Süddeutsche Zeitung - 06.11.2019

(Tina Sui) #1
München– Die gute Nachricht gleich vor-
weg: Beschwert hat sich niemand über den
Text. Passionsspielleiter Christian Stückl
kann weiterarbeiten. Die Geschichte, die
er da 2020 wieder inszeniert, ist zwar die
gleiche wie bei der Uraufführung der Passi-
onsspiele vor 385 Jahren. Die Textvorlage
aber, die bearbeitet Stückl neu. Er schreibt
sie um und modernisiert sie so, dass sie
neue Perspektiven auf die bekannte bibli-
sche Geschichte vom Leben und Sterben Je-
su zulässt. Monatelang schon schreibt er
an dem Text herum. Am Dienstag nun hat
er den ersten Entwurf für die Passionsspie-
le 2020 im Erzbischöfliches Palais in Mün-
chen Kardinal Reinhard Marx und dem
evangelischen Landesbischof Heinrich
Bedford-Strohm präsentiert, anschlie-
ßend ließ er ihn von den Kirchenvertretern
segnen.

Über das Schreiben sagt Stückl: „Es ist
ein Prozess.“ Noch ist der neue Text nicht
fertig. „Die Textgeschichte ist keine einfa-
che in Oberammergau“, sagt der Spiellei-
ter, immer wieder gab es berechtigte Vor-
würfe, der Text sei antisemitisch. Stückl
versucht seit seiner ersten Passion 1990,
diese Antisemitismen auszumerzen. In-
haltlich ist ihm außerdem wichtig, „die Er-
zählung nicht auf das Leiden und Sterben
zu reduzieren“, sondern die ganze Lebens-
geschichte Jesu zu spielen. Christus’ Um-

gang mit Menschen in Not solle im Vorder-
grund stehen. „Die Leidensgeschichte ist
dann erst der zweite Teil.“ Von der ersten
Aufführung 1634 bis zum Jahr 1850 lag „je-
der Text in den Händen der katholischen
Kirche“, danach gab es bis 1980 mehr als
100 Jahre keine Textänderung.
Zum ersten Mal baten diesmal die katho-
lische und die evangelische Kirche gemein-
sam um den Segen für die Passion. Bed-
ford-Strohm betont, man könne gar nicht
dankbar genug sein, für „die starke Bot-

schaft, die dem zugrunde liegt“. Man müs-
se zwar auf das Alte schauen, aber dennoch
„die Geschichte auf eine Art zeigen, die in
unsere Zeit passt“. Nur so könne sie den
Menschen nahe gebracht werden und sie
berühren. „Es ist die größte Geschichte al-
ler Zeiten“, sagt Kardinal Marx. Sie seien zu-
sammengekommen, damit „die 2020er-
Passion viele Menschen bewegt und in Er-
innerung bleibt“.
In den Oberammergauer Werkstätten
werde derweil an der Bühne gearbeitet,

sagt der Spielleiter. Säulen werden rausger-
gerissen und ersetzt, die Kreuze für die bei-
den Jesus-Darsteller Rochus Rückl und
Frederik Mayet müssen angepasst wer-
den, 2500 Kostüme geschneidert werden.
Anfang Dezember beginnen die Proben, da-
mit zur Premiere am 16. Mai 2020 „hoffent-
lich alles fertig ist“, sagt Stückl. 2400 Men-
schen, also fast die Hälfte der Einwohner
von Oberammergau, sind vor und hinter
der Bühne an der gigantischen Produktion
beteiligt. „Jeder, der sich meldet, muss ein-
gesetzt werden“, sagt Stückl, das verlangt
das sogenannte Spielrecht. Das stellt ihn
immer wieder vor Herausforderungen, so
stehen teilweise mehr als 1000 Schauspie-
ler auf der Bühne. „Eine Szene mit so vie-
len Menschen entwickelt auch eine gewis-
se Wucht“, sagt Stückl.
Vor der Fertigstellung des Textes steht
Stückl noch vor einem weiteren Problem:
„Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass
wir Jesus’ Worte nicht erfinden“, sagt er. Al-
lerdings: „Manche Jesusworte wirken auf
der Bühne ganz komisch. Es muss gelin-
gen, ihn als wahren Menschen und wahren
Gott darzustellen“ – so heißt es in der Bi-
bel. Schließlich „war er kein Gott auf Er-
den. Er hat genauso gefeiert, getanzt, ge-
lacht wie alle Menschen“, sagt Marx. Auch
Landesbischof Bedford-Strohm betont:
„Er geht in die Welt zu allen, die Hilfe und
Unterstützung brauchen – auch politisch“,
und stehe damit an der Seite der Folterop-
fer von heute. „Es gibt keinen katholi-
schen, keinen evangelischen und keinen or-
thodoxen Christus. Es gibt nur den einen
Christus.“ alena specht

München– Mitfünf Anträgen will die CSU-
Landtagsfraktion in dieser Woche Maßnah-
men anstoßen, durch die Todesfälle durch
multiresistente Keime verhindert werden
sollen. Dazu gehöre es, im Alltag den Anti-
biotika-Einsatz zu reduzieren, auch in der
Landwirtschaft. Fahrlässig eingesetzte An-
tibiotika werden von Forschern mit als
Grund dafür genannt, dass Krankheitserre-
ger resistent werden. Am Donnerstag ste-
hen die CSU-Anträge im Plenum auf der Ta-
gesordnung, doch einer von ihnen führt be-
reits jetzt zu Diskussionen. Darin wird die
Staatsregierung aufgefordert, per Studie
untersuchen zu lassen, wie der Antibiotika-
Einsatz reduziert werden kann – und ob da-
bei womöglich auch homöopathische Prä-
parate eine „positive Rolle“ spielen.
Im Bereich der Hals-Nasen-Ohren-Er-
krankungen, so die CSU-Abgeordneten,
hätten Studien aufzeigen können, „dass
durch den Einsatz klassischer Homöopa-
thie sowohl ein Einsatz von Antibiotika ver-
mieden als auch eine Verbesserung der in-
dividuellen Infektabwehr erreicht werden
konnte“. Auch an schwer septischen Patien-
ten – also Patienten, bei denen das körper-
eigene Abwehrsystem bereits die Organe
und das Gewebe schädigte – habe eine Stu-
die Hinweise darauf gebracht, dass eine ho-
möopathische Behandlung „eine nützliche
Behandlungsmethode“ darstellen könne.
Ruth Waldmann, die gesundheitspoliti-
sche Sprecherin der SPD-Fraktion, macht
diese Argumentation etwas ratlos: „Da
bleibt einem der Mund offen stehen“, sagte
sie am Dienstag. „Wenn an Homöopathie
wirklich nachweislich etwas wirkt, dann
ist es der Anteil der sprechenden Medizin,
der ganzheitliche Blick auf die Patienten“,
sagte sie. Das tue vielen Menschen gut.
„Und da bin ich auch dafür, das den Leuten
zu lassen“, betonte Waldmann. „Aber bei
schwerer Sepsis auch nur daran zu den-
ken, diese Kügelchen womöglich anstelle
von Antibiotika zu verabreichen“, das kön-
ne sie nicht mehr nachvollziehen. In die-
sem Sinne hätten sie bereits viele Zuschrif-
ten erreicht. „Da ist richtig Feuer drin“, sag-
te Waldmann. Bernhard Seidenath (CSU),
der Vorsitzende des Gesundheitsausschus-
ses, versteht die Aufregung nicht: „Es geht
hier ja nicht um eine Homöopathiestudie,
sondern um eine Studie zu einem reduzier-
ten Antibiotika-Einsatz.“ Es gelte, „wissen-
schaftlich alles auszuloten“, was Antibioti-
ka-Resistenzen vermeiden helfe. dm


von andreas glas

Regensburg– Zwei Experten sitzen am
Dienstag in Saal 104 des Regensburger
Landgerichts. Links ein Rechtsmediziner,
rechts ein Infektiologe. Doch wie schwer
sich selbst Experten mit diesem Fall tun,
das merkt man an den Sätzen, die beide im-
mer wieder fallen lassen. Es gebe „keinen
Beleg“, sagt der eine. Und dass „vieles im
Bereich der Spekulation“ liege. „Wir kön-
nen es nicht beweisen“, sagt der andere.
Und dass die Dinge „objektiv problema-
tisch“ seien. Es geht am zwölften Verhand-
lungstag im Prozess um verseuchte Eier
der Firma Bayern-Ei um einen Todesfall.
Um Wahrscheinlichkeiten, nicht um Ge-
wissheiten. Und darum, ob Wahrschein-
lichkeiten reichen, um den Mann im grü-
nen Pullover der Körperverletzung mit To-
desfolge zu überführen.
Der Mann im grünen Pullover heißt Ste-
fan Pohlmann. Er sitzt auf der Anklage-
bank, weil er für einen der schlimmsten Le-
bensmittelskandale der vergangenen Jah-
re in Deutschland verantwortlich sein soll.
Im Sommer 2014 erkrankten in Öster-
reich, Frankreich, England und Deutsch-
land Hunderte Menschen an schweren
Brechdurchfällen. Alle Patienten hatten
sich mit Salmonella enteritidis PT14b infi-
ziert, einem ebenso gefährlichen wie selte-
nen Salmonellenstamm. Die europäischen
Lebensmittelbehörden ermittelten, dass
sich die Patienten durch Speisen aus konta-
minierten Eiern angesteckt hatten. Die Ei-
er stammten von der Firma Bayern-Ei, des-
sen Geschäftsführer Pohlmann zum Zeit-
punkt des europaweiten Salmonellenaus-
bruchs war.

Nun also steht im Bayern-Ei-Prozess
der schwerste Vorwurf gegen Pohlmann
auf dem Programm: der Fall eines 94-jähri-
gen Österreichers, der an den Folgen einer
Salmonelleninfektion durch kontaminier-
te Bayern-Ei-Eier gestorben sein soll. Die
Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt,
die Pohlmann-Verteidigung nicht. Sie be-
ruft sich auf ein Gutachten des Rechtsme-
diziners Wolfgang Keil. Das Gericht hat ein
eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, bei
Infektiologe Gerd Fätkenheuer. Zwei Ex-
perten, zwei Theorien. Und vorne sitzt Rich-
ter Michael Hammer, der immer wieder
die Stirn in Falten legt. Man kann ihm anse-
hen, wie es ihn anstrengt, die Aussagen der
Experten einzuordnen.

Zuerst spricht Gerd Fätkenheuer, 64,
Leiter der Infektiologie am Kölner Universi-
tätsklinikum. Wie seine Klinik arbeitet, be-
schreibt er so: „Wir versuchen, die Puzzle-
teile so zusammenzusetzen, dass wir ein
eindeutiges klinisches Bild haben.“ Da der
Bayern-Ei-Prozess in Regensburg stattfin-
det, nimmt Fätkenheuer den Regensbur-
ger Dom als Puzzle-Beispiel. „Manchmal
fehlen einige Teile, aber trotzdem können
wir klar erkennen: Das Bild ist der Regens-
burger Dom.“ Im Fall des toten Österrei-
chers könne er den Dom deutlich erken-
nen, sagt Fätkenheuer – und wird konkret:
„Mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit“ sei der Tod durch die Salmonellen-
infektion mitverursacht.

Wer das verstehen will, muss die Krank-
heitsgeschichte des toten Österreichers
kennen. Der 94-Jährige bekam sein Essen
über einen Innsbrucker Catering-Service
nach Hause geliefert. Der Caterer soll seine
Speisen mit Eiern aus der Bayern-Ei-Anla-
ge in Niederharthausen (Kreis Straubing-
Bogen) zubereitet haben, die mit Salmonel-
len belastet waren. Im Juli 2014 stellten
Ärzte am Innsbrucker Klinikum die Salmo-
nelleninfektion bei dem 94-Jährigen fest.
Zwar ging es dem Mann nach einer Weile
besser, sodass er in eine andere Klinik ver-
legt und nach sechs Wochen entlassen wer-
den konnte. Doch musste er im September
2014 wieder ins Krankenhaus, wo er letzt-
lich starb. Staatsanwaltschaft und Gutach-
ter Fätkenheuer gehen davon aus, dass der
94-Jährige an einer Clostridium-difficilen-
Infektion (CDI) starb – ausgelöst durch die
Behandlung der Salmonellenerkrankung
mit Antibiotika.
Die Pohlmann-Verteidiger wiederum ar-
gumentieren, dass es dem Mann zunächst
ja wieder besser ging, dass er also nach
dem ersten Klinikaufenthalt wieder salmo-
nellenfrei gewesen sein könnte – und sich
vor dem zweiten Klinikaufenthalt womög-
lich erneut mit Salmonellenerregern infi-
zierte, die nichts mehr mit der Firma Bay-
ern-Ei zu tun hatten, sondern anderswo-
her stammten. Auch für Rechtsmediziner
Keil ist es zwar relativ unwahrscheinlich,
aber eben „nicht auszuschließen“, dass
sich der Mann binnen weniger Wochen
zweimal mit Salmonellen unterschiedli-
cher Herkunft infiziert haben könnte. „Un-
realistisch“, findet das dagegen Infektiolo-
ge Fätkenheuer und stützt sich auf Statisti-
ken. Die Wahrscheinlichkeit einer Salmo-

nelleninfektion liege bei 17:100 000. Gleich
zwei Infektionen? Das sei ungefähr so rea-
listisch, als ob „jemand ein zweites Mal ei-
nen Sechser im Lotto bekommt“, sagt Fät-
kenheuer.
Dem Lotto-Vergleich hält Rechtsmedizi-
ner Keil unter anderem entgegen, dass der
Tote 94 Jahre alt war – und die Wahrschein-
lichkeit bei älteren Menschen viel höher
sei, an den Folgen einer Salmonelleninfek-
tion zu sterben als bei jüngeren. Außer-
dem, sagt Keil, habe der Österreicher vor
20 Jahren einen Herzinfarkt gehabt und da-
nach an einer chronischen Herzkrankheit
gelitten. Inwiefern dies eine Rolle für sei-
nen Tod gespielt hat, ist auch deshalb
schwer zu bestimmen, weil die Leiche des
Mannes nicht obduziert wurde. „Wäre er se-
ziert worden“, sagt Keil, wäre das Herzlei-
den „auch auf die Todesbescheinigung ge-
schrieben worden“. Man dürfe „nicht aus
den Augen verlieren“, dass gerade bei älte-
ren Menschen oft mehrere Faktoren todes-
ursächlich seien.
Während die Experten reden, hört Pohl-
mann still zu. Er muss sich wegen weiterer
40 Fälle der Körperverletzung verantwor-
ten – wenn auch ohne Todesfolgen. Auch
bei diesen Fällen sei ein Bezug zu Bayern-
Ei nicht zweifelsfrei nachweisbar, sagt sein
Verteidiger Ulrich Ziegert. Die Firma habe
ihre Eier über Zwischenhändler vertrie-
ben, „die werden von einer ganzen Reihe
von Betrieben beliefert“. Aus Sicht des Ver-
teidigers könnten die kontaminierten Eier
also auch aus anderen Betrieben gekom-
men sein. Ob das wirklich sein kann, wird
das Gericht von diesem Mittwoch an erör-
tern. Dann treten die ersten Zwischenhänd-
ler als Zeugen auf.

München– Mehr als 260 000 Euro hat die
Staatsregierung ausgegeben, um den von
Ministerpräsident Markus Söder neu er-
sonnenen Großelterntag zu etablieren.
Das geht aus einer Anfrage an das Familien-
ministerium hervor, die der FDP-Abgeord-
nete Helmut Kaltenhauser initiiert hat. Ei-
ne Viertelmillionen Euro sei „kein Pappen-
stiel“. „Das ist wirklich herausgeschmisse-
nes Geld“, kommentiert Kaltenhauser die
Antwort. Bei dem neu eingeführten Ehren-
tag für Großeltern handele es sich um eine
reine PR-Maßnahme. Auch er schätze die
Leistung von Großeltern, allerdings habe
ein Ehrentag „keine große Wirkung“.
Das meiste Geld, mehr als 180000 Euro,
wurde für das Schalten von Anzeigen zum
Großelterntag in mehreren bayerischen Ta-
geszeitungen ausgegeben. Die Kostenvor-
anschläge für eine Veranstaltung im
Schloss Nymphenburg beliefen sich laut
Sozialministerium auf 80 000 Euro. Zu-
sammen mit geladenen Familien feierte
die bayerische Staatsregierung dort den
ersten Großelterntag. Etwa 2000 Euro kos-
tete die Produktion eines Social-Media-
Spots. Der Großelterntag reiht sich ein in
familiäre Ehrentage wie den Mutter- oder
den Vatertag. In Deutschland ist Bayern
das einzige Bundesland, in dem er einge-
führt wurde. nell

München– Nach einem Jahr im Amt hat
Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) an-
gekündigt, sich den Provokationen der
AfD weiterhin entgegenzustellen. Die Frak-
tionen rief sie dazu auf, die AfD nicht in ih-
rer „Daueropferrolle“ zu unterstützen. Mit
dem Einzug der AfD in den Landtag sei das
Klima „rauer und aggressiver geworden“,
sagte Aigner am Dienstag. Zum ersten Mal
seit Jahrzehnten seien wieder Rügen ausge-
sprochen worden – alle vier für AfD-Abge-
ordnete. Wer die parlamentarische Ord-
nung angreife, werde mit ihr eine entschie-
dene Gegnerin haben, sagte Aigner. Den an-
deren Fraktionen riet sie, die AfD inhalt-
lich zu stellen. Es brauche keine „andauer-
ende Empörung“. Sie verwies zudem dar-
auf, dass auch andere Abgeordnete zu-
rechtgewiesen würden. Toni Schuberl et-
wa von den Grünen habe öffentlich aus
dem Verfassungsausschuss zitiert und be-
hauptet, gegen den AfD-Abgeordneten
Ralf Stadler liege ein Strafbefehl vor. Zum
einen scheint die Beschuldigung unwahr
zu sein, sagte Aigner. Stadler habe deswe-
gen Strafanzeige eingereicht. Zum ande-
ren sei es nicht üblich, solche Informatio-
nen öffentlich zu machen. Aigner will die
bis jetzt ungeschriebene Regel in die Ge-
schäftsordnung aufnehmen lassen. nell

München– Die bayerische Staatsregie-
rung setzt sich gegen eine bundesweite Ver-
schärfung des Waffenrechts ein. Kritik löst
die sogenannte Bedürfnisprüfung zum
Waffenbesitz aus. Vor allem Sportschützen
stören sich daran. Sie halten es für unver-
hältnismäßig, ihre Vereinsmitgliedschaft
sowie den regelmäßigen Gebrauch von
Waffen nachweisen zu müssen. Bayern er-
warte, dass der Bund einen „praxisgerech-
ten und lebensnahen“ Gesetzentwurf vorle-
ge, sagte Staatskanzleichef Florian Herr-
mann (CSU) am Dienstag nach der Kabi-
nettssitzung. Man dürfe „nicht mit Kano-
nen auf Spatzen schießen“. Zu Beschwer-
den kommt es insbesondere dann, wenn
Sportschützen mehrere Waffen haben und
den Nachweis des Gebrauchs regelmäßig
antreten müssen. Innenminister Joachim
Herrmann (CSU) sagte, er könne weder ei-
nen Sinn noch Sicherheitsgewinn darin er-
kennen, Sportschützen zu zwingen, jeden
Monat mit jeder Waffe mindestens einmal
zu schießen, wie der Vorschlag es vorsehe.
Bayern war mit einem Vorstoß im Bun-
desrat bereits unterlegen. Andere Bundes-
länder treten sogar für eine noch schärfere
Anwendung des Waffengesetzes ein. In-
nenminister Herrmann kündigte nun Ge-
spräche mit Bundesinnenminister Horst
Seehofer (ebenfalls CSU) an. „Wir wollen ei-
ne unbürokratische Lösung“, sagte Herr-
mann. Nach polizeilichen Erkenntnissen
gebe es in der jüngeren Vergangenheit kei-
nen Zusammenhang zwischen Straftaten
und Sportschützen oder Jägern – oder da-
mit, wie viele Waffen jemand besäße.
Das Kabinett hat am Dienstag auch das
Konzept zur digitalen Gefahrenabwehr be-
schlossen. Die „Cyberabwehr Bayern“ soll
Anfang nächsten Jahres ihren Betrieb auf-
nehmen und Aufgaben verschiedener Be-
hörden koordinieren. Das neue Lagezen-
trum soll Ansprechpartner für den Bund
sein, eingerichtet wird es beim Cyber-Alli-
anz-Zentrum des bayerischen Verfassungs-
schutzes. Mit Blick auf die zunehmenden
Spionageangriffe ausländischer Nachrich-
tendienste sei es wichtig, die Sicherheits-
maßnahmen für Menschen und Unterneh-
men zu verstärken, sagte Herrmann. Aus-
gebaut werden soll auch die Sicherheit
beim Digitalfunk für Polizei, Feuerwehren
und Rettungskräfte. Alle 900 Stationen in
Bayern sollen mit einer Notstromversor-
gung einen Betrieb von 72 Stunden gewähr-
leisten. Derzeit sei dies bei 130 Digitalfunk-
stationen der Fall. Die Kosten von 435 Milli-
onen Euro sollen vorerst aus dem laufen-
den Haushalt bestritten werden. wiw

Spielleiter Christian Stückl (re.) stellt Landesbischof Heinrich Bedford-Stroh (li.)
und Kardinal Reinhard Marx seinen neuen Passionstext vor. FOTO: PETER KNEFFEL/DPA

Gleiche Geschichte, neuer Text


Spielleiter Stückl passt die Oberammergauer Passion der heutigen Zeit an. Zwei Bischöfe erbitten den Segen


Streit um Anträge zu


Einsatz von Antibiotika


Der frühere Bayern-Ei-Geschäftsführer Stefan Pohlmann zwischen seinen Verteidigern Sebastian Gaßmann (li.) und Ulrich Ziegert. FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA

Der Wert der Wahrscheinlichkeit


Im Prozess um den Salmonellen-Skandal versuchen zwei Experten zu klären, ob der Tod eines 94-Jährigen mit
den kontaminierten Eiern der Firma Bayern-Ei zusammenhängt. Eindeutige Aussagen macht keiner der beiden

„Es ist ein ungeschriebenes
Gesetz, dass wir Jesus’ Worte
nicht erfinden“, sagt Stückl

von florian fuchs

V


ielleicht ist ja das nun der Unter-
gang des Abendlandes? In Nürn-
berg ist der gerade abgesagt wor-
den, nachdem er wieder einmal von der
AfD heraufbeschworen worden war: Be-
nigna Munsi aber ist ein sehr perfektes
Nürnberger Christkind, da sind sich bis
auf ein paar dumpfe Ausnahmen alle ei-
nig. Das Nürnberger Abendland hat also
noch einmal Glück gehabt, das Abend-
land in Landsberg am Lech dagegen
scheint noch in Gefahr zu sein: Die Stadt
hat Probleme, überhaupt ein Christkind
zu finden. Bis zum Ende der Bewerbungs-
frist, die am vergangenen Freitag ablief,
zählten die verantwortlichen Christkind-
beauftragten im Rathaus exakt null Be-
werbungen. Null!
Nun ist es zwar der Nikolaus gewohnt,
verdrängt zu werden, in jüngster Zeit
vom Weihnachtsmann, in früheren Zei-
ten vom Christkind persönlich – aber
Weihnachten ohne Christkind, das ist in
Bayern nicht nur auf vielen Christkindl-
märkten schwer vorstellbar. Bevor Coca-
Cola in der ersten Hälfte des vergange-
nen Jahrhunderts den Weihnachtsmann
so richtig groß machte, hatte es im Zuge
der Reformation ja bereits Martin Luther
auf den Nikolaus abgesehen. Mit der Hei-
ligenverehrung konnte Luther naturge-
mäß wenig anfangen, den gabenbringen-
den Nikolaus ersetzte er deshalb durch
das Christkind, das am 25. Dezember
kam und sich – so ändern sich die Zeiten



  • heute vor allem in katholischen Hoch-
    burgen hält: eben in Bayern, und deshalb
    natürlich auch in Landsberg.
    Also haben sie gekämpft am Lech, es
    hätte ja auch doof ausgesehen, wenn sie
    am 29.November ersatzweise einen Weih-
    nachtsmann mit Zipfelmütze hätten hin-
    stellen müssen, um den Christkindl-
    markt zu eröffnen. Sie haben noch ein-
    mal ordentlich die Werbetrommel ge-
    rührt, haben auf allen Kanälen geworben

  • und sind erhört worden. Elf Bewerbun-
    gen von Mädchen im Alter zwischen 16
    und 18Jahren sind bis Dienstag eingegan-
    gen. Kindlich sollte das Christkind sein,
    in das Kostüm passen und den Prolog bei
    der Eröffnung des Christkindlmarktes
    unfallfrei über die Bühne bringen – mehr
    wollen sie ja gar nicht bei der Stadt. In
    den nächsten Tagen soll eine Kandidatin
    ausgewählt werden. Die Chancen stehen
    gut, dass eine passende Bewerberin da-
    bei ist. Ein Glück für das Abendland.


Söders Großelterntag


kostet 260 000 Euro


Aigner ist gegen


„Daueropferrolle“ für AfD


Das Risiko, sich mit Salmonellen
zu infizieren, liegt bei
17:100000, sagt der Infektiologe

MITTEN IN BAYERN

Glück gehabt,


Abendland


Gegen schärferes


Waffenrecht


Staatsregierung fordert weniger
Bürokratie für Sportschützen

DEFGH Nr. 256, Mittwoch, 6. November 2019 – R15


BAYERN

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