Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

Verteidigung


Ministerin will mehr Bundeswehr-Einsätze


In einer Grundsatzrede


kündigt Annegret


Kramp-Karrenbauer an,


deutsche Soldaten öfter in


Kämpfe schicken zu wollen.


Donata Riedel Berlin


V


erteidigungsministerin Anne-
gret Kramp-Karrenbauer
(CDU) will die Sicherheitspoli-
tik Deutschlands neu ausrichten und
die Bundeswehr öfter als bisher in
Kampfeinsätze schicken. Ein Land
von der wirtschaftlichen und techno-
logischen Bedeutung Deutschlands
kann „nicht nur einfach abwarten,
ob andere handeln, und dann mehr
oder weniger entschlossen mittun“,
sagte sie mit Blick auf die bisherigen
Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Als die Handelsnation, die von in-
ternationaler Verlässlichkeit lebe, ha-
be Deutschland die Pflicht und ein ei-
genes Interesse daran, die internatio-
nale Ordnung zu schützen – auch mit
militärischem Einsatz, sagte sie in ei-
ner Grundsatzrede an der Bundes-
wehruniversität in München.
Konkret verlangte sie, den Bundes-
sicherheitsrat zu einem Nationalen
Sicherheitsrat auszubauen: Alle The-
men aus Diplomatie, Militär, Wirt-
schaft und Handel, innere Sicherheit


und Entwicklungshilfe müssten dort
von den zuständigen Ministern disku-
tiert, das internationale Auftreten
Deutschlands festgelegt werden.
Seit Jahren gibt es bereits einen sol-
chen „vernetzten Ansatz“ der Bun-
desregierung für Deutschlands Au-
ßen- und Sicherheitspolitik, theore-
tisch jedenfalls. „Wenn wir unseren
vernetzten Ansatz mit Leben erfüllen
wollen, dann müssen wir das auch
an herausgehobener Stelle organisie-
ren“, sagte sie. Erstmals kündigte die
Ministerin auch ein Datum an, bis zu
dem die deutschen Verteidigungsaus-
gaben das Nato-Ziel einer Größe von
zwei Prozent des Bruttoinlandspro-
dukts erreichen sollen: spätestens
2031, so Kramp-Karrenbauer.

Die Ministerin fasste in ihrer
Grundsatzrede ihre Vorstöße der ver-
gangenen zwei Wochen zusammen.
Zuerst hatte sie eine UN-Blauhelm-
Mission unter Bundeswehrbeteili-
gung für Nordsyrien vorgeschlagen –
ohne Außenminister Heiko Maas
(SPD) vorab zu informieren. Sodann
hatte sie in Interviews auch für mehr
militärisches Engagement geworben.
In München umriss sie jetzt ihre ver-
teidigungspolitische Strategie.
Sie begründete ihr Eintreten für
mehr militärisches Engagement mit
der neuen geopolitischen Lage durch
das Vorgehen Russlands und Chinas.
Die Steigerung der Verteidigungsaus-
gaben begründete sie auch damit,
dass in den USA derzeit „der Wille
und die Kraft“ schwänden, überpro-
portionale Beiträge zur internationa-
len Sicherheit zu leisten.
Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron schaut noch skeptischer auf
die USA. „Was wir derzeit erleben, ist
der Hirntod der Nato“, sagte Macron
dem „Economist“. Er sei sich nicht si-
cher, dass die USA sich noch an den
Bündnisfall-Artikel 5 des Nato-Vertra-
ges gebunden sehen, der einen An-
griff auf ein Nato-Land als Angriff auf
alle wertet.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
wollte sich Macron nicht anschlie-
ßen: „Das ist nicht meine Sichtwei-

se“, sagte sie während einer Presse-
konferenz mit Nato-Generalsekretär
Jens Stoltenberg. Dieser wiederum
wies darauf hin, dass die USA ihre
Truppenstärke in Europa zuletzt so-
gar erhöht hätten.
Kramp-Karrenbauer will die Be-
kämpfung des Terrorismus in der
Sahelzone verstärken. Diese liege
bisher „vor allem in den Händen un-
serer französischen Freunde, ob-
wohl wir in Deutschland gleicher-
maßen vom Terror bedroht sind“,
sagte sie. Über Bundeswehr-Einsät-
ze müsse aber immer der Bundes-
tag entscheiden.
Dort sieht der Koalitionspartner
SPD den Vorschlag eines Sicherheits-
rats kritisch. „Es geht dabei sicherlich
auch um das Interesse, den Einfluss
des Verteidigungsministeriums auf
die Außenpolitik zu vergrößern“, sag-
te der SPD-Verteidigungsexperte Fritz
Felgentreu der „NZZ“. Laut „Spiegel“
verhinderte letzte Woche Finanzmi-
nister Olaf Scholz (SPD), das Jahr
2031 für das Erreichen des Zwei-Pro-
zent-Ziels festzuschreiben. In der
Halbzeitbilanz der Bundesregierung
jedenfalls steht nur vage, die Regie-
rung strebe „im Rahmen der haus-
halterischen Möglichkeiten“ eine Er-
höhung auf 1,5 Prozent bis 2024 an
und sie wolle den Verteidigungsetat
„auch danach weiter erhöhen“.

Ministerin Kramp-
Karrenbauer: „Nicht
nur einfach abwarten,
ob andere handeln.“

Ulrich Baumgarten/Getty Images


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