das Gespräch des Präsidenten im Situ -
ation Room des Weißen Hauses mitver-
folgt. Mehr als das: Er sagte aus, dass
Trump seine Wünsche an die Ukraine
deutlich konkreter formuliert habe, als
dies aus dem Transkript hervorgeht,
das vom Weißen Haus veröffentlicht wor-
den war.
Verbündete Trumps fragten, ob Vind-
mans Loyalität wirklich den USA gelte. Lau-
ra Ingraham, eine der unermüdlichsten
Trump-Verteidigerinnen im Fernsehsender
Fox News, erklärte den Offizier zum U-Boot
der ukrainischen Regierung. »Wir haben es
hier mit einem Beamten aus dem Sicher-
heitsapparat zu tun, der die Ukraine berät
und gleichzeitig im Weißen Haus arbeitet,
und zwar ganz offensichtlich gegen die In-
teressen des Präsidenten«, erklärte sie.
Trump unterstellte, Vindman sei ein
Feind seiner Regierung, und nannte ihn
einen »Never Trumper« – eine Kategorie
von Beamten und Politikern, die der Prä-
sident kurz zuvor als »menschlichen Ab-
schaum« beschimpft hatte. »Wir haben
es hier mit einer Gruppe von Bürokraten
zu tun, die den Präsidenten zu Fall brin-
gen will«, sagte Stephen Miller, einer der
engsten Berater des Präsidenten. »Die
Bürger stehen vor einer einfachen Ent-
scheidung: Wollen sie eine Diktatur der
Bürokraten, oder wollen sie eine Demo-
kratie?«
Es ist eine perfide Umkehrung der Tat-
sachen: Offiziere wie Vindman und Diplo-
maten wie Yovanovitch riskieren als Zeu-
gen vor dem Kongress ihre Karriere. Denn
das Weiße Haus hat schriftlich jede Koope-
ration mit den dortigen Ermittlern unter-
sagt. Die Vertreter des »deep state« de-
monstrieren dem Land gerade, was es
heißt, selbstlos für die Werte der Verfas-
sung einzutreten.
Kein Wunder also, dass nun zumindest
einige Republikaner ins Grübeln kommen.
Wie soll man von Soldaten verlangen, un-
ter Einsatz des Lebens das Land zu vertei-
digen, wenn der Präsident seine eigenen
Leute als Verräter verunglimpft? »Wir re-
den hier über dekorierte Kriegsveteranen,
die diesem Land gedient und dafür ihr Le-
ben aufs Spiel gesetzt haben. Es ist eine
Schande, ihren Patriotismus und ihre Lie-
be zu unserem Land infrage zu stellen, und
wir sollten dabei nicht mitmachen«, sagte
die republikanische Kongressabgeordnete
Liz Cheney, Tochter des ehemaligen Vize-
präsidenten Dick Cheney.
Bisher ist sie allerdings eine eher einsa-
me Stimme. Einflussreiche Republikaner
wie Lindsey Graham oder McConnell hal-
ten nach wie vor eisern zu Trump. Aus
Angst um ihren Einfluss kuschen sie vor
einem Präsidenten, der jene Werte ver-
höhnt, deren Verteidigung sie von anderen
ganz selbstverständlich verlangen.
20 republikanische Senatoren müssten
zu den Demokraten überlaufen, damit
eine Zweidrittelmehrheit für eine Amts-
enthebung zustande kommt. Das wird –
wenn überhaupt – nur dann geschehen,
wenn sich die Stimmung weiter gegen
Trump dreht.
Schon bei Richard Nixon war das Im-
peachment-Verfahren vor allem eine
Schlacht um die öffentliche Meinung. Zu
Beginn der Watergate-Affäre waren nur
19 Prozent der befragten Amerikaner der
Meinung, der Präsident müsse abtreten.
Nixons Schicksal war im Sommer 1974 al-
lerdings besiegelt, als 57 Prozent seinen
Rücktritt forderten. René Pfister
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MANDEL NGAN / AFP
Offizier Vindman (M.) vor dem US-Kapitol: Verunglimpft als U-Boot der Ukraine