Der Spiegel - 02.11.2019

(Brent) #1

R


oland Emmerich blickt unter dem
Schirm seiner Basecap hervor und
sagt: »Wo sind eigentlich die nor-
malen Leute hin? Auf der Leinwand sehe
ich nur noch Superhelden.«
Es ist Mitte Mai, der 63-jährige Regis-
seur ist beim Festival in Cannes, um Aus-
schnitte aus seinem Kriegsepos »Midway –
Für die Freiheit« zu zeigen. Er sitzt in ei-
nem Bürogebäude am Prachtboulevard
Croisette und blickt auf das Festivalpalais.
Während dort die Filmkunst gefeiert
wird, erzählt er, wie er die 100 Millionen
Dollar für »Midway« zusammenbekom-
men hat, wie die Partnersuche für einen
Großfilm läuft. Und doch wirkt er weniger
abgehoben als viele der Regisseure, die im
Palais ihre Low-Budget-Werke präsentie-
ren. Ein Otto-Normalfilmer unter Genies.
»Midway«, der nun in die deutschen
Kinos kommt, ist wie fast immer bei Em-
merich ein Spektakel mit vielen visuellen
Effekten und zugleich eine Hymne auf ein-
fache Menschen, die Großes leisten. Mo-
numentales Kleine-Leute-Kino.
Der Film erzählt von einer entscheiden-
de Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Im
Juni 1942, ein halbes Jahr nach dem An-
griff der Japaner auf Pearl Harbor, besiegte
die U. S. Navy bei den Midway-Inseln ja-
panische Verbände und sorgte damit für
die Wende im Pazifikkrieg.
Emmerich zeigt in »Midway« Bomber-
piloten im Sturzflug und Schiffe, die in den
Fluten versinken. Doch der Zuschauer
sieht auch, wie Soldaten auf dem Deck
eines Flugzeugträgers den Schrott einer
notgelandeten Maschine aufsammeln.
So war das bei Emmerich schon immer.
Er macht Kino mit kindlicher Zerstörungs-
freude – aber es ist klar, dass die Spielzeu-
ge am Ende wieder aufgeräumt werden
müssen. Erst Chaos, dann Ordnung. Der
Regisseur, der seit Langem in Los Angeles
lebt, ist Schwabe durch und durch.
1955 in Stuttgart-Obertürkheim gebo-
ren, gehört er zu Hollywoods erfolgreichs-
ten Regisseuren. Allein seine drei Block-
buster »Independence Day« (1996), »The
Day After Tomorrow« (2004) und »2012«
(2009) haben zusammen mehr als zwei
Milliarden Dollar eingespielt.
Ende der Siebzigerjahre fing Emmerich
an, in München Film zu studieren. Er woll-
te ein Unterhaltungskino machen, das die
deutsche Wirklichkeit hinter sich lässt. In-


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Kultur

Endlich unabhängig


FilmeDer deutsche Blockbuster-Regisseur Roland Emmerich kann mit Superhelden
nichts anfangen und macht stattdessen Monumentalkino. Sein Epos

»Midway« erzählt von einer entscheidenden Seeschlacht des Zweiten Weltkriegs.


STEFFEN JÄNICKE / DER SPIEGEL
Filmemacher Emmerich: Schwäbischer Sparfuchs im Reich der Verschwendung
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