Neue Zürcher Zeitung - 30.10.2019

(Michael S) #1

2INTERNATIONAL Donnerstag, 31. Oktober 2019


Der72Todesopferwirdauf der Hüllegedacht,welche die Ruine umgibt.D. KITWOOD/GETTY

Grenfell-Bericht kritisiert Feuerwehr


mhf. London· Die richterliche Enquête
über den Grenfell-Grossbrand in Lon-
don hat am Mittwoch die erste Phase
ihrer Untersuchungen abgeschlos-
sen und einen in vierBände geglieder-
ten Bericht veröffentlicht. Bei der Ka-
tastrophe in einemWohnhochhaus in
Westlondon imJuni 20 17 waren 72Per-
sonen ums Leben gekommen.Laut dem
Vorsitzenden derKommission, Martin
Moore-Bick, war in erster Linie das Ma-
terialderAussenfassade für die verhee-
rendrascheAusbreitungdesFeuers ver-
antwortlich. Gründe undVerfehlungen
in diesem Zusammenhang sollen jedoch
erst in einer zweiten Phase untersucht
werden, die bis 2022 dauert. Zunächst
ging es um den Ablauf des Unglücks

und dieRettungsanstrengungen. Der
Bericht hebt Mut undAufopferungs-
bereitschaft derFeuerwehrleute hervor,
die viele Bewohner evakuiert und ge-
rettet hätten. IhreVorgesetzten werden
jedoch kritisiert. DerRatschlag an Be-
wohner, im vermeintlichen Schutz ihrer
Wohnungen aufRettung zu warten, sei
irreführend gewesen und zu lange auf-
rechterhalten worden. Befehlshaber vor
Ort seien nicht geschult gewesen zu er-
kennen, wann die Doktrin hätte aufge-
geben werden müssen. DieFolge seien
weitereTodesopfer gewesen, heisst es.
Zu den «institutionellen Mängeln» ge-
hörte laut dem Bericht auch dieKom-
munikation zwischen Einsatzzentrale
undFeuerwehrleuten.

Lücken im Protokoll von


Trumps Ukraine-Telefonat


(dpa)· In dem veröffentlichten Proto-
koll zumTelefonat zwischen dem ame-
rikanischen Präsidenten DonaldTr ump
und seinem ukrainischen Amtskollegen
Wolodimir Selenski fehlen nach An-
gabeneines Zeugen wichtige Punkte.
Das sagte Alexander Vindman, der
Ukraine-Experte im Nationalen Sicher-
heitsrat der USA, in einer nichtöffent-
lichen Sitzungvor demKongress aus,
wie mehrereMedien nach seinemAuf-
tritt berichteten. Das Telefonat steht
im Zentrum der Ukraine-Affäre um
einen möglichen Amtsmissbrauch durch
Tr ump.Vindman hatte das Gespräch da-
mals nach eigenen Angaben live mitge-
hört. Er sagte laut den Medienberich-
ten aus,Trump habe in demTelefonat
aufTonaufnahmen vonJoe Biden zur
Ukraine hingewiesen, und Selenski habe
explizit das Energieunternehmen Bu-


IN KÜRZE


US-Abgeordnete prangern
Genozid an Armeniern an
(dpa)· Das amerikanischeRepräsentan-
tenhaus hat das Massaker an den Arme-
niern im OsmanischenReich alsVölker-
mordverurteilt – aus Protest darauf hat
dieTürkei den Botschafter der USA
einbestellt.Das berichtete die staatliche
Nachrichtenagentur Anadolu am Mitt-
woch unter Berufung auf diplomatische
Quellen. Zweiter Grund für die Einbe-
stellung des BotschaftersDavid Satter-
field sei die Billigung eines Gesetzesent-
wurfs durch dasRepräsentantenhaus,
der Sanktionen gegen dieTürkei wegen
des Einmarschs inSyrien vorsieht. Das
Repräsentantenhaus hatte eineResolu-
tion verabschiedet, in der es heisst, die
USA anerkennten denVölkermord an
den Armeniern und verurteilten die
Tötung von1,5Millionen Armeniern

Steuerrazzia
bei ungarischer Opposition
(dpa)· Die ungarische Steuerfahndung
hat das Hauptquartier der liberalen
Oppositionspartei Momentum unange-
kündigt durchsucht. Die Beamten hiel-
ten sich zwei Stunden in den Büroräum-
lichkeiten auf und nahmen Unterlagen
im Zusammenhang mit denParlaments-
wahlen 2018 mit, wie ein Sprecher der
Partei dem Internetportal Index sagte.
Den anwesenden Momentum-Mit-
arbeitern teilten dieFahnder mit, dass
dieDurchsuchung zur Sicherstellung
von Beweismitteln im Zusammenhang
mit einem Strafverfahren wegenVer-
dachts auf Haushaltsbetrug erfolge. Die
Behörde äusserte sich nicht öffentlich.
Bei Momentum hat mankeineKennt-
nisse von einem anhängigen Strafver-
fahren. Zwar hatte derRechnungshof
diePartei imVorjahr angezeigt,weil sie
auf eine falsch adressierteAufforderung
zur Beibringung von Dokumenten nicht
reagiert hatte. Doch die Angelegenheit
gilt als bereinigt. Beobachter gehen von
politischen Motiven für dieRazzia aus.

Schütze vonBayonne
unzurechnungsfähig

(dpa)· Der Angriff auf eine Moschee
im SüdwestenFrankreichs ist vorerst
keinFall für die Anti-Terror-Ermittler.
Der 84-jährige Schütze sei geistig nicht
ganz zurechnungsfähig gewesen, teilte
die Staatsanwaltschaft von Bayonne
mit. Der Mann leide an einer «teilwei-
sen Beeinträchtigung seines Urteilsver-
mögens und/oder seinerKontrolle über
seine Handlungen». Das gehe aus einem
psychiatrischen Gutachten hervor.
Der Senior hatte am Montag vor der
Moschee inBayonne dasFeuer eröff-
net und einen74-Jährigen sowie einen
78-Jährigen schwer verletzt.

risma, in dem Bidens Sohn tätig war, in
dem Gespräch erwähnt. Beides tauche
in dem vomWeissen Haus veröffentlich-
ten Gesprächsprotokoll aber nicht auf.

AUFGEFALLEN


Nicht jeder darf ins


kaschmirische «Paradies»


MarcoKauffmannBossart, Mumbai· RahulGandhi,Abkömm-
ling der bekanntestenPolitikerdynastie Indiens, schaffte es nur
bis zum Flughafen. Eine Stunde nach derLandungim indi-
schenTeil Kaschmirs wurden Gandhi und andere Oppositions-
politiker EndeAugust in den nächsten Fliegerkomplimentiert.
DieParlamentarier aus Delhi wollten sich eigentlich einen
Eindruck von derLage in dem Gliedstaat verschaffen, der am


  1. August ihrenAutonomiestatus verloren hatte. Aus Angst vor
    Protesten in der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Un-
    ruheregion nahmen die indischen SicherheitskräfteTausende
    in Gewahrsam. Internet undTelefonnetze wurden abgestellt.
    Obwohl die Hindu-nationalistischeRegierung von Naren-
    dra Modi seit einigenWochen verbreitet, in Kaschmir sei Nor-
    malität eingekehrt, bleibt der Zutritt höchstrestriktiv.Aus-
    ländischeJournalisten erhaltenkeine Besuchserlaubnis für
    das Gebiet, das IndiensTourismusleute wegen der landschaft-
    lichenVorzüge alsParadies auf Erden vermarkten. EinReise-
    antrag des amerikanischen Senators ChrisVan Hollenbeant-
    wortete die indischeRegierung ebenfalls abschlägig.
    Die Nachricht, dass dieserTage zweiDutzend europäische
    Parlamentarier zu einer Erkundungstour geladen wurden,
    sorgte in Diplomatenkreisen deshalb für einiges Erstaunen.
    Vorweg empfing Modi die Delegation sogar. DieReise biete
    Gelegenheit, die kulturelle undreligiöseVielfalt derRegion
    zu verstehen, liess das Büro des Premierministers verlauten.
    Bei der Zusammenstellung der Gästeliste hingegen wurde we-
    nigWert aufVielfalt gelegt. 22 von 27 Abgeordneten vertreten
    Parteien am äusserstenrechtenRand: Es sind Mitglieder der
    deutschen AfD oder des französischenRassemblement natio-
    nal von Marine LePen. Die Europäische Union beeilte sich,
    klarzustellen, dass die Abgeordneten nicht in offizieller Mis-
    sion unterwegs seien.Darüber, was Indien sich von dieser Be-
    suchergruppe erhofft, kann man bloss spekulieren. EineThese
    li egt freilich auf der Hand:Politiker, die zu Islamophobienei-
    gen, sehen wohl eher darüber hinweg, wennMuslime drang-
    saliert werden.


Die EU bau t
den Grenzschutz stark aus
(afp/dpa)· Die EU-Botschafter der Mit-
gliedstaaten haben am Mittwoch grü-
nes Licht für denAusbau der europäi-
schen Grenz- undKüstenschutzagen-
turFrontex gegeben. Die Zustimmung
derMinister ist nur noch eineForma-
lität. Die Behörde soll nun bis 2027 auf
rund 10 000 Grenzschützer ausgebaut
werden und erweiterte Eingriffsbefug-
nisse erhalten.Via Schengen-Abkom-
men beteiligt sich auch die Schweiz an
der Behörde mit Sitz inWarschau, die
seit 2004 für Grenzschutzfragen zustän-
dig ist. Die EU-Grenzschützer sollen die
nationalen Behörden bei Abschiebun-
gen unterstützenund in Drittstaaten zum
Einsatzkommen. Die Experten der Be-
hörde erstellen Risikoanalysen und sor-
gen dafür,dass an allenAussengrenzen
nach denselben Standardskontrolliert
wird – auch im Kampf gegenTerroris-
mus oder gegen organisierte Kriminali-
tät. In Krisensituationenkönnen sie Mit-
gliedstaaten mit Beamten unterstützen.
Derzeit hatFrontex knapp 700 feste Mit-
arbeiter.Angesichts der Flüchtlingskrise
beschlossdie EU schon 20 16, diese Zahl
bis 2020 auf 10 00 Mitarbeiter zu erhöhen.

Klimagipfel in Chile
abgesagt

(dpa)· Chile hat dieAusrichtung der
nächstenWeltklimakonferenzimDezem-
ber und des Asien-Pazifik-Gipfels im
November abgesagt. Staatschef Sebas-
tián Piñera begründete dies in Santiago
de Chile mit den anhaltenden Unruhen
in seinemLand. Die Klimadiplomaten
hatten sich von 2. bis 13. Dezember in der
chilenischen Hauptstadt treffen wollen.
«Angesichts der schwierigen Umstände,
die unserLand in den letztenWochen er-
lebt, hat unsereRegierung beschlossen,
auf die beiden Gipfeltreffen zu verzich-
ten», sagte Staatschef Sebastián Piñera.
DieRegierung müsse sich jetzt in erster
Linie der Befriedung und derAusarbei-
tung vonReformen widmen, die denFor-
derungen der Protestwelle gerecht wür-
den. Die jährlichen Klimagipfel dienen
dazu, die Umsetzung desPariser Klima-
abkommens voranzutreiben. Im polni-
schen Kattowitz gab es vergangenesJahr
mehr als 20 000 Teilnehmer.
Israel verurteilt So ldat nach
Tötung eines Palästinensers

(dpa)· Ein israelisches Militärgericht hat
einen Soldaten nach derTötung eines
Palästinensers an der Grenze zum Ga-
zastreifen verurteilt. Er habe am 13.Juli
2018 auf einenPalästinenser geschos-
sen, der den Grenzzaun hochgeklettert
sei, teilte die Armee mit. «Der Soldat
hat nicht in Übereinstimmung mit den
Einsatzregeln geschossen und nicht in
Übereinstimmung mit den Anweisun-
gen, die er erhalten hat.» Bei dem Er-
schossenen handelte es sich laut dem Al-
Misan-Zentrum fürMenschenrechte um
einen15-Jährigen. Der Soldat ging einen
Deal mit der Anklage ein und wurde zu
30 Tagen Gefängnis inForm militäri-
scher Arbeit verurteilt und degradiert.

durch das OsmanischeReich.Das tür-
kischeAussenministerium protestierte
umgehend und erklärte, die Resolu-
tion sei innenpolitisch motiviert und
habekeine «historische oderrechtliche
Grundlage».

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