im rechten Winkel vom Körper weg, mit
jedem Schritt setzt das Tier mit der Bruch-
stelle auf. Es wird eingeschläfert.
Am 25. Mai muss Wallach Kochees, 9,
aus seinem Rennen genommen werden,
nachdem er sich das linke Vorderbein ver-
letzt hat. Später stellen Ärzte fest, dass
der Blutfluss im Bein irreparabel gestört
ist. Kochees wird eingeschläfert.
Am 19. Oktober zieht sich der dreijäh-
rige Wallach Satchel Paige bei einem Ren-
nen einen offenen Beinbruch zu. Er wird
eingeschläfert.
Die Geschichten stehen stellvertretend
für die 36 Pferde, die seit Weihnachten
2018 bis Anfang dieser Woche in Santa
Anita an den Folgen von Renn- und Trai-
ningsunfällen starben. Nummer 35, G Q
Covergirl, vergangene Woche Freitag. Nur
zwei Tage später folgte Nummer 36: Bye
Bye Beautiful. Als hätte es der Namens -
geber der Stute kommen sehen.
Galoppierende Pferde wirken kraftvoll,
majestätisch. Doch ein Fehltritt kann fatale
Folgen haben. Frakturen der Extremitäten
kommen bei Pferden oft einem Todesurteil
gleich, denn die Heilungschancen sind ge-
ring. Ein Problem ist die wochenlange
Schonhaltung der Fluchttiere nach der
Operation, die zu weiteren Komplikatio-
nen führen kann. Meist werden die Pferde
daher unmittelbar nach ihrem Unfall ge-
tötet.
Während der Rennen folgen Veterinäre
den Tieren in einem Krankenwagen, sie
sind bei einem Sturz innerhalb von Se-
kunden bei den Pferden, entscheiden je
nach Lage über eine sofortige Einschläfe-
rung, ohne Rücksprache mit dem Besitzer.
Das Setzen der erlösenden Spritze kann
für die Helfer traumatische Auswirkungen
haben. »Ich konnte früher zwei Tage da-
nach nicht schlafen«, sagt Dionne Benson,
die Chefveterinärin; ihre sonst strengen
Gesichtszüge scheinen sich für einen Mo-
ment zu entspannen. Studien belegen,
dass die Selbstmordrate unter amerikani-
schen Tierärzten mehr als doppelt so hoch
liegt wie im Durchschnitt der Bevölke-
rung.
Benson trat ihren Job im April bei der
Stronach Group an, der Betreibergesell-
schaft von Santa Anita. Der Auftrag: Ben-
son soll helfen, die verheerende Todesserie
zu beenden. Seitdem verantwortet sie die
medizinische Abteilung von fünf Pferde-
rennbahnen in vier Bundesstaaten. Keine
fordert sie so wie Santa Anita.
Als Anfang des Jahres innerhalb weni-
ger Wochen rund 20 Tiere starben, wurde
Santa Anita zum Symbol für alles, was im
Rennsport schiefläuft. Zwischenzeitlich
wurde die Anlage gesperrt, Experten ana-
lysierten den Streckenbelag, vermuteten
darin eine Ursache für die vielen Verlet-
zungen. Doch auch nach der Wiedereröff-
nung ging das Sterben weiter.
Benson installierte ein Team von Vete-
rinären, das bei jedem Training und Ren-
nen die Pferde inspiziert. Wenn das Tier
im Trab zu sehr den Kopf hebt und senkt,
könnten die Vorderbeine betroffen sein.
Ungleichmäßige Rückenbewegungen las-
sen auf Probleme mit den Hinterbeinen
schließen. »Fällt uns etwas auf, nehmen
wir das Tier von der Rennbahn«, sagt Ben-
son, »und es darf erst wieder rauf, wenn
wir sicher sind, dass alles in Ordnung ist.«
Die Trainer und Besitzer der Pferde hätten
sich ihrem Urteil zu beugen. Fünf Tiere
ziehe sie so im Schnitt pro Woche heraus.
Ob es nützt?
Seit Bensons Amtsantritt gab es auf der
Anlage 13 weitere Todesfälle. Eine Zahl,
die Menschen emotionalisiert.
Heather Wilson hält vor einem der Ein-
gänge einen Grabstein aus Styropor in die
Höhe. »Horse Racing« steht auf ihrem
schwarzen Top, wobei »Racing« durchge-
strichen und durch »Killing« ersetzt ist.
»Dieser Sport kann nicht gerettet werden«,
sagt Wilson. Die neuen Maßnahmen seien
nicht mehr als »Augenwischerei«. Wilson
DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019 103
SHUTTERSTOCK EDITORIAL
Rennen im Santa Anita Park