Überraschenderweise herrscht bei uns von Juli bis
September der größte Andrang – nicht im Herbst und
Winter, wie manche vermuten. In den Sommerferien
wollen täglich bis zu 1 0 000 Menschen unsere Modell-
eisenbahnanlage besuchen. Gerade mal die Hälfte
können wir aber bislang nur reinlassen. An unseren
1 6 Kassen ist dann Hochbetrieb, und die Wartezeiten
für diejenigen, die keine Karten reserviert haben, sind
lang. In der Hitze und mit heulenden Kindern, die
Durst haben und nicht mehr stehen wollen, verliert so
mancher die Geduld. Dann werden unsere Mitarbeiter
auch mal angepöbelt.
In solchen Stoßzeiten stehe ich mit im Foyer. Ich
bin ja selbst Vater von drei Kindern und weiß, wie an-
strengend diese Situation ist. Vor allem dann, wenn
ein Besuch unserer Ausstellung womöglich trotz stun-
denlanger Anreise und Anstehens nicht mehr klappt
und die Enttäuschung der Kleinen riesengroß ist. Bei
manchen Familien wird es dann richtig dramatisch.
Damit der Frust nicht eskaliert, helfe ich selbst mit,
Eltern und Kinder zu beruhigen. Dabei gehe ich fest
davon aus, dass jeder Mensch erst mal gut ist. Damit
auch unsere Mitarbeiter gelassen reagieren, predige
ich ihnen immer: „Versetz dich mal in deren Lage.“
Eigentlich bin ich ja zuständig für das Kaufmänni-
sche und die Verwaltung. Aber ob wir am Eingang ein
Drehkreuz testen sollten oder die Platzierung neuer
Ausstellungsstücke wie zuletzt des Palastes von Mona-
co, ich möchte gern alles wissen und überall mitreden.
Außerdem habe ich selbst ständig neue Ideen.
Als Sensibelchen nehme ich dummerweise Proble-
me mit ins Bett. Der ganze juristische Kram rund um
die geplante Erweiterung unserer Fläche um 3 000
Quadratmeter zum Beispiel hat mich etliche Stunden
Schlaf gekostet. Von dem bekomme ich sowieso nur
wenig. Manchmal bin ich von sechs Uhr morgens bis
ein Uhr nachts im Miniatur Wunderland. Zu viel wird
mir das aber nie. Im Gegenteil. Nach dem Trubel des
Tages kann ich endlich in Ruhe nachdenken.
Lediglich dienstags und donnerstags will ich
abends pünktlich um 1 8 Uhr raus, denn dann habe
ich ein festes Date mit meiner Frau. Um sieben kommt
der Babysitter, und wir genießen die Zweisamkeit. Kei-
ne Kinder, kein Handy. Stattdessen aber vielleicht eine
Flasche Wein in unserem Lieblingsrestaurant.
Der wichtigste Tag der Woche ist jedoch der Sonn-
tag. Meine Frau und ich sind Hardcore-HSV-Fans. Seit
1982 habe ich Dauerkarten für die Heimspiele. Ganz
selten nur hab ich eins verpasst. Sogar unsere Urlaube
plane ich drumherum. Am Spielfeldrand nehm ich
mich nicht zurück, sondern schreie sofort alles he-
raus, worüber ich mich aufrege. Ganz schön befreiend,
glauben Sie mir!
Foto: Verena Brandt
für Handelsblatt Magazin
n
Aufgezeichnet von Claudia Obmann
Er entgleist nur beim Fußball
Wenn Frederik Braun genug vom Trubel rund um seine Modellbahnen
im Miniatur Wunderland hat, wird er zum Hardcore-HSV-Fan.
65
Frederik Braun, 51 , und
seine Brüder betreiben
die weltgrößte Modell -
eisenbahn, das Hamburger
Miniatur Wunderland.
RUHE BITTE! Frederik Braun