Petra Flemming
(1944-1988) hat ein
Jahr vor ihrem frühen
Tod der Unsicherheit
und Verzweiflung
Ausdruck verliehen.
Alles ist grau in dem
Bild „Wohin?“, das bis
eben in der Ausstel-
lung „Point of No
Return“ in Leipzig
hing. Die Bäume sind
beschnitten und abge-
storben. Das Gemälde
fasst die Existenz in
der DDR ohne Mei-
nungs- und Reisefrei-
heit als persönlichen
Lebens- und Leidens-
weg auf. Die rot-
weißen Verkehrsschil-
der scheinen ein
Abbiegen nach Ost
und nach West zu
ermöglichen.
Welcher Teilstaat aber
wo liegt, erfährt der
Betrachter nicht. Nur
so viel: Im Westen
leuchten keine bunten
Reklameschilder.
Hoffnung sieht anders
aus.
In der
Sackgasse
Rainer Fetting
(*1949) hatte sein
Atelier in den späten
1970er-Jahren ganz
dicht an der Mauer in
Westberlin. Der bei
Karl Horst Hödicke
ausgebildete Maler
war einer der Prota-
gonisten der „Neuen
Wilden“. Sie heißen
auch die „Moritz-
boys“, weil ihre 1977
gegründete Selbsthil-
fegalerie am Kreuz-
berger Moritzplatz
lag. In expressiven,
farbstarken Bildern
transformiert Fetting
Straßenszenen aus
dem nächtlichen Ber-
lin in emotional auf-
geladene Räume, die
etwas vom Sog und
Rausch der Großstadt
mitteilen. In „Van
Gogh und Mauer V“
aus der Sammlung
Marx kommt Vincent
van Gogh, die Vaterfi-
gur der expressiven
Malerei, zu Besuch an
den schrillgelben
Grenzstreifen. Eilend
zum nächsten hedo-
nistischen Kick. Nie
geht es um topografi-
sche Präzision, immer
um das Gefühl der
Freiheit, das die
Westberliner Boheme
genoss. Die Malerei
mit Dispersionsfarbe
fördert den lockeren
Malduktus. So fängt
Rainer Fetting das
Tempo in Westberlin
ein.
Nächtliches Eldorado
Rainer Fetting
MdbK Leipzig
Kunstmarkt
WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216^63
MdbK Leipzig/VG Bild-Kunst 2019
Handelsblatt Edition
Frei durch
harte
Währung
Die Mauer zwischen den beiden deut-
schen Teilstaaten ist als „antifaschisti-
scher Schutzwall“ in die Geschichtsbü-
cher eingegangen. Die bis 1990 streng
bewachte Staatsgrenze steht sinnbild-
lich für den Kalten Krieg und die Be-
schneidung individueller Freiheit in der
DDR. Das ist der Ausgangspunkt der
„Statue of Liberty“. Das aus Dänemark
und Norwegen stammende Künstlerduo
Michael Elmgreen und Ingar Dragset
nimmt ein graffitifreies Originalstück
Betonmauer und lässt darin einen funk-
tionslosen Geldautomaten ein. Für die
in Berlin-Neukölln lebenden Künstler
steht die Cash-Mashine für den kapitalis-
tischen Westen und die gentrifizierte
Stadt. Tatsächlich lassen sich in den
Berliner Szenebezirken überproportio-
nal viele Geldautomaten ausmachen.
Sie zielen auf das Geld der partyfreudi-
gen internationalen Gäste.
Berühmt wurden Elmgreen & Dragset
2005 mit einer gefakten „Prada-Bou-
tique“, die sie wie eine Fata Morgana in
die texanische Wüste setzten. Von dem
Duo stammt auch das Mahnmal für die
im Nationalsozialismus verfolgten Ho-
mosexuellen im Berliner Tiergarten.
Mit dem ironischen Bezug auf die New
Yorker Freiheitsstatue ist „Statue of Li-
berty“ dreierlei: „Ein Denkmal der
deutsch-deutschen Teilung, ein Monu-
ment der Erinnerung an eine ver-
schwundene Zeit voller Möglichkeiten
unmittelbar nach der Wende sowie ein
Mahnmal des Ausverkaufs von Ge-
schichte und Stadt“, sagt Heiner Wem-
höner, Unternehmer aus Herford und
Sammler. Wemhöner hat der National-
galerie die „Statue of Liberty“ von Elm-
green & Dragset geschenkt. Sie steht
seit letztem Sommer im Innenhof des
Museums Hamburger Bahnhof. Diese
„wunderbar ironische Arbeit“ musste
für ihn nach Berlin. Exklusiv für das
Handelsblatt haben die Künstler zum
Mauerfalljubiläum eine limitierte Editi-
on zu ihrer Freiheitsstatue vorgelegt.
Künstler: Elmgreen & Dragset
Titel: Statue of Liberty Framed
Preis: 2 700 Euro inkl. Mehrwert-
steuer, zzgl. Versandkosten
Auflage: 30 Exemplare + 3AP
Größe: 80,2 x 59,2 x 5 cm
Landingpage: handelsblatt.com/
elmgreendragset
Stefan Plenkers
(*1945) malte das
„Mauerbild“ aus der
Sammlung Siegfried
Seiz, Reutlingen, 1987.
Wie ein Blitz durch-
zuckt das Bollwerk
aus verfugten Beton -
segmenten von rechts
oben nach links unten
das Bild. Außer einer
nahen Häuserwand
mit dunklen Fenster-
öffnungen im fahlen
Licht lässt sich nichts
Gegenständliches
mehr erkennen. Das
Betörende an dem
Gemälde sind sein
grafischer Aufbau und
der subtile Farbein-
satz. Kühle Töne ver-
breiten eine Stim-
mung von Erstarrung
und Desillusionierung,
von „Ostidentität und
Westsog“, schreibt
Paul Kaiser im Kata-
log der Ausstellung
„Point of No Return“.
Rätseln lässt der
Maler den Betrachter
über die Zeichen und
Chiffren auf der
Mauer und rechts im
Vordergrund. Letz-
tere könnten Höcker-
sperren der Grenzan-
lagen sein. Doch
nicht erzählerische
Wirklichkeitsabbil-
dung ist Plenkers’
Ziel, sondern deren
malerische Wirkung.
Wer nach einer
Bewertung des Wes-
tens als idealisierter
Fluchtpunkt sucht,
findet sie im Bild
nicht. Zu unklar
bleibt, wo der Osten
liegt, wo der Westen.
Zackig teilend
Handelsblatt-Edition von Elmgreen &
Dragset: „Statue of Liberty Framed“
ist ein reliefartiger Fine Art Print.
König Galerie/VG Bild-Kunst