztaufseinemAuto,dazuein
Plattencoverentwurf, außerdem derfast
erwachsenePrinceimknappenHöschen,
oder wie er sichmit dem Zeigefinger ins
Apfelbäckchen piekst –lauter Proben
wohl,zumBeispielfürdieberühmteFoto-
seriemit dem atemberaubenden Crop
Topfürs1986er-„Parade“-Album.Kom-
mentierendarfdas alles der Einzige, der
weiß, wie es sichangefühlt hat:„Ichfuhr
gerade mit meinem Datsun, als ichmei-
nen eigenen Song imRadio hör te.Nicht,
dassich es nichtfassen konnte; aber mir

rutschteeinfachdasHer zindieKnie“,so
wardas also im längstversunkenenvery
funkyJahr1978.
Der dritte Teil von„The Beautiful
Ones“ entfernt sichamweites tenvom
Selbstzeugnis,erspiegeltinDokumenten
der Karrieredes Helden eine Sicht auf
ihn, die das Buchpublikum schon mit-
bringt, alsgleichsam amtlicherTeil, wes-
wegeneinePersonalausweiskopiedazuge-
hört. Daneben benennt derPassinhaber
die Rechtlosigkeit des Bürgers als Künst-
ler:„Es is tunglaublich, man schreibt
Songs, besitzt aber nicht dieRechte dar-
an, und anderekönnen damit machen,
wassiewollen.“Princeistnichtmehram
Leben, sowenig wie andereIndividuali-
tätssinnbilder der Achtziger :Michael

Jackson,George Michael,WhitneyHous-
ton. Die öffentliche Selbsterlösungqua
Selbstdarstellung, die im Yuppiejahr-
zehnt eines der massenwirksamstenKul-
turmomentewar,ließ seine Riesentypen
bei derFeier ihrerUnverwechselbarkeit
mitsic hoftsehr alleinund dahermanch-
mal wie neben sichstehen: „I wasdrea-
mingwhileIwrotethis“,erklärtPrincein
„1999“,und derTraum,den vielehörten,
als ihnen dasgesungen wurde, hieß: „Ich
komme aus der Langeweile, vomRand,
ausderMisere,ichwillins Aufregende,in
denMittelpunktunddenLuxus“.
Da, wo Prince herkam, ents tand zeit-
gleichein anderes Modell als dieUnikat-
Menschenmarke,die Idee „Hiphop“, ei-
nerseits als Geschäftsmodell („Was,

wenn die Kultur einersonstweggedrück-
tenMenschengruppe zur Abwechsl ung
mal vonihr selbs tzuG eldgemacht wird
stattvonanderen?“),andererseitsaberzu-
gleichein, wenn auc hnicht immer abso-
lut konsequent politischaufgefas stes An-
wendungsbeispiel der Erkenntnis „allein
machen sie dichein“. So geht es: Neue
Kulturtechnikenbringen neueStarsher-
vor, neue StarskönnenwiederzuMusik-
richtungenwerden, als Einzelpersonen
verkleidet.AmEndedieserBerg-und-Tal-
WellenbewegungstehteineArtEwigkeit,
die für skonkrete Subjekt nicht nur zum
Freuenis t.DiePartytanzt,sobaldsievie-
le mitnimmt, zwingendweiter als jedes
einzelneLeben,dassiefeiert.Sieis twohl
doch„meanttolast“. DIETMARDATH

Wenndie inKonventionenerstarrten
Talksho wsimdeutschenFernsehenet-
wasbewirkthaben,danneinefastim-
merzutreffendeTalkshow-Kritik.In-
sofer nlässt sichauchOliver Webers
kleiner Polemik ,die nicht mit neuen
Ein-oderAussichtenüberrascht–ein
Kreis vonDauergästen spielt allwö-
chentlic hDebattenvor, die Krisen
suggerieren, abersteifer Rollenlogik
folgen –, „Wiederkehr des Immerglei-
chen“vorhalten,zumalauchdenübri-
genArgumenten eingewisser Bume-
rangeffektzueigenist.
So ließe sichschon die Inhaftnah-
me der in parteipolitischer Rhetorik
versandetenShows für die Entste-
hung von„Ressentiments“gegendie
Politikalspr ovokativ eZuspitzungauf-
fassen,ganzsicheraberdertitelgeben-
de „Hass“ als empfohlene Haltung.
Das dochetwassimple Verfallsnarra-
tiv–inderWeimarer Republik,unter
denAlliiertenundinderjungenBun-
desrepublikseiennochechteMedien-
debattenmit of fenem Ausgang mög-
lichgewesen –darfseinerseitswohl
„Framing“genannt werden. Undder
sicher richtigeVorwurf, „Anne Will“,
„Hartaber fair“ und sofort steckten
in der nationalenPerspektiv efest,
trif ft ebenfalls den Autorselbst. Da-
bei wäre es spannendgewesen, der
deutschenTalksho wetwadie andere
HerangehensweisederBBCentgegen-
zustellen, diegegendie Polarisierung
der Gesellschaftfreilichauchnichts
ausrichtenkonnte.
In einer Hinsicht hat das Büchlein
aber durchaus Er kenntniswert, denn
esführ tvorAugen,wie wenigsic hRe-
daktionendereigenenpolitischenRol-
le qua„Agenda-Setting“ bewusst zu
sein scheinen.Sov ertr eten unsere
Talkmasterinnen undTalkmasterin
mehreren zitierten Gesprächen die
naiveAnsicht, lediglichabzubilden,
was„dieMenschenimLandbewegt“.
Im interessantestenKapitel zeichnet
derAu tordetailliertnach,wiedieAl-
ternativefür Deutschland über ihre
verschiedenenPhase nhinwegdasFor-
matTalksho wfürsic hzuinstrumenta-
lisierenwusste.
DassTalksho wsgegenRechtspopu-
lismus sowehrlos scheinen, hat laut
Weber mit einerstrukturellen Ver-
wandtschaftinBezug auf Mobilisie-
rung und Debattenlogik zu tun:„Was
die Menschen im Land bewegt“, ge-
hörtinder Tatheutezur Legitimati-
onsrhe torikvon Parteien wie der
AfD. Allerdings sindTalksho ws si-
cher nicht die einzigen Medien, die
auf Quote durch Eskalation setzen.
Undsichernichtdieschlimmsten.
DieKritik istdamitso wohlfeilwie
zeitgeistgemäß. Das zeigt die soeben
erfolgteVergabe des Negativpreises
„GoldeneKartoffel“ an die viergro-
ßen Talksho ws vonARD und ZDF
durch den Verein Neue deutscheMe-
dienmacher*innen. Andersals die
Preisverleiherund mancheKommen-
tatorenmöchtederAu tor,einStudent
derPolitikwi ssenschaft, dieTalk-
shows aber nicht ersatzlos abge-
schaf ft sehen, sondernerhofft auf
eineShow, „diemiteinemanspruchs-
vollen Konzeptüberrascht“, „ganz
neue Gästerekrutiert“ unddie Mei-
nungsbildung wieder alsfluiden Pro-
zessbegreift.Dasbleibtjedochderart
dünn,dassmanesnichteinmaleinen
Gegen vorschlag nennen möchte. Es
zeigt sichwohl lediglich, wiewenig
sinnvoll polemischeFormate-Kritik
ist, die auf jede Einbindung in eine
umfassendeMedien-undDiskursana-
lyseverzichte t. OLIVERJUNGEN

Der fachkundigeösterreichische As-
tronomie-Blogger FlorianFreistetter
hat „Eine Geschichtedes Universums
in 10 0Sternen“ vorgelegt .Das Buch
bestehtaus aneinandergereihten Ge-
schichten, und auchGeschichtchen.
Wieanders sollt eman etwa ein Kapi-
telüber denStern vonBethlehemin
diesem Zusammenhangnennen? Die
wahlloseReihung derKapitel führt
mitunterzuUngereimtheiten.Freistet-
terzitiert etwa Berichte, nachdenen
Barnards Pfeilsternauf uns zurase,
und korrigiertsie mit der Bemerkung,
tatsächlichfliege er in knapp zehntau-
send Jahren in einemAbstand von
3,75Lichtjahrenanunsvorbei.DieBe-
hauptung,derSternAldebaranbekom-
me in zwei MillionenJahren Besuch
vonder Raumsond ePionee r10, lä sst
er dagegen unkorrigiert.Inder Nach-
barschaftAldebaranswirdmanjedoch
vergeblichaufdenBotenderErdewar-
ten.Ma nmagder gleichenalslässliche
Sünd en ansehen. Aber si esprechen
dochfüreineeherhektischeProdukti-
ondesBuches. GÜNTERPAUL

Held zu sein istnicht einfach.Aber der
UmgangmitHeldenistesauchnicht .Als
Sportreporterhatmandauerndmi tihnen
zu tun, undwenn man sichnicht selbst
fragt,fragenandere:Istderwohl sauber?
Diedop tdochnicht,oder?DerBetrugist
nicht mit Händen zugreifen. Oftgenug,
wenn man ’s gerade nicht erwartet,stürzt
einerderHelden,einederHeroinen.
Sportjournalistenhaben das Privileg,
in einem derwenigen gesellschaftlichen
Bereichetätig zu sein, in dem nochHel-
dengeboren werden,auf steigenundstür-
zen. Gewissgibt es das auchinPolitik
und in Wirtschaft, inKultur und inWis-
senschaft. Aber eben sehr viel seltener.
Außerhalb des Sports wirdHeldentum
entwedervonKritik aufg ewogen, is tauf
wenigeInsider beschränkt, garuner-
wünscht–wer wünscht sichKriegshel-
den? –, oder esgeht im Kreislaufder
Neuigkeiten undAttraktionen unter.Die
Helden des Alltags, Lebensretteretwa,
werden üblicherweise für Jahresrück-
blicke und Ehrungen ein letztes Mal dem
Vergessenentrissen.
Sportheldendagegenflorieren.Der So-
ziologeKarl-HeinrichBettewidmetihnen
sein Buch, „Spitzensportinposthe-
roischen Zeiten“,soderUntertitel. Sport-
helden werden in künstlic hhergestellten
Bewährungsprobengeschaf fen, in immer
wieder ausgetragenenWettbe werben, in
WeltcupsundLigen,beiWeltmeisterschaf-

tenund Olympischen Spielen.Die Aufga-
be des Sportreporters, die Begleitung, die
Vor- und Nachberichterstattung, dasNä-
herbringenvonLeistun gund Person be-
weise, behauptetBette,dassessie noch
gibt in dergleichmacherischen, anonymi-
sierenden Organisationsgesellschaft, die
eigenmächtig handelndenTatmenschen.
Wenn sie sichdas Trikot zerreißen oder

aufKnienmiterhobenerFaustundschrei-
endderKameraentgegenschlittern,bewei-
sen sie, dassIndividuen, Menschen aus
FleischundBlut,wieduundich,entgegen
unsererAlltagserfahrungdochdenUnter-
schiedmachenkönnen.
Postheroisch? Ein Pauschalurteil.
Sport,auchdeshalbliebenwirihn,istein
Heldenreservat.Der Unerns tdes Sports,
seine Bedeutungslosigkeit für das wirkli-
cheLeben, dieFolgenlosigkeitvonSieg
und Niederlagefür den Lauf derWelt, ist
keine Schwäche des Metiers. Sie istVor-
aussetzung für das Entstehen vonHel-
den. Dieseverwirrennicht dur ch Orien-

tierung an Geld,Macht, Wahrheit oder
Glaube. Sie sind davonentlastet, in ir-
gendeineranderenFunktionalsdersport-
lichenzuwirken.Sofaszinierensieallein
durch physische, psychische odertech-
nisch-taktische Leistung.Undfür das Pu-
blikum werdensie geradezuzueinerNot-
wendigkeit im Bereichdes Überflüssigen
undEntbehrlichen.
Bette verwahrtsichdagegen, Sporthel-
den vonoben herab behandelt, akade-
mischübergangen, trivialisiertoder ironi-
siertzusehen.DasistnichtinallenFällen
leicht ;man denk enur an die Heldenvon
Jahrezurückliegenden Fußball-B undes-
ligaspielzeitenundihrenDrang,mitKom-
mentaren präsent zu bleiben.Aber es
stimmt schon: Nicht auf die Schwereder
ExistenzzielenunsereHeldengeschichten
ab,sondernaufdieLeichtigkeitdesSeins.
Wenn es denn eineSehnsuchtnach Hel-
den gebe, zitiertBette,findesie heuteEr-
füllungineinemTorwart,dereinenElfme-
terhält, oder in einer Bundeswehr,die
Deichkronenverteidigt(NielsWeber).
WieRolandBarthes1957denProtago-
nistenihreRollen im Epos Tour de
France zuteilte–„Bobet, der Satan des
Rennrads“,„GaulisteinErzengel“,„Cop-
pi: vollkommenerHeld“ –, teilt Bette
2019 die heldenhaftenAthleteninProto-
typenauf.WievieleunserUniversumbe-
völkern! Da sind dielocalheroesund die
global heroes, Langzeit-Helden wiePelé
und Beckenbauer.Esgibt One HitWon-

der wie den OlympiasiegerimShort
Track, dessen Konkur renten allesamt
stürzten, und, tragischerweise, Bob Bea-
mon, dem nie wieder ein Sprunggelang
wieder„insnächsteJahrhundert“beiden
SommerspielenvonMexiko1968,derihn
8,90 Me terweit trug. Da sindVerteidiger
und Eroberer,die HeldenvonBernund
HeroenderRevanche, RetterundErlöser,
Märtyrer wie Hans GünterWinkler (auf
der WunderstuteHalla) und derTurner
AndreasToba (amPauschenpferd), den
der Deutsche Olympische Sportbund für
seinenEinsatztrotzKreuzbandrisseszum
HerodeJaneiroausrief.Dasindtragische
Helden wie ZinedineZidane, der sichim
Endspiel um die Fußball-Weltmeister-
schaf tzueinem Kopfstoß pr ovozieren
ließ und desFeldes verwiesen wurde,ge-
scheiter te Helden wie Diego Maradona
undMikeTysonund tapfer eVersagerwie
Eddy The Eagle und die jamaikanischen
Bobfahrer,die in „Cool Runnings“ zu
Filmheldenwurden.
Unddasind gefallene HeldenvonJan
Ullric hbis Lance Armstrong, Ben John-
sonbisMarionJones.DieKostenfürihre
Manipulationen,gesundheitliche wiege-
sellschaftliche, tragen allein sie.Trocken
beschreibt Bette, dass„die Verheimli-
chungs- undVertuschungspraktiken kor-
porativer Sportakteure“ darauf abzielten,
„das negativeReden über den Spitzen-
sportund dessen Sozialfiguren durch
SymbolpolitikundentsprechendeNeutra-

lisierungsrhetorikenzuunterbinden oder
einzudämmen“. Nicht Doping schadet
dem Sport, sonderndessen Bekanntwer-
den. „DiePersonalisierung des Dopings
durch die Sportverbände imRahmen ei-
ner sic hhartnäckig haltenden Theorie
der ,schwarzen Einzelschafe‘ erzeugt das
Bild,dassDopingnichtdastransintentio-
nale Er gebnis struktureller Dynamiken
sei, sondernlediglic hmit den schlechten
CharaktereigenschaftenindividuellerAk-
teurezutun habe.“ Ullrichund Arm-
strong, Johnson und Jonesstanden alle-
samtin Verdacht,be vorBeweisevorlagen
–esist Aufgabe vonSportreportern,dar-
auf hinzuweisen, und Sportreporterha-
ben diesgetan–trotz ihresRespekts vor
undihrerVerantwortungfürHelden.
Selbs timolympischen Mottodes „Da-
beisein istalles“ entdeckt Betteeinen
Hintersinn.Wie Sterneeinen dunklen
Hintergrund brauchten, um zustrahlen,
brauchten Sporthelden Konkur renten,
diesieüberbietenund vondenensiesich
absetzen können, schreibter. Mittelmaß
und Scheiternhätten ihren Platzbei
Olympia, denn:„Ohne Verlierer keine
Helden.“ Die ErzählungvomSport, die
Reportage,dasPorträtund dasInterview
sindflüchtig. Helden sind nicht für die
Ewigkeitgemacht .Der Sturzgehört, zu-
mindes tals Möglichkeit,immer auchzur
Überhöhung. Betteschließt klug: „Hel-
denstatus im Spitzensportist immerpre-
kärundlabil.“ MICHAELREINSCH

Prince mit Dan Piepen-
bring:„TheBeautiful
Ones“. Die unvollendete
Autobiografie.
AusdemEnglischen
vonClaudia Wuttke
undEikeSchönfeld,
Heyne Verlag,München


  1. 304S.,geb.,32,–€.


OliverWeber:„Talkshowshassen“.
Ein letztes Krisengespräch.
TropenVerlag ,Stuttgar t2019.
156S.,br.,12,–€.

FlorianFreistetter:„Eine Geschichte
desUniversums in 100Sternen“.
CarlHanserVerlag,München2019.
304S., geb.,22,–€.

Karl-HeinrichBette:
„Sporthelden“.
Spitzensportin
postheroischen Zeiten.
transcriptVerlag,
Bielefeld2019.
212S., geb.,29,99€.

Die Notwendigen im Bereichdes Überflüssigen


NichtDopingschadetdemSport,sonderndessenBekanntwerden:Karl-HeinrichBetteführtindieWeltderSporthelden


Beider NewYorkerStationder„Lovesexy“-Tour:PrinceimMadisonSquareGarden,Oktober1988 FotoGetty

Wohin tanzt


die große Party?


DerPopstarPrince


umarmt eversc hiedens te


Klang-undBildmittel


fürseineKunst.Das


Text-und-Bild-Album


„TheBeautifulOnes“


setztih meinDenkmal.


Ichhabe Sie


auchausreden


lassen


Darast einStern


auf uns zu

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