Handelsblatt - 31.10.2019

(Michael S) #1
Thomas Hanke, Dana Heide
Berlin, Peking

F


rankreich und Deutsch-
land wollen Europas Inte-
ressen gemeinsam gegen-
über China vertreten.
Fünf Tage vor dem Be-
such des französischen Staatspräsi-
denten Emmanuel Macron in der
Volksrepublik räumte sein Europabe-
rater und Sherpa Clément Beaune
mögliche Missverständnisse aus: „Die
wichtigste Botschaft des Präsidenten
auf seiner Reise wird sein: Wir brau-
chen einen gemeinsamen europäi-
schen Ansatz gegenüber China, der
Elemente von Konfrontation, aber
auch von Kooperation enthält.“ Auch
Berlin unterstützt diesen Ansatz.
Frankreich stehe zu der Herange-
hensweise wie zuletzt beim Besuch
des chinesischen Präsidenten Xi Jin-
ping in Paris im März, als Macron
spontan Bundeskanzlerin Angela
Merkel und den Präsidenten der EU-
Kommission Jean-Claude Juncker da-
zu einlud, sagte Beaune beim
deutsch-französischen Business Fo-
rum in Berlin. Die drei Europäer hat-
ten Xi mit EU-Kernforderungen kon-
frontiert: China müsse sich an die Re-
geln der Welthandelsorganisation
halten, ein Investitionsschutzabkom-
men mit der EU abschließen und sich
bei der neuen Seidenstraßeninitiative
kooperativer zeigen.
„Wir dürfen keine widersprüchli-
chen Signale in Richtung China sen-
den“, sagte der Macron-Intimus. Die
französische Tageszeitung „Les
Echos“ und das Handelsblatt veran-
stalteten das jährlich stattfindende Fo-
rum am Mittwoch zum sechsten Mal.

Ein hoher deutscher Beamter sagte
am Rande des Forums, man müsse
sich auf die „europäischen öffentli-
chen Güter konzentrieren“. Gemeint
ist: auf das, was Europa zum Vorteil
aller besser machen kann als die Na-
tionalstaaten alleine. Macron konzen-
triere sich auf solche Vorhaben: Chi-
napolitik, Afrika, Sicherheit und Rüs-
tung, Klimaschutz, Digitalisierung.
Bei dieser Ausrichtung der EU-Politik
gebe es volle Übereinstimmung zwi-
schen Frankreich und Deutschland,
die komplexe Aufgabe bestehe nun
darin, dies auch in der europäischen
Finanzplanung abzubilden.

litisch als Mittel zur Meinungsbildung
genutzt. Mit der Veranstaltung will
die Kommunistische Partei das Land
als offene Volkswirtschaft darstellen.
Nach einem Gespräch zwischen Mer-
kel und Macron schickt Berlin Bun-
desforschungsministerin Anja Karli -
czek nach Schanghai, wie das Minis-
terium dem Handelsblatt auf
Nachfrage mitteilte.
Am Vorabend der Eröffnung durch
Xi Jinping wird sich Macron nach In-
formationen des Handelsblatts darü-
ber hinaus mit deutschen und fran-
zösischen Unternehmen zu einem
Roundtable treffen, um über ihre
Sorgen in der zweitgrößten Volks-
wirtschaft der Welt zu sprechen. In
Paris spricht der Elysée gar von einer
quasi deutsch-französischen Delegati-
on, wie es sie bislang noch nicht ge-
geben habe. Aus einem Stein des An-
stoßes scheint damit ein neues Ni-
veau in der Zusammenarbeit zu
werden.
Paris und Berlin senden ein Signal
an China: Wir stehen zusammen. Die
Volksrepublik hatte in der Vergan-
genheit immer wieder versucht, ei-
nen Keil zwischen die Länder der Eu-
ropäischen Union zu treiben. Das
zeigt sich besonders deutlich bei der
neuen Seidenstraße, ein billionen-
schweres Investitionsprogramm ent-
lang der traditionellen Seidenstraße,
bei der Xi Jinping die europäischen
Institutionen ausschließt und ledig-
lich direkt mit osteuropäischen EU-
Ländern sowie Griechenland und
Portugal spricht und verhandelt.
Dieser Politik will Paris entgegen-
wirken, wie Beaune unterstrich: „Wir

Deutschland/Frankreich


Für eine gemeinsame Chinapolitik


Beim French-German Business Forum fordert Paris Geschlossenheit. Berlin kommt Macron entgegen.


Frankreichs Präsident Macron
(Mitte) mit seinem chinesischen
Amtskollegen Xi Jinping und
Kanzlerin Merkel in Paris:
„Kooperation, aber auch Kon-
frontation.“

ddp/abaca press

Yuan Ding (links),
Clément Beaune:
Lebhafte Diskussio-
nen beim French-Ger-
man Business Forum.

Pidji Photography/Pierre-Jérôme Adjedj

Beaune diskutierte mit Yuan Ding,
dem Vizepräsidenten der in Schang-
hai ansässigen China Europe Interna-
tional Business School (CEIBS). Weil
Macron als erster europäischer Spit-
zenpolitiker die China International
Import Expo (CIIE) in Schanghai be-
suchen wird, gab es in der deutschen
Politik Ängste, der deutsch-französi-
sche Konsens stehe auf der Kippe.
Denn Deutschland hatte sich bislang
von der Messe ferngehalten, Macrons
Besuch wertet sie stark auf.
Ding räumte ein, sie sei „ein Propa-
gandainstrument“ für Chinas Füh-
rung, die Messe werde auch innenpo-

Wirtschaft & Politik
DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210

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