Die Welt Kompakt - 12.11.2019

(Joyce) #1

12 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,12.NOVEMBER


W


er nach einem
langen Arbeitsle-
ben nur Anspruch
auf eine kleine
Rente hat, soll künftig einen Zu-
schlag erhalten. Darauf haben
sich die Spitzen der großen Ko-
alition nach monatelangem
Streit geeinigt. Die geplante
Grundrente soll zum 1.1.2021 ein-
geführt werden.


VON DOROTHEA SIEMS

Bundesarbeitsminister Huber-
tus Heil (SPD) sprach von einer
„guten Lösung“. Die Koalition
habe sich auf eine Grundrente
verständigt, die den Namen auch
verdiene. Die neue Leistung wer-
de automatisch an die Berechtig-
ten ausgezahlt, niemand müsse
erst seitenlange Anträge dafür
ausfüllen. WELT beantwortet die
wichtigsten Fragen zu dem sozi-
alpolitischem Großprojekt.


WER PROFITIERT?


Die Bundesregierung geht davon
aus, dass 1,2 bis 1,5 Millionen Per-
sonen, deren Rente bisher auf
Grundsicherungsniveau oder nur
knapp darüber liegt, Anspruch
auf eine Aufstockung haben. Heil
unterstrich, dass es sich nicht um
eine bedingungslose Grundrente
handele. Voraussetzung sind
mindestens 35 Beitragsjahre. Da-
zu zählen neben Zeiten der Er-
werbstätigkeit auch die Phasen
der Kindererziehung oder der
Pflege. Bei der Kindererzie-
hungszeit können maximal pro
Kind zehn Jahre angerechnet
werden. Auch Teilzeittätigkeiten
werden berücksichtigt.
Zeiten der Arbeitslosigkeit
werden dagegen nicht als Bei-
tragszeit angerechnet. Um eine
harte Abbruchkante zu vermei-
den, sollen auch Rentner, die
knapp unterhalb von 35 Beitrags-
jahren liegen, eine Teil-Grund-
rente erhalten. Die genaue Aus-
gestaltung der Gleitzone ist je-
doch noch offen.
Das Arbeitsministerium geht
davon aus, dass 85 Prozent der
Grundrentenbezieher Frauen
sein werden, da viele von ihnen
zu geringen Löhnen und oft nur
Teilzeit gearbeitet hätten. Im Os-
ten werde ein höherer Anteil der
Senioren als im Westen die


Grundrente bekommen, so Heil.
Zumal die meisten der Ostrent-
ner über keine nennenswerten
anderen Einkünfte wie Kapital-
einkommen oder Betriebsrenten
verfügten. Auch hätten im Osten
mehr der heutigen Rentner im
Niedriglohnsektor gearbeitet.

WIE HOCH SIND DIE KOSTEN?

Die Koalition kalkuliert die Kos-
ten der Grundrente auf rund 1,
Milliarden Euro im Jahr. Damit
liegen die Mehrausgaben deut-
lich höher, als dies zunächst im
Koalitionsvertrag vorgesehen
war. Damals ging man von 200
Millionen Euro an Kosten aus, da
die damals von SPD und Union
vereinbarte strenge Bedürftig-
keitsprüfung den Kreis der Be-

rechtigten deutlich reduziert
hätte. Der ursprüngliche Refe-
rentenentwurf des Arbeitsminis-
ters hatte dagegen gar keine Be-
dürftigkeitsprüfung enthalten,
weshalb Heil auch von rund drei
Millionen Profiteuren der
Grundrente ausgegangen war.
Die Kosten hätten dann rund
fünf Milliarden Euro betragen.
Der jetzt ausgehandelte Kompro-
miss verzichtet auf eine Vermö-
gensprüfung. Auch selbst genutz-
tes Wohneigentum bleibt unbe-
rücksichtigt. Lediglich das Ein-
kommen wird geprüft.

WIE HOCH IST DER
ZUSCHLAG?

Die Höhe der Grundrente wird
individuell berechnet und hängt

von mehreren Faktoren ab. Sie
kann wenige Euro im Monat be-
tragen, aber auch mehr als 400
Euro. Das Arbeitsministerium
kann bislang weder einen Durch-
schnitts- noch einen Maximal-
wert nennen. Aufgewertet wer-
den mindestens 35 Beitragsjahre,
wenn man im Durchschnitt des
gesamten Zeitraums unter 80
Prozent des Durchschnittsver-
dienstes gelegen hat. Wer mehr
Beitragsjahre mit Niedrigver-
dienst vorweisen kann, erhält
entsprechend mehr Grundrente.
Um zu verhindern, dass man mit
einem Minijob Anspruch auf
Grundrente erwirbt, ist als Un-
tergrenze für die Anerkennung
als Beitragsjahr 30 Prozent des
Durchschnittsverdienstes festge-
legt. Minijobs fallen somit raus.

In einer Beispielrechnung des
Ministeriums kommt eine Fri-
seurin, die 40 Beitragsjahre vor-
weisen kann und dabei 40 Pro-
zent des Durchschnittslohns ver-
dient hat, derzeit auf eine monat-
liche Rente von 529 Euro. Mit der
Grundrente erhöhen sich ihre Al-
tersbezüge auf 934 Euro. Der er-
arbeitete Rentenanspruch kann
maximal knapp verdoppelt wer-
den. Wer jedoch nah an den 80
Prozent Durchschnittslohn ver-
dient hat, bekommt nur eine klei-
nere Aufstockung.

WIRD DAS EINKOMMEN
GEPRÜFT?

Um zu ermitteln, wer Anspruch
auf die neue Sozialleistung hat,
soll die Rentenversicherung in

So kommt die

Grundrente

Mehr als eine Million Rentner können


sich auf eine deutliche Aufstockung


freuen. Doch sie wird für jeden


Ruheständler unterschiedlich


ausfallen. WELT erklärt, wer


mit wie viel Geld rechnen kann


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Steigende Sozialhilfe

Quelle: Statistisches Bundesamt

Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bis ����

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Rasante Alterung

Quelle: Statistisches Bundesamt

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Frauen im Westen droht oft Altersarmut

Quelle: Deutsche Rentenversicherung

Verteilung der Zahlbeträge der Versichertenrenten für Männer und Frauen
in Westdeutschland im Jahr ���� (in Prozent)

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Männer Frauen

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Ost-Biografien stützen Frauenrenten

Quelle: Deutsche Rentenversicherung

Verteilung der Zahlbeträge der Versichertenrenten für Männer und Frauen
in Ostdeutschland im Jahr ���� (in Prozent)

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ber-Chef Dara Khos-
rowshahi hat den Mord
an dem Journalisten Ja-
mal Khashoggi einen „Fehler“
der saudi-arabischen Regierung
genannt – und mit dem Unfall
des Roboter-Autos verglichen,
das im vergangenen Jahr eine
Frau überfuhr.


VON STEFAN BEUTELSBACHER
AUS NEW YORK

„„„Wir haben auch Fehler ge-Wir haben auch Fehler ge-
macht, beim autonomen Fah-


ren“, sagte der Manager in ei-
nem Interview der US-Sen-
dung „Axios on HBO“. „Men-
schen machen Fehler“ fuhr er
fffort, „das bedeutet nicht, dassort, „das bedeutet nicht, dass
ihnen niemals vergeben wer-
den kann.“
Bei dem „Fehler“ Saudi-Ara-
biens, von dem Khosrowshahi
sprach, hatte im Oktober vergan-
genen Jahres ein Sonderkom-
mando Khashoggi in Istanbul ge-
fangen genommen, getötet und
zerstückelt. Der saudische Kron-
prinz Mohammed bin Salman

übernahm die Verantwortung für
die Tat, bestritt aber, die Tötung
angeordnet zu haben.
Nach der Ausstrahlung des In-
terviews nahm Uber-Chef Khos-
rowshahi seine Bemerkungen
zurück. „Ich habe in dem Mo-
ment etwas gesagt, was ich nicht
glaube“, teilte er in einer Erklä-
rung mit. Khosrowshahi nannte
den Mord an Khashoggi „ver-
werflich“. Die Tat dürfe nicht
vergessen werden.
Khosrowshahi traf die Aussa-
gen während einer Diskussion

über Ubers Beziehung zu Saudi-
Arabien. Der Chef des saudi-
schen Staatsfonds PIF, Yasir Al-
Rumayyan, sitzt im Aufsichtsrat
von Uber. Der Fonds ist mit 5,
Prozent an dem amerikanischen
Fahrtenvermittler beteiligt und
damit sein fünftgrößter Aktio-
när. Khosrowshahi nannte Al-
Rumayyan ein „sehr konstrukti-
ves“ Vorstandsmitglied, dessen
Arbeit er schätze.
In der vergangenen Woche
hatten US-Ermittler ihren Be-
richt zu dem Unfall des Uber-

Testfahrzeugs im März vergange-
nen Jahres im Bundesstaat Arizo-
na vorgelegt – es war der erste
Unfall mit einem autonomen
Wagen überhaupt. Die Experten
stellten Probleme mit der Soft-
ware des Autos fest.
Unter anderem waren Fuß-
gänger, die Straßen an nicht vor-
geschriebenen Stellen überque-
ren, nicht als Kategorie pro-
grammiert worden. Das Fahr-
zeug war also unfähig, Passanten
zu erkennen, die sich nicht an
die Regeln halten.

Uber-Chef vergleicht Mord an Khashoggi mit Auto-Unfall


Für Dara Khosrowshahi war die Tötung des Journalisten ein „Fehler“. Später nimmt er seine Bemerkung wieder zurück

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