SPORT KOLUMNE
Illustrationen: KAFI, Matthias Seifarth/FOCUS-Magazin
124 FOCUS 45/2019
du in der Natur spielst – und dass du auch
mal falschliegen kannst.“ Wie 2006, als
ihr Mann, Sébastien Gay, ein erfahrener
Alpinist, stirbt, beim Speedflying, dem
Gleitschirmfliegen mit Skiern.
„Mir kann das auch passieren“, sagt sie,
„ich stehe nicht über den anderen. Wir
werden alle sterben, irgendwie. Ich kann
auch mal Glück haben, aber ich verlas-
se mich nicht darauf. Dafür liebe ich das
Leben viel zu sehr.“
Ihr Freund ist Basejumper
Dennoch ging sie dorthin, wo der Tod lau-
ert, erst in die Wingsuit-Hochburg Lau-
terbrunnen im Berner Oberland, dann
hinaus in die Welt. In Mali sprang sie
von der „Hand Fatimas“, einer Sand-
steinformation wie im Monument Valley.
„Ich kann vom Fels wegfliegen und den
Schirm mitten im Himmel öffnen. Die
Anzüge haben sich entwickelt: Jetzt kann
ich richtige Linien ziehen, wie mit dem
Snowboard.“
Mittlerweile hat sie mehr Angst, wenn
sie auf dem Gipfel keinen Wingsuit
dabeihat: „Eine einfache Kalkulation:
Es gibt nur mich und die Bedingungen,
Wind und Wolken. Es ist nie kein Wind
auf dem Berg. Man muss sich anpassen.
Wissen, wie man in den Wind reinfliegt,
mit Wind landet. Aber es ist anders als
beim Snowboarden: Da kannst du der
beste Guide sein und doch falschliegen,
und die Lawine erwischt dich.“ Wie vor
fünf Jahren, als ein Schneebrett sie 300
Meter mitriss – dank Airbag überlebte sie.
Anders ihre Kolleginnen Matilda Rapa-
port und Estelle Balet, die verschüttet
wurden. Fasnacht sagt: „Beim Snowboar-
den habe ich mehr Anspannung im Kör-
per als beim Fliegen.“
Die Luft ist ihr Element. Vor neun Jah-
ren hat sie die Pilotenlizenz für Ultra-
leichtflugzeuge gemacht, dazu eine wei-
tere, um mit Kufen auf Gletschern landen
zu dürfen. Sie leistete sich ein 70 000 Euro
teures Flugobjekt.
Fasnachts Partner ist der Ex-Eisklette-
rer Simon Wandeler, der natürlich auch
Basejumper ist. Sie sagt: „Einen Hybrid
zu mir zu finden ist nicht einfach.“ Und
er ist mehr als das: nämlich bald der
Vater ihres Kindes. Am 31. Dezember ist
der Geburtstermin. Und danach? Einfach
weiterfliegen?
„Ich weiß nicht, wie ich als Mutter
empfinden werde“, sagt Fasnacht. „Was
ich aber weiß: Meine Leidenschaft für
die Berge wird weiterhin da sein. Mei-
ne Art, mich auszudrücken, ist Fliegen
und Snowboarden. Das ist es, was mich
erfüllt.“ n
Buch & Welt
FOCUS-Autor Uwe Wittstock
über skrupellose Experten
und die Frage, ob es richtige Kunst
gibt in der falschen
Van Gogh war so fleißig, dass
sogar posthum Bilder entstanden
„Ich habe“, zog Henri Matisse einmal
Bilanz, „in meinem Leben 2000 Bilder
gemalt. 5000 davon hängen in den USA.“
Über die wundersame Bildervermehrung
durch das Geschick der Fälscher ärgerte
sich Matisse fürchterlich.
Vincent van Gogh hatte da weniger Sor-
gen. Als er starb, waren seine Bilder noch
so billig, dass für sie kein Betrüger einen
Finger krumm machte. Das änderte sich,
als man ihn vor allem in Deutschland
als den Inbegriff des leidenden Genies, als
einen „Christus der modernen Kunst“ ent-
deckte. Schnell wurde alles, was er
gemalt oder gezeichnet hatte, unbe-
zahlbar teuer – und sein Werk damit zum
lukrativen Interessensgebiet der Fälscher.
Die Kunstkenner Nora und Stefan Kolde-
hoff erzählen jetzt von einem besonders
spektakulären Fall in „Der van Gogh-Coup“
(Nimbus, 29,80 Euro). Das Ganze trug sich
zu im Berlin der wilden zwanziger Jahre.
Fast über Nacht etablierte sich ein junger
Mann namens Otto Wacker als führender
Galerist. Er hatte eine Grundregel des
Kunsthandels begriffen: Ein Bild kann
noch so sehr wie ein van Gogh aussehen –
wertvoll wird es erst, wenn das Zertifikat
eines Experten daran klebt, das seine
Echtheit verbürgt.
Da er einen Bruder hatte, der brauch-
bare van Goghs malte, konnte Otto
Wacker seine ganze Energie auf die Ex-
perten konzentrieren. Er zahlte gut für
deren Zertifikate, und so brachten es einige
seiner Bilder sogar bis ins offizielle Van-
Gogh-Werkverzeichnis. Die Sache flog erst
auf, als in einer großen Ausstellung echte
Bilder direkt neben gefälschten hingen
und der Qualitätsunterschied je-
dem geradezu ins Gesicht sprang.
Ergebnis für Wacker: ein Jahr
und sieben Monate Gefängnis
plus Geldstrafe.
Schön und gut. Aber kann
man sich darauf verlassen,
dass echte Bilder immer bes-
ser aussehen als falsche? Von
dem Galeristen Daniel-Henry
Kahnweiler wird erzählt, er sei
einmal mit zwei Gemälden zu
Picasso gereist. Beim ersten
schüttelte Picasso sofort den
Kopf: „Das ist eine Fälschung.“ Als
Kahnweiler ihm das zweite zeig-
te, schüttelte Picasso wieder den
Kopf: „Fälschung.“ Doch Kahn-
weiler widersprach: „Das kann
nicht sein, ich war dabei, als du es gemalt
hast.“ Picasso zuckte nur die Schultern:
„Na und? Auch ich kann Fälschungen
malen.“ Lustige Anekdote, nicht wahr?
Allerdings behaupten Experten, sie sei
erfunden, eine glatte Fälschung.
„Der van Gogh-Coup“
Nora und Stefan
Koldehoff erzählen einen
Kunstkrimi aus dem Berlin
der zwanziger Jahre
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