Die Zeit - 14.07.2019

(Jacob Rumans) #1

reifen. »Manchmal sitzen wir dann tagelang in einem
Zimmer und zählen Scheine«, sagt ein Fahnder aus
Spanien, der bei solchen Aktionen öfter dabei ist. Bei
Europol bemerkt man, dass viel Bargeld nach Deutsch-
land geschafft wird, um es dann, etwa mittels Autohan-
del, zu waschen.


Die Musterschüler
»... nicht zu viel bescheißen«

Ist Deutschland also besonders nachlässig im Kampf gegen
die Geldwäscher? Das Bundesfinanzministerium hat vor
wenigen Wochen die Erste Nationale Risikoanalyse in Sa-
chen Geldwäsche veröffentlicht. Darin wird die Gefahr für
Deutschland in Bezug auf Geldwäsche als »mittel-hoch«
eingestuft. Die internationale Verflechtung der deutschen
Wirtschaft und die hohe Attraktivität des Landes und
seiner Unternehmen zögen eben auch Kriminelle an.
Hinzu käme die »Bargeldintensität des Wirtschaftskreis-
laufes«. In anderen Worten: Deutschland ist die viertgröß-
te Volkswirtschaft der Welt und allein deshalb ein interes-
santer Markt für Finanzkriminelle. Und weil man praktisch
überall bar bezahlen kann, steigt das Risiko. Wo viele
Waren ge- und verkauft werden, wo Güter im- und expor-
tiert werden, gehen verdächtige Transaktionen unter.
Nächstes Jahr wird die Financial Action Task Force
(FATF), ein Zusammenschluss von 35 Staaten zur Be-
kämpfung der Finanzkriminalität und Terrorismusfinan-
zierung, Deutschlands Fortschritte in dem Bereich eva-
luieren. Die Prüfer untersuchen, wie effektiv die Maß-
nahmen der Behörden sind, Geldwäsche zu unterbinden.
Bei der letzten Prüfung 2010 schnitt Deutschland nicht
besonders gut ab, vor allem wurde bemängelt, dass Makler,
Juweliere und Kasinos unzureichend kontrolliert würden.
Die neuerliche Überprüfung Deutschlands sorgt in man-
cher Dienststelle und in manchem Ministerium für rege
Betriebsamkeit. »Uns wurde von oben gesagt, wir sollen
nicht durchfallen, dabei aber nicht zu viel bescheißen«,
sagt einer, dessen Behörde sich auf die Prüfung vorbereitet.
Auch aus anderen Ämtern wird berichtet, man solle nicht
mehr so schlecht dastehen wie beim letzten Mal. Das heißt
konkret: Erfolge vorweisen.
Eigentlich sollte alles längst besser werden. Dafür
hatte Deutschland 2017 eine Spezialeinheit beim Zoll-
kriminalamt untergebracht.


Deutsche Gründlichkeit
»Das grenzt an Strafvereitelung«

Das Bundesfinanzministerium an der Wilhelmstraße in
Berlin. Christof Schulte empfängt im vierten Stock, den
man mit dem Paternoster erreicht. Schulte ist Chef der
FIU, also der deutschen Financial Intelligence Unit, und
damit oberster Geldwäsche-Bekämpfer der Republik. Zu-
gleich ist er Verwalter des Chaos, was aber nicht wirklich
seine Schuld ist. Er spricht von einer »zugegebenermaßen
schwierigen Anfangsphase« seiner Behörde. 2017 hatte es
der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
sehr eilig. Die Zentralstelle für Geldwäsche-Bekämpfung
sollte vom Bundeskriminalamt zum Zoll umziehen. Wie
in anderen europäischen Staaten sollte eine FIU als zen-
trale Anlaufstelle geschaffen werden. Banken, Notare,
Immobilienmakler, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und
Güterhändler müssen seither verdächtige Transaktionen
ihrer Kunden der in Köln ansässigen Behörde melden. Die
Verdachtsmeldungen werden dort bewertet und, wenn
nötig, an die jeweiligen Landeskriminalämter weitergelei-
tet. So die Idee.
Drei Jahre später knirscht es noch immer gewaltig.
Schulte ist schon der zweite Chef der Behörde und soll nun
für Ordnung sorgen.
Das ist nicht so einfach. Denn manche Dinge lassen
sich nicht mal so eben aus der Welt schaffen. Die beim
Zoll angesiedelte FIU ist keine Strafverfolgungsbehör-
de. Die Folge: Schultes Mitarbeiter dürfen zwar in das
Polizei-Informationssystem Inpol Bund schauen. Dort
legen Beamte der Bundesländer Informationen ab, je-
doch ohne den Sachverhalt genauer zu erläutern. Aber
die FIU-Mitarbeiter dürfen nicht in die länderpolizeili-
chen Vorgangsbearbeitungsprogramme schauen, wo
praktisch alles erfasst wird: Strafanzeigen, Betrugsopfer,
Täter oder ob zu einem Sachverhalt schon irgendwo er-
mittelt wird. Dabei würden diese Informationen den
FIU-Mitarbeitern helfen, die Sachverhalte besser be-
werten zu können. Künftig sollen sie aber, so sieht es der
Entwurf des überarbeiteten Geldwäschegesetzes vor, in
das staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister schauen.
Und auch das ist wieder nicht allen recht. Viele Krimi-
nalbeamte fürchten nämlich, dass so sensible Daten an
eine außenstehende Behörde gelangen könnten.
Hinzu kommt: Schulte fehlen die Leute. 475 Stellen
braucht die FIU, aber nur rund 270 Festangestellte ar-
beiten dort momentan. Weitere 160 Mitarbeiter wurden
vom Zoll ausgeliehen. Vor Ende 2026 wird die FIU wohl
kaum alle Stellen besetzt haben. Der Grund dafür ist recht
einfach: So viele Experten gibt es in Deutschland auf
diesem Gebiet nicht. Und es ist eben nicht gerade einfach,
Spezialisten von Banken für die Gehälter im öffentlichen
Dienst zu begeistern.
Die Folge: Im September 2019 lagen bei der FIU
48.229 Verdachtsmeldungen zur Bearbeitung. Das be-


Fortsetzung von S.21


76 .137
Finanzsektor

Nichts sehen


Anzahl der Geldwäsche-
Verdachtsmeldungen
nach Sektor
in Deutschland

31

150
Veranstalter
von Glücks-
spielen

368
Güterhändler

8 Notare

1 Treuhänder

Meldungen
Nicht-
Finanzsektor
(Auswahl):

Immobilien-
makler

Nicht-

(^597) Finanzsektor
ZEIT-GRAFI
K/Qu
elle:^
Fin
anc
ial^
Int
elli
ge
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e^ U
nit
,^ J
ah
re
be
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th
(^0 2)
18
2008
7349
9756
11.71213.544
15.496
20.716
25.980
32.008
45.597
59.845
77.252
09 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Gefahr
im Verzug
Entwicklung
der Geldwäsche-
Verdachtsmeldungen
in Deutschland
Schmutzige
Geschäfte
Anzahl verdächtiger
Transaktionen nach
Herkunftsland
0
unter 250
250 bis unter 1000
1000 bis unter 5000
über 10.000
HINTER DER GESCHICHTE
Ausgangsfrage: Haben deutsche Ermittler eine
Chance gegen internationale Geldwäscher?
Die Recherche: Der Autor reiste quer durch
Deutschland, und er recherchierte in den
Nachbarländern. Mal traf er die Gesprächspartner
in deren Büro, mal am Bratwurststand. Viele
waren nach einem Vorgespräch bereit, über ihre
Arbeit zu berichten, meist aber nur, wenn ihre
Identität geschützt blieb.
richtete das Finanzministerium auf eine Anfrage des stell-
vertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Fabio de
Masi. Ein Unding, findet der Oppositionspolitiker und
fordert: »Wir brauchen eine richtige Finanzpolizei. Die
Landeskriminalämter müssen bereits bei der ersten Be-
wertung dieser Meldungen mit ihrer kriminalistischen
Expertise mit am Tisch sitzen.« Ein Kriminalbeamter sagt
zu dem Bearbeitungsstau: »Da liegen Meldungen der
Banken zu Terrorismusfinanzierung, Organisierter Krimi-
nalität, Geldwäsche. Dass die so lange liegen bleiben, das
grenzt an Strafvereitelung.«
Schulte wehrt sich gegen den Vorwurf. »Unsere Ana-
lysten bewerten alle Verdachtsmeldungen unmittelbar
nach Eingang darauf, ob hier sofort gehandelt werden
muss«, sagt er, nichts bleibe unbearbeitet liegen. Im Üb-
rigen seien allein im vergangenen Monat 4000 solcher
Meldungen abgearbeitet worden. »Wir werden also besser
und schneller«, sagt er.
Was seine Arbeit besonders schwierig macht, ist, dass
die Hinweisgeber nicht besonders eifrig sind. Von 77.252
Geldwäscheverdachtsmeldungen, die im vergangenen Jahr
bei der FIU eingingen, kamen 76.137 aus dem Finanz-
sektor. Steuerberater hingegen hielten nur vier Transaktio-
nen für verdächtig, Wirtschaftsprüfer zwei und Treuhänder,
nun ja, eine einzige – in einem ganzen Jahr. Da heben sich
Immobilienmakler mit 31 abgesendeten Verdachtsmel-
dungen schon fast positiv ab.
Dabei ist die Zahl ein Witz. Kaum ein Sektor erlebt seit
Jahren einen solchen Boom wie die Immobilienbranche.
Das Bundesfinanzministerium attestiert dem Sektor in
seiner Risiko-Analyse ein »hohes« Geldwäscherisiko. Die
FIU schreibt in ihrem Jahresbericht 2018, der Erwerb von
Luxusimmobilien werde »als ein attraktiver Weg gesehen,
um anonym Gelder zu waschen«. Und diejenigen, die die
Wohnungen verkaufen? Sehen nichts, hören nichts, sagen
nichts. Aber es kann noch schlimmer kommen.
Kleine Vergehen
»Das hätte man sich greifen müssen,
weg, weg, weg damit!«
Da war dieser merkwürdige Immobiliendeal. In einem
attraktiven Viertel einer westdeutschen Stadt hatte ein
Investor ein Mietshaus gekauft. Kaum war der Notarver-
trag unterzeichnet, bot der Besitzer den Mietern Geld,
wenn sie freiwillig aus ihren Wohnungen auszögen, je
schneller, desto besser. Wer sich darauf einließ, dem über-
gab er den Betrag in bar. Dann sanierte er das Haus. Fas-
sade, Dach, Fenster, alles wurde neu gemacht. Es kamen
Maler, Klempner, Tischler, Elektriker. Und viele von ihnen
kassierten in bar. Bald darauf bekam auch die Polizei etwas
mit. Weil man sofort an Geldwäsche dachte, landete die
Sache bei Kommissar Stetten*.
Als Stetten anfing, wusste er, was vor ihm lag. »Wer
etwas zu verschleiern hat, der kauft ein Haus nicht als
Privatperson, sondern mit einer GmbH«, sagt er. »Da
steht dann nicht Olga Soundso aus der Ukraine im
Grundbuch, sondern der Name irgendeiner Gesell-
schaft.« Deren Anteile lassen sich später auch einfacher
handeln. Und nicht selten haben diese Gesellschaften
als Anteilseigner eine Firma auf den Kanalinseln, in
Belize oder Zypern. Deshalb kommt man oft nicht
weiter. Auch die Suche in den deutschen Grund-
büchern ist mühsam, sie werden bei den Amtsgerichten
geführt. Nicht alle sind digital, und wenn doch, finden
sich darin immer wieder Übertragungsfehler. Ein zen-
trales Register, in dem man herausfindet, wem in
Deutschland welche Immobilie gehört, wäre für die
Ermittlungsarbeit ein Traum. Aber das gibt es nicht.
»Sie wissen ja gar nicht, was wir alles nicht wissen«, sagt
dazu ein anderer Beamter.
Im Falle der aufwendig sanierten Immobilie hat Stetten
einen Verdacht: Der Bauherr sei nicht in der Immobilien-
branche reich geworden, sondern im Drogenhandel. Als
er das Haus nach der Sanierung Wohnung für Wohnung
verkaufte, konnte er so seine zuvor investierten Euro-
Scheine in seriös verdiente Erträge aus einem Immobilien-
deal verwandeln. Für Stetten und seine Kollegen war der
Fall klar: Geldwäsche.
Bei derartigen Verfahren wird oft wegen Steuerdelikten
angeklagt, weil die sich leichter belegen lassen. Die Staats-
anwaltschaft will vor Gericht auch keine Niederlage kas-
sieren. »Das versteht man in solchen Fällen oft nicht!«,
ärgert sich Stetten. »Man müsste alles einziehen, alles be-
schlagnahmen, alles, was nicht sauber ist, müsste man weg-
nehmen, da geht es doch um illegal verdientes Geld. Das
müsste man sich greifen, weg, weg, weg damit!« Es passiert
selten. Weil die Beweisführung in Geldwäschesachen oft
schwierig ist.
Das frustriert nicht nur Ermittler wie Stetten. »Ich
fühle mich manchmal ausgebremst«, sagt Hoffmann. »Man
kann doch mit unseren Ermittlungen so viel mehr ma-
chen«, sagt ein anderer Ermittler.
Was er meint: Wenn man die Geldflüsse kennt, wenn
man weiß, wer wem was bezahlt hat, lässt sich das Netzwerk
der Kriminellen ausleuchten. In der Regel findet man dann
Hintermänner, internationale Strukturen, weitere Taten.
Es ist eigentlich eine alte Gewissheit der Kriminalistik:
Wenn Strafverfolger der Spur des Geldes folgen, führt
diese sie irgendwann auch zur Tat.
Man muss die Ermittler nur lassen.



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