Die Welt - 02.11.2019

(Brent) #1

önnen Sie sich vorstellen, dass Ihnen ein


AAAutomobilhersteller davon abrät, seineutomobilhersteller davon abrät, seine


AAAutos zu kaufen? Wohl kaum. Aber genauutos zu kaufen? Wohl kaum. Aber genau


das geschieht derzeit in der Zigarettenin-


dustrie: Jahrzehntelang verlieh der Marl-


boro-Cowboy aus dem Hause Philip Morris der Marke


den Duft von Freiheit, doch damit ist es nun vorbei.


Der Tabakriese will sich zum Nicht-Rauch-Konzern


wandeln. In seiner „Unsmoke“-Kampagne ruft er des-


halb zum Rauchverzicht auf – und diejenigen, die nicht


aufhören wollen, zum Wechsel.


„Wir wollen eine rauchfreie Zukunft – ohne Wenn


und Aber“, sagt Markus Essing, Deutschlandchef von


Philip Morris. Damit vollzieht der Konzern einen radi-


kalen Wandel. Bis zur Rauchfreiheit ist es aber noch


ein langer Weg, greifen doch trotz aller Warnungen


und Ekelbilder auf Verpackungen noch immer 1,1 Milli-


arden Menschen weltweit regelmäßig zur Zigarette.


„Allein bei uns in Deutschland rauchen aktuell 17 Mil-


lionen Menschen, und Umfragen zeigen, dass 70 bis 80


Prozent von ihnen erst gar nicht versuchen, damit auf-


zuhören“, so Markus Essing. Daher müsse bei Rau-


chern „ein neues Bewusstsein geschaffen werden“.


Wie kann das aussehen? Wer nicht verzichte, sollte


sich zumindest neu orientieren können – Innovatio-


nen wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer machten das


möglich. Sie seien „erwiesenermaßen weniger schädli-


che Alternativen“ zur Zigarette. Essing: „Deshalb ha-


ben wir uns entschieden, unser Geschäft komplett auf


Links zu ziehen.“ Man sei vom Tabakkonzern zum


„forschenden Hightech-Unternehmen geworden“.


Ziel sei es, die Tabakverbrennung, den schädlichsten


Teil des Rauchens, Geschichte werden zu lassen. In


den vergangenen elf Jahren hat der Konzern laut Es-


sing mehr als sechs Milliarden Dollar in diese Arbeit


investiert. Hierzulande hat der Hersteller Ende Mai


2017 den Tabakerhitzer „Iqos“ eingeführt, der Tabak-


sticks auf knapp unter 350 Grad Celsius erhitzt. Da-


durch entsteht nikotinhaltiger Dampf.


Die Iqos-Werbeplakate preisen zum Beispiel „Au-


genblicke ohne Zigarettenrauchgeruch“ als „einfach


großartig“. Nanu – spricht da ein Tabakkonzern? Die


lächelnde Frau darauf erinnert nicht im Geringsten an


die „Marlboro-Männer“, und erst Recht nicht an das


Schicksal einiger ehemaliger Darsteller der Werbefigur.


So sind David Millar, Wayne McLaren, David McLean


und Eric Lawson an den Folgen von Lungenkrankhei-


ten gestorben. Letzterer wurde immerhin 72 Jahre alt.


Wie nehmen deutsche Raucher das neue Produkt


an? Essing ist „sehr zufrieden“, nennt indes keinen


kompletten Marktanteil für Deutschland. Man errei-


che in ausgewählten Ballungsräumen und Fokusstäd-


ten wie München „bereits 3,3 Prozent Marktanteil“. In


der Fläche „brauchen wir zwar noch etwas Zeit“, aber


es handele sich ja um eine komplett neue Produktkate-


gorie, die den Konsumenten erst erklärt werden müs-


se. Dazu kommt, inwieweit Verbraucher Philip Morris


diesen dramatischen Image- und Wertewandel abkau-


fffen. Auf dem WELT-Transformationsgipfel in Berlinen. Auf dem WELT-Transformationsgipfel in Berlin


sagte Essing über die Erfahrungen des Konzerns mit


dem bisherigen Wandel: „Transformation ist schmerz-


haft. Wer das nicht spürt, muss schmerzbefreit sein.


Oder aber er ist die Transformation nicht heftig genug


angegangen.“


Der gesundheitsorientierte Bewusstseinswandel in


der Gesellschaft beschäftigt auch die übrigen Herstel-


ler von Tabakprodukten. Das zeigt ein Blick auf den


BBBVTE Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuar-VTE Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuar-


tiger Erzeugnisse, dem Philip Morris allerdings nicht


angehört. „Fast alle Verbandsmitglieder sind schwan-


ger gegangen mit dem Thema Transformation“, sagt


BBBVTE-Hauptgeschäftsführer Jan Mücke. HauptgrundVTE-Hauptgeschäftsführer Jan Mücke. Hauptgrund


seien die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens.


Mücke: „Für uns ist die Souveränität der Verbraucher


das Wichtigste. Ihnen ist zu überlassen, welches Ge-


nussmittel sie wählen.“


Hatte Philip Morris 2017 laut BVTE-Berechnungen


einen Marktanteil von 37,08 Prozent am hiesigen Zi-


garettenmarkt, stand Reemtsma mit 23,78 Prozent an


zweiter und BAT mit 19,60 Prozent an dritter Stelle.


Reemtsma ist nach Unternehmensangaben im März


2 018 in den deutschen E-Zigarettenmarkt eingestie-


gen und innerhalb der Gruppe Imperial Brands seit


2 009 mit der Marke „blu“ in den weltweit größten E-


Zigarettenmärkten aktiv. BAT hat Ende 2015 „als ers-


tes großes Tabakunternehmen eine E-Zigarette auf


den deutschen Markt gebracht“, sagt Sprecherin Ka-


rin Schlömer. Schon 2012 hatte die Gruppe eine Stra-


tegie eingeführt, die Genussmomente beim „Tabak-


konsum und darüber hinaus“ ermöglichen will. Unter


dem Motto „Transforming Tobacco“ entwickelt und


vertreibt der Konzern ein Portfolio potenziell risiko-


reduzierter Produkte.


Nun stellt sich die Frage, ob die Hersteller mit ih-


ren neuen Produkten, deren langfristige Folgen für


die Gesundheit noch nicht absehbar sind, in den


nächsten schwierigen Markt eingetreten sind. Jan


Mücke sieht das nicht so: „Leider ist der positive


Trend bei E-Zigaretten durch bedauerliche Vorfälle in


den USA unterbrochen worden. Aber die US-Verbrau-


cher haben Liquids mit illegalen Substanzen wie


THC-Ölen gepanscht – das ist mit unserer Situation


nicht vergleichbar.“ Markus Essing bleibt allgemeiner


und sagt, die aktuellen Unsicherheiten zeigten, wie


wichtig es sei, dass sich Politik und Regulierungsbe-


hörden „mit den neuen schadstoffreduzierten Alter-


nativen zur Zigarette auseinandersetzen“ müssten.


Eine Branche


steht unter


Volldampf


Die Tabakindustrie durchläuft einen


existenziellen Wandel. Marktführer


Philip Morris ändert sein Geschäft


grundlegend und propagiert nun


eine rauchfreie Zukunft


VON CHRISTINA ANASTASSIOU

FFOTO: GETTY IMAGES/CLIQUEIMAGES; ALBUM COVER DESIGN: JAQUES BAGIOSOTO: GETTY IMAGES/CLIQUEIMAGES; ALBUM COVER DESIGN: JAQUES BAGIOS

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DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT SAMSTAG,2.NOVEMBER2019 UNTERNEHMEN IM WANDEL 3


Im Berliner Verlagshaus von Axel Springer haben sich


Firmenlenker, Vertreter von Verbänden, politische


Entscheider und Zukunftsforscher getroffen, um über


den weltweiten Veränderungsdruck zu diskutieren.


Beim ersten WELT-Transformationsgipfel ging es


nicht nur um die allgegenwärtige Digitalisierung, son-


dern speziell um die auf vielen Ebenen gleichzeitig ab-


laufenden, globalen Umwälzungen und die damit für


Unternehmen verbundenen Herausforderung und Un-


wägbarkeiten. cle


Suche nach Antworten auf


dem Gipfel der Entscheider


Der Deutschlandchef von Philip Morris, Markus Essing,


im Gespräch beim WELT-Transformationsgipfel


VIVIANE WILD / VIVIANEWILD.COM

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