Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

Grund dafür sind ihre gute Marktposition in den
wichtigen Märkten Asien und Amerika, eine wett-
bewerbsfähige Kostenstruktur und vor allem ge-
fragte Modelle gerade im Premium- und SUV-Seg-
ment. Gerade mit ihren großvolumigen Fahrzeu-
gen verdienen die Hersteller viel Geld, weil die
Margen höher sind – vom Umsatz also viel Gewinn
übrig bleibt.
BMW meldete am Mittwoch dank steigender Ab-
sätze einen Vorsteuergewinn von 2,3 Milliarden
Euro im abgelaufenen Quartal. Das war fast ein
Drittel mehr als im Vorjahr. Zuvor hatte Daimler
mit einem Absatzrekord von über 600 000 Merce-
des-Autos in den drei Monaten zwischen Juli und
September für eine Überraschung gesorgt. Noch
im Frühsommer musste Daimler-Chef Ola Källeni-
us die Prognose innerhalb von vier Wochen gleich
zweimal senken. Solche Hiobsbotschaften waren
lange Zeit keine Ausnahmen, sondern der große
Trend im ersten Halbjahr, als die 308 im „Prime
Standard“ notierten Unternehmen nach EY-Be-
rechnungen insgesamt 54 Gewinn- oder Umsatz-


warnungen herausgaben. Das war gut ein Drittel
mehr als im Vorjahreszeitraum und zugleich ein
neuer Höchststand seit der schwersten Nachkriegs-
rezession 2009. Im deutschen Prime Standard no-
tieren unter anderem alle Unternehmen aus dem
Dax, MDax, TecDax und SDax.
Das ist vorbei. „Wir sind auf dem richtigen Weg“,
frohlockte nun Daimler-Finanzvorstand Harald Wil-
helm angesichts des Quartalsgewinns von 2,7 Milli-
arden Euro. Noch stärker präsentierte sich Volks-
wagen mit einem um 68 Prozent auf 4,5 Milliarden
Euro gestiegenen Vorsteuergewinn. Kein anderer
deutscher Konzern verdient so viel, und kein ande-
rer Dax-Konzern steigerte seinen Gewinn so stark.
Der weltgrößte Autobauer profitiert von der ra-
sant steigenden SUV-Nachfrage, aber auch von sei-
ner konzerneigenen Baukasten-Strategie: Je mehr
Stückzahlen der Konzern produziert, desto stärker
sinken die Kosten, weil mehr Fahrzeuge verschie-
dener Modelle gleiche Bauteile verwenden können.
Aus der Krise findet auch Fresenius. Der Gesund-
heitskonzern hatte zweimal seine Ertragsprogno-

sen gekappt, später aber zumindest die Umsatzzie-
le wieder erhöht und bilanzierte nun einen um
acht Prozent gestiegenen Vorsteuergewinn. Grund
dafür sind gute Geschäfte mit Dialysepatienten.
„Unsere Geschäfte haben sich im dritten Quartal
ordentlich entwickelt“, urteilte Konzernchef Ste-
phan Sturm. Er investiert derzeit 2,5 Milliarden
Euro in die Zukunft: zur Stärkung der Heimdialyse
und in die Schulung des Pflegepersonals. Die Fre-
senius-Tochter FMC – auf das Dialysegeschäft spe-
zialisiert und ebenfalls im Dax notiert – erwirt-
schaftet gut drei Viertel ihrer Umsätze in den USA.
Wie kaum ein anderer Konzern beweist die
Deutsche Telekom, wie wichtig es ist, in Wachs-
tumsmärkte zu investieren, um so Schwächen im
stagnierenden Heimatmarkt auszugleichen. Fast
die Hälfte des Gesamtgewinns trägt inzwischen das
rasant wachsende US-Geschäft bei. Als Ex-Chef Ron
Sommer vor knapp zwei Jahrzehnten für 50 Milliar-
den Dollar Voicestream kaufte, drohte aus dem
Amerika-Deal ein Milliardendesaster zu werden. In-
zwischen rechnen sich der hohe Preis und die an-
schließenden Folgeinvestitionen immer besser.
Nach Zuwächsen in den ersten neun Monaten hob
der Ex-Monopolist am Donnerstag seine Jahres-
prognose an. Demnach soll der operative Gewinn
(bereinigtes Ebitda ohne Leasingkosten) im Ge-
samtjahr nun bei 24,1 Milliarden Euro liegen – nach
bislang angepeilten 23,9 Milliarden Euro. Im drit-
ten Quartal verbesserte die Telekom unter ande-
rem dank des starken US-Geschäfts diesen Wert
um 5,4 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro.
Auch Siemens trotzt der schwächelnden Kon-
junktur. Mit einem regelrechten Endspurt hat der
Münchener Technologiekonzern seine Ziele für das
im September zu Ende gegangene Geschäftsjahr
noch erreicht. Zwischen Juli und September über-
trafen Umsätze und Gewinne die Erwartungen der
Analysten. Operativ verdiente Siemens 2,2 Milliar-
den Euro, das waren 55 Prozent mehr als im Vor-
jahreszeitraum.

Chemiekonzerne unter Druck
Dennoch, die Herausforderungen gerade für die In-
dustrieunternehmen bleiben groß: Die Weltkon-
junktur lahmt, darauf wies am Donnerstag Sie-
mens-Chef Joe Kaeser hin: „Die Abschwächung der
Weltwirtschaft hat sich im Lauf des Geschäftsjahres
deutlich beschleunigt.“ Zudem ist die chinesische
Wirtschaft weit von der früheren Dynamik und
jährlich zweistelligen Wachstumsraten entfernt.
Das bekommt nicht jedem: Dem Chemiekonzern
Covestro setzen weltweit Überangebote, der da-
raus resultierende Preisdruck und eine schwächere
Nachfrage zu. Deshalb fiel im dritten Quartal der
Gewinn um 69 Prozent auf 221 Millionen Euro.
Das Minus ist auch deshalb so groß, weil Coves -
tro bis 2018 von einer Sonderkonjunktur profitiert
hatte: Nachfrage und Preise waren hoch, zudem
beklagten wichtige Wettbewerber ausgerechnet im
Boom Produktionsausfälle, wodurch die Preise
noch weiter stiegen – und Covestro Rekordgewinne
bescherten. Diese Zeiten sind vorbei – und eine
Trendwende ist nicht in Sicht. Vor allem in der für
Covestro so wichtigen Automobilwirtschaft schwä-
chelt die Nachfrage. Immerhin, weil die Bauwirt-
schaft stärker auf energieeffiziente Polycarbonate
und Kunststoffe anstatt Beton setzt, kann Covestro
einen Teil dieser Schwäche kompensieren.
Wenig Hoffnung verbreitet auch BASF. Immer-
hin, an der im Juli drastisch gekappten Prognose,
wonach der operative Gewinn in diesem Jahr um
bis zu 30 Prozent niedriger ausfallen wird als 2018,
hielt Konzernchef Martin Brudermüller fest. Ein
Sparprogramm soll in diesem Jahr eine halbe Milli-
arde Euro zum Gewinn beitragen, von 2021 an jähr-
lich zwei Milliarden Euro.
Am Ende überwiegt die Erleichterung, dass es zu
keinem breiten und sich beschleunigenden Ab-
schwung gekommen ist, wie in der ersten Jahres-
hälfte erwartet. „Die bisher veröffentlichten Ergeb-
nisse haben die Erwartungen teilweise deutlich
übertroffen“, urteilt Commerzbank-Analyst Markus
Wallner, schränkt aber sogleich ein, dass dies auch
daran liege, dass Analysten ihre Gewinnerwartun-
gen für etliche Unternehmen senken. „Für eine
wirkliche Trendwende ist es aber noch zu früh.“

Prognose


Berücksichtigt sind 21 der 30 Dax-
Konzerne, die bislang ihre Bilanz zum ab-
gelaufenen Quartal vorgelegt haben.

Deutscher Aktienindex in Punkten 13 292 Pkt.


1.1.2018 7.11.


14 000


13 000


12 000


11 000


10 000


132,3 Mrd €


2010 2019


140


130


120


110


100


90


80


Überwiegend freundlich
Gewinne vor Steuern und Zinsen (Ebit) Juli - Sept. in Mio. Euro 3. Quartal 2019


Gesamtgewinn (Ebit)
der 30 Dax-Konzerne
in Mrd. Euro

Volkswagen
Dt. Telekom
Allianz
Daimler
BMW
Siemens
SAP
BASF
Bayer*
Linde
Dt. Lufthansa
Fresenius
Munich Re
Adidas
Deutsche Post
Heidelberg Cement
Henkel
Continental
Merck
FMC
Deutsche Börse
Infineon
Covestro
MTU Aero Engines
Wirecard
Vonovia
RWE
Deutsche Bank
Beiersdorf
Eon

2 711
2 530
3 000
2 488
1 722
1 408
1 236
1 395
1 195
k. A.
1 313
1 041
1 040
901
327
749
833
848
491
592
331
370
707
174
121
281


  • 506
    k. A.
    328


Unternehmen 2018
4 541
3 058
2 937
2 694
2 289
2 185
1 679
1 376
1 228
1 188
1 133
1 129
980
897
892
888
844


599
362
287
221
193
173
103





  • k. A.
    k. A.




2019
+
+


































  • 














































% % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % % %


Änderung


HANDELSBLATT *Daten bereinigt um Sondereffekt aus dem Vorjahr von 3,8 Mrd. Euro aus dem Verkauf
von Firmenanteilen von Bayer an BASF • Quellen: Unternehmen, Bloomberg, EY, HRI


der Dax-Konzerne*
Veränderung zum Vorjahr
in Prozent

Umsatz


Gewinn/Ebit


Mitarbeiter-
zahl

+7 %


+15 %


+0,9 %


Prognose


Für eine


wirkliche


Trendwende


ist es aber


noch zu früh.
Markus Wallner
Analyst Commerzbank

Konzerne trotzen Abschwung


WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216^7

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