Süddeutsche Zeitung - 02.11.2019

(Barré) #1

Belgorod


Boeing 747


zum Größenvergleich
Die Boeing 747 -8Iist die aktuellste Version des Jumbo-Jets,
der Königin der Lüfte. Die 76,3 Meter lange Maschine soll
auch Basis der neuen Air Force One werden.

XLUUV


Die USA haben im Frühjahr 2019 den Bau von
vierextragroßen unbemannten Unterwasser-
vehikeln – kurz:XLUUV– in Auftrag gegeben.
Boeing soll die gut 15 Meter langen Drohnen
bauen, die womöglich auch mit Torpedos oder
sogar Marschflugkörpern ausgestattet
werden könnten.

U212A-Klasse


Deutschlands modernste U-Boote, die Modelle der 56 Meter
langenU212A-Klasse, zählen derzeit zu den leisesten und am
schwersten zu ortenden U-Booten weltweit.

Losharik
Unter dem Rumpf vonBelgorodsoll
Losharikhängen – ein geheimnisvolles,
70 Meter langes Mini-Atom-U-Boot.

DieUSS Nautiluswar das erste Atom-U-Boot der Welt.
Das 97,5 Meter lange Boot stach im Januar 1955 in See.

USS Nautilus


Blekinge
Die neueste Generation schwedischer U-Boote, die Blekinge-Klasse
mit63 Meter Länge, kann dank sogenannter Stirlingmotoren
18 Tage lang ohne Frischluftzufuhr unter Wasser umherschleichen.

Oryu
In Japan sollen in den 84 Meter langenOryu-U-Booten erstmals
Lithium-Ionen-Akkus für den Antrieb zum Einsatz kommen. Details
sind bislang allerdings nicht bekannt.

Länge


178m


Die Belgorod im Vergleich


Den neuesten U-Booten


auf den Fersen


Durchmesser Rumpf


15 m 13 m


Verdrängung unter Wasser


24000 t 20 800t


Bewaffnung


6 Torpedos 16 Raketen


Höchstgeschwindigkeit ca.


32 Knoten unbekannt


ZahlCrewmitglieder


110 115


Tauchtiefe


1700 Fuß


ca.500 m


800 Fuß


ca.250m


RUSSLAND


171 m


BELGOROD – Russland


BELGOROD


COLUMBIAKLASSE* (in Entwicklung) – USA


COLUMBIAKLASSE


Der U-Boot-Experte und Buchautor H I Sutton hat die auf dieser
Seite zu sehenden technischen Zeichnungen extra für die
Süddeutsche Zeitungangefertigt. Auf seinem Blog „Covert Shores“,
erreichbar unter http://www.hisutton.com, sammelt er zahlreiche Bilder,
Zeichnungen, technische Daten und Gerüchte zu Hunderten
U-Booten und deren Waffensystemen. Auf seiner Internetseite
verfolgt er die Entwicklung der Unterwasser-Militärtechnik
weltweit und zeigt, wie sich Staaten unter der Meeresoberfläche
seit Jahrzehnten ein gigantisches Wettrüsten liefern.

SZ-Grafik; Illustrationen: Covert Shores (www.hisutton.com)

Mensch
Größe ca. 1,80 m

Torpedo Poseidon


24 m


Länge


2m


Durchmesser


2 Megatonnen


Sprengkraft


E

in Forschungs-U-Boot sollte es
werden. Eine schwimmende
Wissenschaftsplattform, voll
mit Experimenten, mit Drohnen
und Unterwasserrobotern. Es
sollte den Meeresboden vermessen, in den
tiefsten Tiefen nach Mineralien suchen,
Kommunikationsanlagen aufbauen. Das
zumindest versprachen russische Medien.
Eine Vernichtungsmaschine ist es gewor-
den. Das längste U-Boot der Welt, ausge-
rüstet mit der tödlichsten aller Waffen. Sie
soll – einmal abgefeuert – laut- und spur-
los ihr Ziel suchen, sich nicht abwehren las-
sen und feindliche Küstenstädte unter ei-
nem radioaktiven Tsunami begraben.
Auch das versprechen russische Medien.
Die Wahrheit, sie ist weitgehend ver-
deckt – unter Planen und hinter Docktü-
ren – als Russland im Frühjahr sein neu-
estes U-Boot präsentiert. Soldaten stehen
Spalier, Präsident Putin ist per Video zuge-
schaltet, ausgewählte Fotografen schießen
ausgewählte Fotos. Sie zeigen wenig. Doch
das, was sie zeigen, ist beeindruckend:Bel-
gorod, so der Name des Ungetüms, ist mit
178 Metern so lang wie zweieinhalb Jumbo-
Jets. Sein Rumpf hat einen Durchmesser
von geschätzt 15 Metern. Seine beiden Pro-
peller werden von zwei Atomreaktoren an-
getrieben. Ein Forschungs-U-Boot? Eine
Vernichtungsmaschine? Vielleicht sogar
beides?
Sicher ist: Die U-Boot-Welt befindet
sich im Wandel, nicht nur, aber vor allem
in Russland. Erst diese Woche kursierte
das Gerücht, dass Russland das größte
U-Boot-Manöver seit dem Kalten Krieg
gestartet hat. Neben politischem Säbel-
rasseln geht es dabei stets auch um neue
Technologien. Denn sie ermöglichen Auto-
nomie, Digitalisierung, elektrische An-
triebe. Aber auch eine neue Art der Kriegs-
führung. Bislang war die Hierarchie unter
Wasser klar. Ganz oben in der militäri-
schen Nahrungskette standen traditionell
U-Boot-Giganten, die gleich doppelt auf
die Kraft der Kernspaltung setzen: In ihren
Silos schlummern Interkontinentalrake-
ten, die im Kriegsfall an die Wasseroberflä-
che katapultiert und dort eine Flugbahn
Richtung Feindesland einschlagen sollen –
mitsamt ihren atomaren Sprengköpfen.
Und im Heck der Boote werkeln Atomreak-
toren, um Energie zu erzeugen. Ihr Einsatz
ist elitär. Zwar betreiben mehr als drei Dut-
zend Länder Militär-U-Boote, lediglich
sechs Nationen haben darin allerdings
Atomreaktoren verbaut. Deren spaltende
Fracht liefert große Mengen Energie und
erlaubt somit hohe Geschwindigkeiten.
Der Brennstoff muss nicht nachgetankt
werden; das hochangereicherte Uran mo-
derner Atom-U-Boote reicht vielmehr für
die gesamte Lebensdauer von bis zu
40 Jahren. Vor allem aber benötigen die
Reaktoren – anders als Verbrennungsmo-
toren – keine Frischluft. Atom-U-Boote
können somit monatelang unentdeckt un-
ter Wasser bleiben. Sie müssen nur auftau-
chen, um Nachschub zu laden.
Ausdauernd, unsichtbar, immer einsatz-
bereit. Es ist genau das, was für „Abschre-
ckung“ und für die „sichere gegenseitige
Vernichtung“ benötigt wird – wie es in der
Nuklearlogik der Militärs heißt. Ihre Prä-
misse: Selbst, wenn das Heimatland in
Schutt und Asche liegt, können U-Boote
noch immer zum Gegenschlag ausholen
und den Feind vernichten.
DochBelgorodist anders. Das Riesen-U-
Boot schippert – nach allem, was bislang
durchgesickert ist – keine Interkontinen-
talraketen durch die Ozeane. Stattdessen
hat es sechs angebliche Wundertorpedos
an Bord, 24 Meter lang, zwei Meter dick,
bis zu 140 Kilometer pro Stunde schnell.
Wobei „Torpedos“ eine Verniedlichung ist:
„Man kann sich diese Waffen vorstellen
wie Interkontinentalraketen in Torpedo-
form“, sagt U-Boot-Experte HI Sutton, Au-

tor des Blogs Covert Shores. Unter großem
Applaus hat Russlands Präsident Wladi-
mir Putin das atomare Unterwasser-
geschoss im März 2018 vorgestellt, zu-
sammen mit fünf anderen vermeintlichen
Vernichtungswaffen. In einer Online-Ab-
stimmung, ein Novum in der russischen
Militärgeschichte, wurde es schließlich
Poseidongetauft.
Einmal auf den Weg gebracht, soll sich
der Torpedo selbständig sein Ziel suchen
und, angetrieben von einem kleinen Atom-
reaktor, in bis zu 1000 Metern Tiefe unter-
wegs sein. Er wird dann Unterwasserberge
und andere Hindernisse umschiffen und
weit hinter den feindlichen Abwehrlinien,
direkt vor der Küste explodieren. Putin
preistPoseidonals Waffe, gegen die es kei-
ne Verteidigungsmöglichkeit gibt. Aller-
dings ist unklar, wie weit die Entwicklung
fortgeschritten ist. Beziehungsweise, ob es
Poseidonwirklich gibt oder ob er womög-
lich nur ein Papiertiger zur Abschreckung
ist. Russlands Militär teilt jedenfalls flei-
ßig Videos von angeblichen Tests.
Offen ist auch die Bewaffnung. H I Sut-
ton geht von einem Nuklearsprengkopf
mit einer Wucht von zwei Megatonnen aus


  • das 150-Fache der Atombombe, die im
    Zweiten Weltkrieg Hiroshima getroffen
    hat. Das wäre genug, um Küstenstädte wie
    New York und Los Angeles unter einer ra-
    dioaktiven Monsterwelle zu begraben. Der
    Sinn vonPoseidon, der von Murmansk bis
    New York mindestens 36 Stunden brau-
    chen würde, ist unter Experten dennoch
    umstritten. Am ehesten denkbar scheint
    der Einsatz als Vergeltungswaffe in der
    Endphase eines Atomkriegs. „DaPoseidon
    nicht auf Satelliten angewiesen ist und
    buchstäblich unter der feindlichen Ra-
    ketenabwehr kreuzt, garantiert er einen
    langsamen, unausweichlichen Tod“, so Sut-
    ton. „Als psychologische Waffe ist er bril-
    lant“, schreibt Verteidigungsanalyst Micha-
    el Peck im US-FachblattThe National Inter-
    est. „Der Gedanke an eine robotische Tsu-
    nami-Bombe, die am Meeresboden ent-
    langkriecht, klingt furchteinflößend, fast
    wie in einem Hollywood-Film.“


Auch die USA haben im Februar den Bau
von vier extragroßen unbemannten Unter-
wasservehikeln – kurz:XLUUV– in Auf-
trag gegeben. Boeing soll die gut 15 Meter
langen Drohnen bauen, die immer nur
kurz an die Oberfläche kommen, um neue
Kommandos entgegenzunehmen. An-
schließend gehen sie in bis zu drei Kilome-
tern Tiefe wieder ihrer Arbeit nach – zu-
nächst unbewaffnet. Die Navy denkt aber
bereits überXLUUVs mit Torpedos oder so-
gar Marschflugkörpern nach. Autonome,
bewaffnete Unterwasserroboter – das
klingt in der Tat wie aus einem Hollywood-
film. Einem Horrorfilm.
Doch auch russische Ingenieure schei-
nen weitere Ideen zu haben, wie man die
Weltmeere in eine Todeszone verwandelt.
So soll künftigLosharik, ein geheimnisvol-
les Mini-Atom-U-Boot, unter dem Rumpf
vonBelgorodhängen und von dort aus zu
nicht weniger geheimnisvollen Missionen
aufbrechen. Bei einer Testfahrt Anfang Ju-
li nahe der norwegischen Grenze brach an
Bord allerdings ein Feuer aus. Vierzehn
Menschen, fast alles hochrangige Offizie-
re, starben. Nach Recherchen der russi-
schen ZeitungKommersant begann der
Brand im Batterieraum. Noch sei aller-
dings unklar, soKommersant, ob Produkti-
onsfehler oder ein Kurzschluss die Akkus
zur Explosion gebracht haben.
Losharikist, wenn es denn repariert wer-
den kann, nicht das einzige Anhängsel von
Belgorod– aber mit Sicherheit das Selt-

samste: Um besonders tief tauchen zu kön-
nen, besteht das Gefährt vermutlich aus
sieben druckfesten Titankugeln, die mit-
einander durch Gänge verbunden sind.
Das Leben an Bord des 70 Meter langen Spi-
onage-U-Boots wird dadurch nicht ange-
nehmer. „Es ist eine Wohngemeinschaft
mit 35 Menschen, einem Atomreaktor und
keiner einzigen flachen Wand, an die man
etwas hängen könnte“, so H I Sutton.
Unterstützung bekommtLosharikvon
Unterwasserrobotern namens Klavesin,
die ebenfalls an Bord vonBelgorodsein sol-
len. Die gut sechs Meter langen Drohnen
verfügen über ein Sonar, um den Meeres-
boden zu kartografieren. Sie sollen Wracks
finden, Unterseekabel, die sich anzapfen
lassen, und vielleicht sogar ein paar der ur-
sprünglich versprochenen Mineralien. Vor
allem aber sollen dieKlavesin-Karten Pla-
nungsgrundlage sein für ein russisches
Sensornetzwerk am Grund des Nordpolar-
meers, aufgebaut vonLosharik.
Es heißt Harmonia, könnte aus Sonar
und Drucksensoren bestehen und soll
feindliche U-Boote in bis zu 100 Kilome-
tern Entfernung ausfindig machen – ein
Gegenstück zum US-Lauschsystem Sosus
(Sound Surveillance System) aus Zeiten
des Kalten Kriegs und zur chinesischen
„Great Underwater Wall“, die die Volksre-
publik derzeit aufbaut. Da der Weg zur
nächsten Steckdose in der Arktis weit ist,
sollen kompakte Atomreaktoren, ein jeder
14 Meter lang mit einer Leistung von 44 Ki-
lowatt, das Sensornetzwerk mit Strom ver-
sorgen.
Verglichen mit diesen hochmodernen
Anhängseln gehörtBelgorodselbst zum
alten Eisen. Bereits 1992 wurde das U-Boot
auf Kiel gelegt, als Schwesterschiff der
Kursk, bei deren Havarie später 118 Seeleu-
te sterben sollten. In den Turbulenzen
nach dem Fall der Sowjetunion war aller-
dings kein Platz für ein zusätzliches
U-Boot. Erst 2012 ging der Bau weiter –
nun als, so die offizielle Version, For-
schungsschiff für die Arktis. Zwar dürfte in
Waffen wiePoseidonviel Hightech ste-
cken, grundlegende Systeme wieBelgorods
Antrieb sind aber vermutlich noch von ges-
tern. „Unter der Haube gehört das Boot zu
einer früheren Generation und ist daher
wahrscheinlich weniger gut getarnt als mo-
derne Modelle“, sagt Sutton.
Insbesondere am Lärmschutz dürfte es
mangeln. Er ist das größte Problem von
U-Booten, schließlich sollen sie möglichst
unbemerkt durchs Wasser schleichen. Mo-
derne Boote versuchen daher, das Antriebs-
system durch flexible Aufhängungen und
Unterlagen von der Hülle zu entkoppeln.
Sie setzen auf speziell geformte Propeller,
an denen sich keine implodierenden Luft-
blasen mehr bilden – ein Phänomen, be-
kannt als Kavitation. Oder sie verzichten
komplett auf traditionelle Schiffsschrau-
ben und setzen stattdessen auf einen Jetan-
trieb.
Atom-U-Boote, so ausdauernd sie sein
mögen, haben beim Versteckspiel unter
Wasser allerdings einen Nachteil. Ihr Reak-
tor kann nicht abgeschaltet werden. Konti-
nuierlich erzeugt er Dampf für die Turbi-
nen, was Lärm macht. Auch Kühlpumpen
für den Reaktorkern müssen durchgehend
laufen. Zudem werden etwa 70 Prozent der
Abwärme ans Meerwasser abgegeben. Die
Boote ziehen daher eine heiße Schleppe
hinter sich her. Sie kann mit Wärmekame-
ras erkannt werden und macht sich –
durch das aufsteigende Wasser – an der
Oberfläche bemerkbar.
Bei Jagd-U-Booten, die nicht monate-
lang unter Wasser bleiben müssen, sind da-
her andere Technologien auf dem Vor-
marsch. Außenluftunabhängiger Antrieb,
heißt das Zauberwort, kurz: AIP (Air-Inde-
pendent Propulsion). Die Systeme ergän-
zen das Dieselaggregat, das noch immer
Standard im U-Boot-Bau ist. Solche Ver-

brennungsmotoren haben allerdings ein
Problem: Sie brauchen Frischluft. Um trotz-
dem getaucht fahren zu können, lädt der
Diesel normalerweise Bleibatterien auf,
die ganze Räume füllen und Strom für den
lautlosen Betrieb liefern. Das geht kurze
Zeit gut, dann sind die Batterien leer und
das Boot muss auftauchen – oder zumin-
dest einen verräterischen Schnorchel aus
dem Wasser recken.
AIP-Systeme sollen diese Beschrän-
kung umgehen und deutlich längere
Schleichfahrten unter Wasser möglich ma-
chen: Seit den 1990er-Jahren setzt die
schwedische Marine auf sogenannte Stir-
lingmotoren. Durch Verbrennung von flüs-
sigem Sauerstoff, der an Bord mitgeführt
wird, entsteht genügend Energie, um elek-
trische Generatoren für den Antrieb und
das Laden der Batterien zu betreiben. Die
neueste Generation schwedischer U-Boo-
te, dieBlekinge-Klasse (Stückpreis 380 Mil-
lionen Euro) kann dadurch 18 Tage lang oh-
ne Frischluftzufuhr unter Wasser umher-
schleichen. Frankreich hingegen vertraut
auf die gleichen Dampfturbinen, die auch
in seinen Atom-U-Booten zum Einsatz
kommen. In der AIP-Variante wird der
Dampf allerdings durch Ethanol und Sauer-
stoff erzeugt, die unter hohem Druck ver-
brennen. Beide Systeme, Stirling und
Dampf, sind allerdings sperrig und auf-
grund ihrer beweglichen Teile verhältnis-
mäßig laut.

In Deutschlands modernsten U-Booten,
den Modellen der 56 Meter langenU212A-
Klasse, verrichten daher Brennstoffzellen
ihren Dienst. Wasserstoff und Sauerstoff,
die in großen Tanks außerhalb der eigentli-
chen Druckhülle des Boots mitgeführt wer-
den, reagieren darin elektrochemisch mit-
einander. Sie erzeugen so den nötigen
Strom für Batterien und Antrieb – insge-
samt mehr als 300 Kilowatt. Keine Pumpe
rattert, keine Wärme und keine Abgase
müssen abgeführt werden, weshalb die
deutschen Schiffe zu den derzeit leisesten
und am schwersten zu ortenden U-Booten
gehören. Dazu trägt auch eine Außenhülle
aus nicht-magnetisierbarem Stahl bei. Das
System ist allerdings komplex. So kom-
plex, dass Ende 2017 kein einziges der
sechs Boote, die pro Stück etwa 500 Millio-
nen Euro kosten, einsatzbereit war.
Doch verglichen mit den USA, die der-
zeit ebenfalls neue, tödliche U-Boote entwi-
ckeln, sind diese Summen geradezu lächer-
lich. Tatsächlich plant das Pentagon die
bisherigen Flaggschiffe derOhio-Klasse,
die in ihren Raketensilos die Wucht von
600 Hiroshima-Bomben durch die Welt-
meere karren, von einer moderneren Versi-
on abzulösen. Sie hießtColumbia, wird
171 Meter lang sein, Platz für 155 Seeleute
bieten und, so die Hoffnung der Navy, das
„weltweit am schwersten zu entdeckende“
U-Boot werden. Einen großen Anteil daran
soll ein neuer Antriebsstrang ohne mecha-
nische Komponenten liefern. Vermutlich
kommt darin ein Permanentmagnetmotor
zum Einsatz, der sich stufenlos regeln
lässt. Doch auch Elektromotoren mit so-
genannten Hochtemperatursupraleitern
sind in der Diskussion. Abgeschafft wer-
den soll das optische Periskop; an seine
Stelle treten Kameras am Ende eines lan-
gen Mastes.
Noch ist vieles geheim, auch wenn in
zwei Jahren bereits mit dem Bau des ersten
Boots begonnen werden soll. Fest steht hin-
gegen schon die Summe, die dasColumbia-
Programm während seiner Laufzeit ver-
schlingen wird: mindestens 347 Milliar-
den US-Dollar – für ein Waffensystem, das
hoffentlich nie gebraucht wird.

347 Milliarden US-Dollar für ein
Waffenarsenal – das hoffentlich
nie gebraucht wird

Autonome, bewaffnete
Unterwasserroboter –
das klingt nach Hollywood

Kampfzone Ozean

Russland baut ein gigantisches U-Boot, ausgestattet mit


leistungsfähigen Waffensystemen. Über die Details kursieren viele Gerüchte, sicher


ist aber: Das Wettrüsten unter der Wasseroberfläche ist in vollem Gange


text: alexander stirn, illustration: h i sutton


34/35 WISSEN Samstag/Sonntag,2./3. November 2019, Nr. 253 DEFGH

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