Comdirect
Hunderte Stellen in Gefahr
Die Commerzbank lässt offen,
was nach der Verschmelzung
mit der Onlinetochter
Comdirect mit deren Zentrale
in Quickborn geschehen soll.
Andreas Kröner Frankfurt
D
ie Mitarbeiter von Comdirect
müssen wegen der geplanten
Zusammenlegung mit der
Commerzbank zittern. Das hessische
Institut erklärte am Mittwoch bei der
Vorlage des offiziellen Übernahmean-
gebots, dass es im Rahmen der Ver-
schmelzung beider Banken zu einem
Stellenabbau kommen wird. Die Zu-
kunft der Comdirect-Zentrale in
Quickborn bei Hamburg ließ die
Commerzbank offen.
Bis zum Wirksamwerden der Ver-
schmelzung werden die Frankfurter
Comdirect nicht zur Verlegung des
Sitzes aus Quickborn oder zur Schlie-
ßung von Unternehmensteilen veran-
lassen, heißt es in der Angebotsunter-
lage. Im Zuge der Zusammenführung
könne es dann jedoch zu einer „Ver-
legung, Schließung oder Veräuße-
rung von Unternehmensteilen“ kom-
men. Details sollen im Rahmen eines
Integrationskonzepts festgelegt wer-
den. Finanzkreisen zufolge sollen im
Zuge der Comdirect-Integration Hun-
derte Stellen wegfallen.
Die Commerzbank hatte die Über-
nahme im September im Rahmen ih-
rer neuen Strategie angekündigt. Sie
will so ihren digitalen Umbau be-
schleunigen und Kosten sparen.
Die Hessen, die bereits 82 Prozent
an Comdirect halten, bieten den üb-
rigen Aktionären 11,44 Euro je Aktie.
Das entspricht einem Aufschlag von
25 Prozent auf den Schlusskurs der
Comdirect-Aktie am Tag, bevor die
Offerte angekündigt wurde. Das An-
gebot läuft bis zum 6. Dezember und
wird nur vollzogen, wenn die Com-
merzbank am Ende auf mehr als 90
Prozent kommt. Anschließend will
die Bank die verbliebenen Comdi-
rect-Aktionäre im Rahmen eines
Squeeze-out herausdrängen.
Sollte die Commerzbank die Hürde
von 90 Prozent nicht überschreiten,
will sie eine Verschmelzung mithilfe
des Umwandlungsgesetzes erzwin-
gen. Hier ist eine Mehrheit von 75
Prozent ausreichend. Comdirect-Ak-
tionäre würden dann Commerzbank-
Aktien bekommen. Das Tauschver-
hältnis würde von Gutachtern festge-
legt. Dieser Weg wäre für das
Geldhaus jedoch aufwendiger, lang-
wieriger und teurer.
Ob die Commerzbank über die
90-Prozent-Schwelle kommt, ist völ-
lig offen. Seit der Ankündigung der
Übernahme hat die Comdirect-Aktie
fast 50 Prozent zugelegt auf 13,58
Euro. Für die Aktionäre ist es somit
aktuell attraktiver, die Papiere über
die Börse zu verkaufen, als sie der
Commerzbank anzudienen.
Dass die Comdirect-Aktie über
dem Angebotspreis notiert, sei „Spe-
kulationen über eine mögliche Erhö-
hung des Angebots geschuldet“, sag-
te Commerzbank-Chef Martin Zielke.
„Weil wir aber an unserem Angebot
festhalten, empfehle ich den Comdi-
rect-Aktionären, es anzunehmen.“
Falls das Angebot scheitern sollte,
drohten Comdirect-Aktionären Kurs-
verluste. Wie attraktiv die Alternative
- ein Aktientausch – für Comdirect-
Aktionäre wäre, hängt von vielen Va-
riablen ab und ist aktuell schwer ab-
zuschätzen. Ein wichtiger Faktor da-
bei wären die von einem Gutachter
ermittelten Unternehmenswerte von
Commerzbank und Comdirect.
Cum-Ex-Prozess
Zeuge belastet
Depotbanken
Im Strafprozess zum größten
Steuerskandal der Republik
beschreibt der Steueranwalt
die Rollenverteilung in der
Finanzwelt.
Volker Votsmeier Bonn
D
er Kronzeuge hat am zweiten
Tag seiner Vernehmung
noch nicht lange gespro-
chen, als der Vorsitzende Richter Ro-
land Zickler dazwischengeht: „Je län-
ger ich Ihnen zuhöre, umso größere
Problem habe ich mit dem Adjektiv
‚renommiert‘. Bitte verwenden Sie
den Begriff sparsamer“, fordert er
Benjamin Frey auf. Der Steueranwalt
gilt als eine der Schlüsselfiguren im
Cum-Ex-Skandal. Er berichtet über
Banken, Berater und Investoren, die
von dem Geschäft zulasten der Steu-
erzahler profitierten. Es sind große
Institute, Kanzleien und Unterneh-
mer, die Frey belastet. Für „renom-
miert“ hält der Richter diese Akteure
offenbar nicht mehr.
Zu viel hat Zickler in den ersten
Prozesswochen bereits gehört über
die Geschäfte, mit denen die Akteure
schlicht darauf abzielten, sich Kapi-
talertragsteuern auf Dividenden „er-
statten“ zu lassen, die zuvor niemals
abgeführt worden waren. In dem ers-
ten Strafverfahren vor dem Landge-
richt Bonn müssen sich die beiden
britischen Händler Martin S. und Ni-
cholas D. dafür verantworten. In der
Anklage geht es um einen vermute-
ten Schaden von rund 400 Millionen
Euro – nur ein Bruchteil des Betrags,
der insgesamt in der Staatskasse
fehlt. Dem Bonner Prozess werden
viele weitere Folgen.
Benjamin Frey, der in Wahrheit an-
ders heißt, gehört in anderen Verfah-
ren ebenfalls zu den Beschuldigten,
in diesem Verfahren tritt er als Zeuge
auf. Er war viele Jahre lang Teil der
Cum-Ex-Industrie, bis er sich ent-
schied, gegenüber den Staatsanwäl-
ten und nun vor Gericht reinen Tisch
zu machen. Seine Aussagen bringen
viel andere Beteiligte ins Schwitzen.
Frey beantwortet bereitwillig jede
Frage, die ihm der Richter stellt. Be-
sonders aufschlussreich sind seine
Aussagen diesmal im Hinblick auf die
Rolle der Depotbanken. Dort lagerten
Verkäufer und Käufer der Cum-Ex-
Deals ihre Wertpapiere. Rund um
den Dividendenstichtag wurden Pa-
piere im Milliardenvolumen hin und
her geschoben. Frey beschreibt, dass
Investmentfonds auf die Depotban-
ken angewiesen waren. Denn die
Fonds waren per se steuerbefreit.
Lag den Depotbanken ein entspre-
chender Nachweis darüber vor,
schrieben sie dem Fonds direkt die
Kapitalertragsteuer gut – als eine Art
Erfüllungsgehilfe des Fiskus. „Turbo-
lader“ nennt Frey dieses Privileg.
„Wussten die Depotbanken im De-
tail genau Bescheid?“, will der Rich-
ter wissen. „Ich hatte mit verschiede-
nen Personen Kontakt“, sagt Frey
und berichtet von Treffen mit den
Vertretern der Caceis Bank, die auf-
grund ihres Wissens um die Profite
sogar zusätzliche Honorare verlang-
ten. Äußern will sich die Bank zu den
Aussagen nicht.
Auch eine andere Depotbank
bringt Frey in Bedrängnis: die Düssel-
dorfer Apotheker- und Ärztebank,
bei der erst kürzlich die Staatsanwalt-
schaft anrückte. Die Apo Bank war ei-
gentlich nicht vorgesehen für das Ge-
schäft. „Die hatten wirklich keine Ah-
nung. Mein größtes Problem war, sie
mit einer britischen Investmentbank
zusammenzubringen, über die die
Deals liefen“, berichtet Frey. Die Apo
Bank habe sich dann mit wenig Ho-
norar zufriedengegeben. Frey erin-
nert sich daran, wie ihm jemand das
Cum-Ex-Prinzip einmal anders be-
schrieb. Es lautete: „Jeder bescheißt
jeden.“ Die Apo Bank will sich zu den
Aussagen derweil nicht äußern.
Comdirect-Zentrale
in Quickborn: Viele
Mitarbeiter machen
sich Sorgen, wie es
für sie weitergeht.
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Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210
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