spiriert von den »Star Wars«-Filmen, dreh-
te er den Science-Fiction-Thriller »Das Ar-
che Noah Prinzip« (1984) in einer stillge-
legten Waschmaschinenfabrik.
Während ein Autorenfilmer wie Wim
Wenders den Helden seines Films »Paris,
Texas« auf einen Selbstfindungstrip in die
Wüste schickte, erzählte Emmerich von
Astronauten, die auf einer Raumstation
herausfinden, wie sich das Klima auf der
Erde steuern lässt.
Die deutsche Kinokultur, die lieber
am Boden blieb, hatte für einen wie ihn
aber keinen Platz. Er ging in die USA, be -
kam Aufträge aus Hollywood und drehte
20 Jahre nach seinem Debüt erneut einen
Film über das Klima, »The Day After
Tomorrow«. Einspielergebnis: mehr als
eine halbe Milliarde Dollar.
Emmerich, der offen schwul lebt und
sich für die LGBT-Bewegung einsetzt, lock-
te deutsche und österreichische Talente in
die USA, darunter Volker Engel, Spezialist
für visuelle Effekte, Drehbuchautor und
Komponist Harald Kloser sowie Kamera-
frau und Regisseurin Anna Foerster.
Seine Schwester Ute kümmert sich ums
Finanzielle. Es scheint, als umgebe sich
Emmerich mit Freunden und Verwandten,
um einen Puffer zu haben gegen den Irr-
sinn der Filmindustrie. Er ließ seine Hei-
mat nicht hinter sich, sondern nahm sie
mit über den Atlantik.
Bis heute dreht er Blockbuster mit der
Mentalität eines schwäbischen Sparfuch-
ses. »Bei mir sieht man das Geld auf der
Leinwand«, sagt er stolz. Hollywoods Ver-
schwendungssucht ist ihm fremd – genau
dafür wird er geschätzt.
Wobei es zuletzt dann doch nicht mehr
ganz so gut für ihn lief. Der zweite Teil sei-
nes größten Hits »Independence Day«
blieb hinter den Erwartungen zurück, klei-
nere Filme wie das Drama »Stonewall«
fanden kaum Zuschauer.
Eigentlich habe er »Midway« schon vor
vielen Jahren drehen wollen, erzählt er,
Ende der Neunziger, nachdem er eine
Dokumentation über die Schlacht im
Pazifik gesehen hatte. Damals versuchte
er, Columbia Pictures für das Projekt zu
gewinnen. Doch das Studio, zu der Zeit
bereits Teil des japanischen Konzerns
Sony, stellte Emmerich ein zu kleines
Budget zur Verfügung. »Es hätte nicht
gereicht, vor allem nicht für die aufwendi-
gen visuellen Effekte.«
Dann kam Regisseur Michael Bay und
drehte »Pearl Harbor«, ein ultrapatrioti-
sches Epos über den japanischen Angriff
auf die US-Flottenbasis auf Hawaii. Der
Film kam wenige Monate vor dem 11. Sep-
tember 2001 in die Kinos und spielte fast
eine halbe Milliarde Dollar ein.
»Als ich den Film sah, war ich fassungs-
los«, erinnert sich Emmerich. »Die haben
nicht mal die richtigen Flugzeuge benutzt,
sondern Spitfires, die nie dort geflogen
sind. Unverschämt!« Auch die simple
Sichtweise des Films, der die Amerikaner
zu Helden und die Japaner zu Bösewich-
tern stemple, nervte ihn.
Allerdings gehört Emmerich selbst zu
den großen Fahnenschwenkern des US-
Kinos. Vielen amerikanischen Regisseuren
wäre es peinlich, so oft Bilder der wehen-
den Stars and Stripes zu zeigen. Man dürfe
das nicht so ernst nehmen, wiegelt Emme-
rich ab, das sei doch oft ironisch gemeint.
Man könne die Welt in einem Holly-
woodfilm nicht mehr nur aus Sicht der
USA betrachten, sagt er. »Wer heute einen
Kriegsfilm dreht, bei dem am Ende nur
die eine Seite jubelt, macht nicht den rich-
tigen Film für unsere Zeit.« Er wolle in
»Midway« den Japanern ebenfalls gerecht
werden und die Schlacht auch aus ihrer
Perspektive zeigen.
Früher habe er Projekte wie »Indepen-
dence Day« oder »The Day After Tomor-
row« an die großen Studios versteigert, er-
zählt Emmerich. Sie hätten ihm das Geld
gegeben, und er habe den Film gedreht,
der ihm vorschwebte.
Bei »Midway« sei die Finanzierung
schwieriger gewesen, sagt er. »Wenn du ei-
nen Superheldenfilm machst, geben sie dir
300 Millionen Dollar, aber vor Original-
stoffen haben sie Angst.« So sammelte er
sich das Budget weltweit zusammen, auch
in Deutschland und China.
Emmerichs Filme brachten außerhalb
der USA oft viel mehr Geld ein als in den
Staaten selbst, bei seinem Weltuntergangs-
schocker »2012« sogar fast 80 Prozent des
weltweiten Box Office von knapp 800 Mil-
lionen Dollar. Das heißt für ihn: Er braucht
Hollywood kaum noch, um Hollywood -
filme zu machen. »Ich bin jetzt unabhän-
gig«, sagt er und grinst.
Er hat diesmal US-Schauspieler wie
Woody Harrelson und Luke Evans ver-
pflichtet, aber auch einen japanischen
Star wie Tadanobu Asano. Emmerich
macht den Zuschauer in »Midway« zum
Grenzgänger zwischen den Fronten.
Über dem Ende des Films liegt ein Gefühl
der Trauer statt des Triumphs. Die
Schlacht hat rund 3400 Menschen das
Leben gekostet.
»Als ich gefragt wurde, warum ich die-
sen Film unbedingt machen möchte, habe
ich gesagt: Ich will Piloten zeigen, die im
Sturzflug in die Tiefe rasen und beim An-
griff ihr eigenes Leben riskieren. Heute
machen wir das fast alles mit Raketen oder
Drohnen, doch damals saßen Menschen
in diesen Maschinen.«
Natürlich versucht Emmerich auch, im
richtigen Moment die richtigen Knöpfe zu
drücken, um große Gefühle zu erzeugen.
Schließlich steht sein Name für ein Ach-
terbahnkino, das die Zuschauer nach ei-
nem wilden Ritt so optimistisch wie mög-
lich wieder in den Alltag entlässt.
Diesmal leistet er sich sogar einen hüb-
schen Moment der Selbstironie. In »Mid-
way« zeigt er den legendären Hollywood-
regisseur John Ford, der den Pazifikkrieg
damals als Dokumentarfilmer für die
Nachwelt festhielt. In einer kurzen Szene
bittet Ford, gespielt von Geoffrey Blake,
die GIs mitten im Gefecht, die US-Flagge
für seine Kamera ein weiteres Mal zu his-
sen. Beim ersten Mal sah es noch nicht gut
genug aus. Lars-Olav Beier
DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019 137
Video
Ausschnitte aus »Mid-
way – Für die Freiheit«
spiegel.de/sp452019film
oder in der App DER SPIEGEL
UNIVERSUM FILM
Szene aus »Midway«: Am Ende muss der Dreck wieder weggeräumt werden