Handelsblatt - 31.10.2019

(Michael S) #1

Maike Telgheder Frankfurt


U


nheilbar kranke Men-
schen könnten wieder ge-
sunden, die Medizin könn-
te schlicht revolutioniert
werden: Die Erwartungen an die
neue Technologie der Geneditierung
sind hoch. Und das nicht nur in der
Wissenschaft, sondern auch an der
Börse, wo immer mehr Firmen, die
innovative Verfahren wie Crispr/Cas
für die Entwicklung neuartiger The-
rapien einsetzen, notiert sind.
Crispr/Cas, das ist eine molekular-
biologische Methode, um DNA ge-
zielt zu schneiden und zu verän-
dern. Gene können mit dieser Form
des Gen-Editings eingefügt, entfernt
oder ausgeschaltet werden. 2015
wurde die Methode als wissen-
schaftlicher Durchbruch des Jahres
von der renommierten Zeitschrift
„Science“ gefeiert. Im Labor wird
die Methode bereits rege angewen-
det. Mittlerweile erforschen aber
auch zahlreiche Biotechfirmen ei-
genständig die Anwendung der
Technik für innovative medizinische
Therapien.

Zu den bekanntesten Größen im
Markt zählen die börsennotierten US-
Firmen Intellia Therapeutics und Edi-
tas Medicine sowie die in Basel und
den USA ansässige Crispr Therapeu-
tics, die mit einer Marktkapitalisie-
rung von aktuell 2,7 Milliarden Dollar
im Vergleich am wertvollsten ist. Alle
drei Unternehmen wurden von den
Forschern mitgegründet, die den
Wirkmechanismus entdeckt hatten.
Sie alle wollen Krebs- und Genthe-
rapien entwickeln, auf die auch an
der Börse große Hoffnungen gesetzt
werden. Denn es geht um Krankhei-
ten, für die es bislang keine oder nur
unzureichende Therapien gab. Und
so stehen die Empfehlungen der Ana-
lysten für diese drei Firmen derzeit
überwiegend auf „kaufen“, mit reich-
lich Entwicklungspotenzial nach

oben. Wer allerdings als Anleger von
den neuen Chancen profitieren
möchte, sollte sich des Risikos be-
wusst sein. „Technologien wie Crispr
werden hochgeschätzt“, heißt es et-
wa in einer Studie des britischen
Analyseunternehmens Evaluate Phar-
ma, „sie repräsentieren aber auch
ein hohes Risiko. Jeder ernsthafte
Rückschlag könnte das Vertrauen
aushöhlen.“

Aufwind am Markt


Insgesamt haben Biotechwerte an der
Börse in den vergangenen Monaten ge-
litten. Allerdings legten die Titel von
Crispr Therapeutics nach starken
Quartalszahlen Anfang dieser Woche
zweistellig zu und zogen auch die Wer-
te von Intellia Therapeutics und Editas
Medicine leicht mit nach oben. Crispr

Therapeutics meldete erstmals signifi-
kante Umsätze von 212 Millionen Dol-
lar und einen Gewinn von 36 Millionen
Dollar. Dafür sorgte eine Kooperations-
vereinbarung mit dem US-Unterneh-
men Vertex im Bereich Zystische Fi-
brose, einer vererbbaren Stoffwechsel-
erkrankung. Wichtig für die Börse war
aber vor allem die Nachricht, dass das
Unternehmen mit seinen verschiede-
nen klinischen Entwicklungsprogram-
men gut vorankommt.
Crispr Therapeutics hat vor ein
paar Monaten mit Studien in der kli-
nischen Forschung, also der Erpro-
bung am Menschen, begonnen: In
Kooperation mit Vertex wird unter
anderem ein Wirkstoff namens
CTX001 in zwei Studien an Patienten
mit Sichelzellanämie und Beta-Tha-
lassämie getestet. Bei beiden Erb-
krankheiten werden zu kleine oder
nicht ausreichend rote Blutkörper-
chen gebildet. Die US-Zulassungsbe-
hörde FDA hat der Therapie den so-
genannten „Fast-Track-Status“ er-
teilt, der eine schnellere
Entwicklung ermöglicht. Crispr-The-
rapeutics-CEO Samarth Kulkarni be-
zeichnet das Verfahren als „neue

Gentherapie für die Börse


Biotechfirmen bekommen an der Börse eine wachsende


Aufmerksamkeit. Sie entwickeln mithilfe von


Geneditierungsverfahren wie Crispr/Cas neue Therapien.


Doch für Anleger ist das Investment risikoreich.


Arbeit im Labor:
Die Erwartungen an
neue medizinische
Verfahren sind hoch,
auch an der Börse.

Andrew Brookes/WESTEND61 /Westen

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beleuchtet in
dieser Serie,
wie Anleger von
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DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210
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