Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

Die Wand


im Bild


Todesstreifen, Brachland und Beton


zerteilten zwischen 1961 und 1989


Berlin in zwei Hälften. Viele Künstler


haben sich an diesem symbolischen


Motiv abgearbeitet. Eine Zeitreise


zum Mauerfall-Jubiläum,


zusammengestellt von Susanne


Schreiber.


VG Bild-Kunst 2019/Galerie Läkemäker


Matthias Zágon Hohl-Stein


Matthias Hohl-Stein
lässt 1981 in
„Schmerz“ eine Män-
nerbüste aus der
Landschaft erwach-
sen. Tragisch hängt
sie im doppelreihigen
Stacheldraht fest. Es
geht nicht vorwärts
und nicht zurück im
Land der künstleri-
schen und politischen
Zensur. Bevor er aus
der DDR ausreiste,
hat der Künstler eine
illegale Dachboden-
Galerie geführt.

Leiden
an der Mauer

Hans-Joachim Bartsch, Berlin / © VG BildKunst, Bonn


Wolf Vostell (1932-
1998) schuf 1969
seine erste Auto-
Skulptur für den Köl-
ner Hohenzollernring.
Sie heißt in weiser
Voraussicht „Ruhen-
der Verkehr“. Dafür
hatte der Maler, Bild-
hauer und Happe-
ningkünstler einen

Opel Kapitän ver-
schalt und in Beton
abgegossen. Fortan
war das Einbetonieren
sein Markenzeichen.
Das Stadtmuseum
Berlin bewahrt die
hier abgebildete Col-
lage aus Fotografie
und Beton auf. Für
„Berliner Mauer und

Brandenburger Tor“
aus dem Jahr 1972
wählt der Wahl-Berli-
ner Vostell nicht den
repräsentativen Blick
auf das von sechs
Säulen getragene Tor,
sondern die seitliche
Ansicht mit den klei-
neren Flügelbauten
und der Straße des 17.

Juni. Die davor verlau-
fende Mauer und das
Stadttor ummantelt
der Künstler mit einer
Betonmanschette.
Deutlicher hätte er
die Verhärtung und
Verkrustung zur Zeit
des Kalten Krieges
kaum kritisieren kön-
nen.

Beton-Verkrustung


Karl Oppermann
(*1930) verließ die
DDR schon 1950 und
siedelte nach West-
berlin über, wo er bei
dem abstrakten Maler
Emil Schumacher stu-
dierte. In dem Ölbild
„Potsdamer Platz“
von 1976 blickt der
Maler „mit trauriger
Sehnsucht vom Wes-
ten über den extrem
breiten Todesstreifen
am Potsdamer Platz
in den verschlossenen
Ostteil der Stadt“,
schreibt Anke Kuhr-
mann in der Motivge-
schichte „Die Berliner

Mauer in der Kunst.
Bildende Kunst,
Literatur und Film“,
erschienen im Chr.
Links Verlag. Opper-
manns Grenzland-
schaft aus dem Stadt-
museum Berlin lässt
sich als Seelenland-
schaft lesen. Der Blick
über die Mauer macht
deutlich, wie groß die
Wunde war, die die
Grenzanlagen ins
Stadtbild rissen.
Heute sind alle Frei-
flächen wieder über-
baut, nur die Bilder
dokumentieren die
Geschichte.

Wunde Brache


Kunstmarkt


(^62) WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216
Karl Oppermann - VG Bild-Kunst, Berlin
Wasja Götze (*1940)
adaptiert schon in
den 1960er-Jahren
die amerikanische
Pop-Art. In pikto-
grammartigen Bildern
entlarvt er Grenzsol-
daten der DDR, Appa-
ratschiks, Claqueure
und deutsch-deut-
sche Klischees. Götze
hielt solche „Polit-Bil-
der“ geheim und
überstand die DDR als
Buchillustrator. Die
Galerie Läkemäker in
Berlin zeigt diese
einst so brisante
Werkgruppe bis zum



  1. Dezember. In
    „Mauer“ von 1980
    nimmt Götze Grenz-
    streifen und Schieß-
    befehl aufs Korn: Ein
    DDR-Soldat zielt auf
    einen Bundesbürger
    hinter der Mauer. Dass
    der nur ein Pappka-
    merad ist, scheint er
    nicht zu bemerken. Zu
    all dem grinst der
    Wachhund im Vorder-
    grund höhnisch.
    Durch seinen direkten
    Blick zum Betrachter
    verbündet sich der
    Hund mit diesem.


Poppige
Ironie
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