Neue Zürcher Zeitung - 06.11.2019

(Michael S) #1

34 REFLEXE Mittwoch, 6. November 2019


Neues Bo arding-Verfahren


Luft hansa auf der Suche


nach der verlorenen Zeit


Werner Enz·Wer hat sich nicht schon geärgert,weil
beim Einsteigen in ein Flugzeug in der Kabine ein
Durcheinander herrschte?Vermutlich inspiriert
vom japanischenArbeits- und Lebenskonzept Kai-
zen, das für stetesVerbessern steht, will der Luft-
hansa-Konzern jetzt Abhilfe schaffen.Von diesem
Geist beseelt, wird auf den Europa-Flügen der Luft-
hansa und von derenTochtergesellschaftAustrian
Airlines ab sofort ein neues Boarding-Konzept er-
probt.Was die Amerikaner schon seitJahren mit
ihrer«Wilma» (Windo w-Middle-Aisle;Fenster -Mit-
te-Gang) praktizieren,soll bei jeder Flugbewegung
im Durchschnitt einen Zeitgewinn von zwei Minu-
ten bringen. DieWintermonate sind dank dem oft
kleinerenPassagieraufkommen ein günstiges Zeit-
fenster für dieses Experiment, denn anfänglich wird
das Boarding nach diesemKonzept für vieleKun-
den sehr gewöhnungsbedürftig sein.
Swiss-Kunden in Zürich und Genf müssen nicht
umstellen, denn das schon bisher mit Boarding-
Gruppen verfolgteVerfahren hat zu aller Zufrieden-
heit bestens funktioniert.Jedenfalls werden auch in
Zukunft bei dergesamten Lufthansa-Gruppe zu-

erst Familien mitBabys und Kleinkindern, dann
Reisende mit eingeschränkter Mobilität an Board
gehen.Obschon in der Kabine Klassenunterschiede
oft bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen, folgen
darauf privilegierte Stammkunden (wie Inhaber der
Goldkarte der Star Alliance), denen vor denAugen
aller übrigen Gäste eineVorzugsbehandlung zuteil
wird.Abzuwartenbleibt,obdas Boarding-Konzept
Fenster-Mitte-Gang wirklich grosse Zeitgewinne
bringen wird.Damit esreibungslos klappt, muss
jederPassagier zumVoraus genau wissen, welchen
Sitz er in einer bestimmtenReihe hat.
Ohnehin steckt derTeufel im Detail:Wer in Zu-
kunft alsSwiss-Kunde mit einem Embraer-Jet von
Helvetic Airways unterwegs ist, wird zwingend an-
dere Regeln befolgen,denn dort gibt es nur Zweier-
reihen.Was sicherlich generell dasReisen angeneh-
mer (und das Boarding schneller) machen wird,ist
eine grössere Ablagefläche wie im neuen Embraer-
Jet: So kann derReisekoffer ohne Mühe imFach
untergebracht werden.Wer mi t Kaizen in der
Kabine schon etwas herausgeholt hat, kann jetzt
das Boarding gelassener in Angriff nehmen.

MartinKölling,Tokio· Manchmal verraten kleine
Nachrichten grosseAmbitionen. Am Dienstag hat
der kriselnde japanischeTechnikkonzernToshiba
zur Attacke auf dieVorherrschaft von Amazon,
Google und Co. bei derVernetzung und bei künst-
licher Intelligenz geblasen.Gemeinsam mit hundert
anderenKonzernen,Universitäten und Organisatio-
nen derJapan AG kündigte derKonzern dasKon-
sortium ifLink Open Communityan,das eine Platt-
form für dieKommunikation im Internet der Dinge
(IoT) entwickeln soll.Geht alles nach Plan, werden
japanischeFirmen ab 2020 immer neue Geräte und
Dienste auf den Markt werfenkönnen,automatische
Schalter zum Beispiel, die das Licht anstellen, wenn
die Tür aufgeschlossen wird.Und keine globaleDa-
tenkrake werde sich denRohstoff der Zukunft mehr
krallen, verrietToshibasVizepräsidentTaro Shi-
mada.«Wir müssen eineWelt kreieren, in der nicht
ein bestimmtes Unternehmen dieDaten besitzt,son-
dern in derFirmenkooperieren», erklärte der Mana-
ger stellvertretend für dieJapan AG. Der Vorstoss ist
Teil einer nationalen Strategieder Society 5.0, mit

der JapansRegierung dasLand in der Ära smarter
Maschinen in eine Grossmacht beiRobotern und
künstlicher Intelligenz verwandeln will.
Das Ziel mag angesichts der Übermacht der US-
Internetriesen oder ihrer Herausforderer aus China
vermessen klingen.Die dortigenKonzernekontrol-
lieren enormeDatenmengen ihrerKunden und da-
mit auch die Entwicklung künstlicher Intelligenz.
Dennoch kann der Plan aufgehen, auf der nächs-
ten Datenwelle der Maschinen zum Erfolg zureiten.
Der Grund:JapansAuto-,Maschinen- undRoboter-
bau er und seineTechnikkonzerne besitzenKunden,
Produkterfahrung und vor allem einVerständnis für
Produktionsprozesse, die ihren Mitbewerbern feh-
len.Und sie haben verstanden,dass sie ihr Ziel nicht
allein, sondern nur in globalen Plattformen errei-
chenkönnen. Im September gründeten der Indus-
trieroboter-GigantFanuc,Toshibas RivaleFujitsu
und NTT Communications eine internetbasierte
Plattform für dieWerkzeugmaschinenindustrie. Die
ifLink-Gemeinde ist ein weiterer Schritt und wird
nicht der letzteVorstoss ausJapan bleiben.

Offensive mit über 100 Konzernen und Universitäten


Japan will das Internet


der Dinge beherrschen


EineVeranstaltungvon

NZZGESPRÄCHE


IngaRoggist langjährigeNZZ-Korrespondentin undExpertinfür denNahen Osten
sowie Buchautorin.Von2003 bis 2012berichtete sieausBagdad,von2012 bis 2019
lebte sie in Istanbul undschrieb, ausser über dieTürkei, über die Umbrüche und
Konflikte in der arabischenWelt undimIran. Seit August 2019 ist sie NZZ-Korre s-
pondentin in Israel.ImGespräch mitAuslandredaktorin Meret Baumanngeht es um
ihre Erfahrungen alsKorrespondentin im Irak und ihren Einsatz zwischen den
Fronten im Syrienkrieg. Einsehr persönli cher Einblick in denKorrespondentenalltag,
dernicht selten begleitetwarund istvonBedrohung für Leib und Leben.Sieberichtet
auserster Hand, wie sie mit dem DruckaufMedienschaffende in Krisengebieten
umgeht, undwarum sie sich über ein bisschen Langeweile freut.

Datum
Dienstag,19.November2019
19.0 0bis21.00Uhr

Ort
KOSMOS
Lagerstrasse104
8004Zürich

Eintritt
AbonnentenpreisFr.20.–
NormalpreisFr.25.–

Anmeldung
nzz.ch/live
0442581383

KorrespondentinIngaRoggüber


dasLeben in Krisengebieten


Podiumsteilnehmer

Inga Rogg
Korrespondentin
«NeueZürcherZeitung»
mitSitzinJerusalem

MeretBaumann
Auslandredaktorin
«NeueZürcherZeitung»

Moderation

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