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Abgehoben
Geflogene Personenkilometer
weltweit in Milliarden
30 000
20 000
10 000
2010 2030 2050
Prognose: wahrscheinlichstes
Szenario mit jährlichem Zu-
wachs um 4,4 %; Quelle: UBA
D
ie Boeing 787-9 war mehr als 19
Stunden lang in der Luft, von New
York bis nach Sydney, 16 200 Kilo-
meter ohne Zwischenlandung. Es war ein
Testflug, den die australische Fluglinie
Qantas vor zwei Wochen als »bedeutende
Premiere für die Luftfahrt« feierte. Ziel sei
es, einen regulären Nonstop-Linienflug an-
zubieten, um noch schneller von einer Sei-
te der Welt auf die andere reisen zu kön-
nen, kündigte das Unternehmen an.
Immer mehr, immer schneller, immer
weiter – im Luftverkehr gilt das Ideal
des ungebremsten Wachstums beinah
noch so, als gäbe es die Debatte um Kli-
maerwärmung nicht. 4,3 Milliarden Pas-
sagiere wurden 2018 weltweit befördert,
rechnerisch etwa jeder zweite Bewohner
der Erde. Der Flugverkehr werde weiter
wachsen, prognostiziert die internationale
Zivilluftfahrt-Organisation ICAO, um bis
zu 4,8 Prozent pro Jahr. Für das Jahr 2030
wird in Deutschland mit 175 Millionen
Fluggästen gerechnet, heu-
te sind es rund 120 Mi -
llionen.
Aufhalten lassen wird
sich der Trend nicht, trotz-
dem kann die Fliegerei
vielleicht etwas weniger
klimaschädlich werden.
Das jedenfalls hoffen Ex-
perten des Umweltbun-
desamts, die in der kom-
menden Woche in Berlin
ihr Konzept für den »Luft-
verkehr der Zukunft« vor-
stellen wollen. Ihre zen-
trale Botschaft: Fliegen
muss teuer werden und
stärker reguliert, um die
Folgen für das Klima, die Umwelt und die
Gesundheit der Anwohner einigermaßen
in Grenzen zu halten. »Es wäre schon ein
Fortschritt, die steuerliche Bevorzugung
des Fliegens gegenüber der Bahn zu been-
den«, sagt Martin Schmied, Leiter der Ver-
kehrsabteilung des Amtes.
Mehr als 50 Wissenschaftler und Fach-
leute der Umweltbehörde in Dessau
haben Studien und Daten zusammenge-
tragen. Sie räumen auch mit dem Miss-
verständnis auf, der Flugverkehr sei
nur zu einem kleinen Teil an der Entste-
hung von klimaschädlichen Gasen betei-
ligt. Es stimme zwar, dass derzeit etwa
2,5 Prozent des weltweiten CO
²
-Aus -
stoßes von Flugzeugen verursacht wer-
den. Aber die Triebwerke pusteten
noch andere Klimakiller und Schadstoffe
in die Atmosphäre, etwa Methan und
Lachgas. Außerdem wirkten die Gase in
der Reiseflughöhe der Passagierjets
zum Teil zwei- bis dreimal schädlicher
als am Boden. Unterm Strich sei der Luft-
verkehr heute mit fünf bis acht Prozent
an der globalen Klimaerwärmung betei-
ligt, Tendenz steigend.
Die Branche hat sich
auf Kritik vorbereitet
und argumentiert, sie
werde Mil liarden in spar-
samere Flugzeuge und
die Entwicklung alterna-
tiver Kraftstoffe investie-
ren, so der Bundesver-
band der Deutschen Luft-
verkehrswirtschaft. Nach
Einschätzung der Um-
weltbehörde reicht das
allerdings bei Weitem
nicht aus. Trotz der Ein-
führung neuer Maschi-
nen werde der CO
²
-Aus-
stoß durch die Flieger ins -
gesamt jährlich um zwei
bis drei Prozent steigen. Eine Strategie für
grüneres Fliegen heißt nach Ansicht der
Forscher auch Verzicht. Die Wissenschaft-
ler schlagen vor,
‣ Kerosin besteuern zu lassen und auch
andere Steuerlücken zu schließen. Bis-
lang müssen, nach einem Abkommen
von 1944, auf den Flugtreibstoff keine
Steuern gezahlt werden, wodurch Flie-
gen im Vergleich zum Bahn- und Stra-
ßenverkehr stark bevorzugt wird. Zu-
sätzlich sind internationale Flüge von
der Mehrwertsteuer befreit. Würde man
diese beiden Subventionen abschaffen,
hätte allein Deutschland zusätzliche Ein-
nahmen von mehr als zwölf Milliarden
Euro, die in die Entwicklung klimascho-
nender Technologien gesteckt werden
könnten, so das Amt;
‣ einen Teil dieser Steuereinnahmen da-
für zu verwenden, Bahnverbindungen
zwischen Ballungsräumen so gut auszu-
bauen, dass Fliegen auf Kurzstrecken
überflüssig wird;
‣ Flughäfen nicht mehr allein in Verant-
wortung der Bundesländer zu planen,
sondern nach einem koordinierten
Konzept vom Bund. Das sei effizienter
und könne auch Lärmbelastungen min-
dern;
‣ dem Kerosin synthetischen Kraftstoff
aus klimaneutraler Herstellung beizu-
mischen, in einem ersten Schritt schon
mal zu zehn Prozent.
19 Stunden lange Nonstop-Flüge nach
Australien sollten keine reguläre Ver -
bindungen werden, fordern die Experten
im Umweltbundesamt darüber hinaus. Da
die Maschinen auf weiten Reisen viel
schweren Treibstoff mitnehmen, den sie
fast vollständig in Reiseflughöhe verbren-
nen, seien solche Routen besonders klima-
schädlich.
Untersuchungen zeigten, dass der
Kerosinverbrauch bei gängigen Langstre-
ckenmaschinen durch Zwischenstopps
nach etwa 5500 Kilometer Streckenlänge
verringert werden könne. Die Fachleute
schlagen vor, das Tankvolumen der Flug-
zeuge gesetzlich zu begrenzen. Das ver-
hindere nicht nur ineffiziente Ultralang-
flüge, sondern es schaffe auch Anreize,
sparsamere Modelle zu entwickeln.
Matthias Bartsch
Mail: [email protected]
Grüner
fliegen
Verkehr Mehr Steuern, alterna -
tive Kraftstoffe, mehr Zwischen-
landungen – das Umweltbundes-
amt zeigt, wie Luftverkehr
klimafreundlicher werden kann.
ROBERT GRAHN / EUROLUFTBILD.DE / PICTURE ALLIANCE / ZB
Passagiermaschinen am Berliner Flughafen Tegel: Verzicht muss Teil der Strategie sein