Süddeutsche Zeitung - 07.11.2019

(nextflipdebug5) #1
von norbert hofmann

N


ur wenn beim Hausbau ordentlich
gearbeitet wird, können sich Eigen-
heimbesitzer später in ihrem Zu-
hause so richtig wohlfühlen. Auf der
Baustelle sind versierte Fachleute gefragt.
So manche Häuslebauer mit handwerkli-
chem Geschick greifen aber auch selbst zu
Hammer und Pinsel, Spachtel und Kelle.
Sie sind überzeugt, dass sie das gut hinkrie-
gen und so den Bau der eigenen vier Wän-
de finanziell leichter stemmen können. In
der Tat gibt es hier ein großes Sparpotenzi-
al. „Beim Bau eines Einfamilienhauses las-
sen sich durch Eigenleistung Kosten im bis
zu fünfstelligen Bereich sparen“, sagt Rena-
te Schulz, Architektin in München und Bau-
herrenberaterin des Bauherren-Schutz-
bunds e. V. (BSB). Sie gibt aber auch zu
bedenken: Es ist mit viel Arbeit und nicht
zu unterschätzenden Risiken verbunden.


Die Überlegung, selbst Hand anzulegen,
liegt gerade angesichts der immer schnel-
ler steigenden Baupreise nahe. Wie schon
2018 sind sie auch in diesem Jahr um mehr
als vier Prozent gegenüber dem Vorjahr ge-
stiegen – deutlich über der Inflationsrate.
Und die Baupreise legten zuletzt rund drei-
mal so schnell zu wie im Jahr 2015. Über-
durchschnittlich teurer geworden sind
Beton- und Mauerarbeiten, wesentliche
Treiber des Trends sind Lohnerhöhungen
und gestiegene Materialkosten. Die Immo-
bilienbranche macht zudem die knappen
Kapazitäten der ausgelasteten Baufirmen
als Preistreiber aus.
Doch welche Kostenersparnisse können
Bauherren, die selbst mitanpacken, tat-
sächlich realisieren? Expertin Schulz rech-
net vor, dass im Einfamilienhaus für das
Legen von Fliesen und Platten, für Malerar-
beiten sowie für den Einbau von Boden-
belägen gut und gerne jeweils 5000 Euro
anfallen. Wer diese Arbeiten selbst über-
nimmt, kann also etwa 15 000 Euro spa-
ren. „Gemessen an den gesamten Baukos-
ten von beispielsweise 300 000 Euro sind


das aber nur fünf Prozent, weil Eigenleis-
tungen ja nur die reinen Arbeitskosten sen-
ken“, betont Schulz.
Zwar trauen sich handwerklich geübte
Bauherren auch schon einmal zu, beim
Rohbau mitzumischen und damit viel-
leicht noch einmal weitere 10 000 Euro zu
sparen. Immerhin entfallen auf den Roh-
bau circa 50 Prozent der Baukosten. Selbst
mauern und zimmern oder sogar Leitun-
gen verlegen? Auch fachlich versierte Häus-
lebauer sollten es sich zweimal überlegen
oder zumindest bei allen Arbeitsschritten
die laufende Beratung durch Experten
suchen. Denn vom Fundament bis zum
Aufziehen der Mauern und dem Dachstuhl
sind viele wichtige Details wie Bodenbe-
schaffenheit, Statik, Normen und Sicher-
heitsvorkehrungen zu berücksichtigen.
Nicht fachgemäßes Vorgehen kann da-
gegen nicht nur zu Bußgeldern und Folge-
schäden im Bauprozess führen, sondern
sogar lebensgefährlich werden. „Wer nicht
Fachmann ist, sollte insbesondere von
Elektro- und Sanitärarbeiten die Finger
lassen“, sagt Schulz. Viele Generalunter-
nehmer, die für Grundstückseigentümer
den Bau eines Gebäudes übernehmen, las-
sen Arbeiten in Eigenregie oft gar nicht zu.
Auch Sonja Bertsch, Architektin und
Mitglied im Architekten- und Ingenieur-
Verein (AIV) zu Berlin, ist skeptisch: „Dach-
deckerarbeiten und Haustechnikinstallati-
on etwa kommen keinesfalls für die Eigen-
leistung infrage.“ Ihr Büro legt allein schon
wegen der Gewährleistungspflicht großen
Wert auf die Zusammenarbeit mit Fach-
leuten, denn Architekten stehen für Fehler
am Bau in der gemeinschaftlichen Haf-
tung. „Wenn der Bauherr beispielsweise
selbst malern will, würden wir die Gewähr-
leistung – also die Haftung – für seinen
Part ablehnen“, so Bertsch. Wer dennoch
selbst malert, müsste also auch für die
Mängelbeseitigung selbst aufkommen.
Die Architektin würde Bauherrn zudem
nur solche Arbeiten überlassen, auf denen
keine Folgetätigkeit aufbaut. Allzu oft wird
der Zeitaufwand für die selbsterledigten
Bauschritte unterschätzt – mit kostspieli-
gen Folgen. Ein Beispiel: Der Häuslebauer
traut sich zu, einzelne Rohmaterialien in
seiner Freizeit abends oder am Wochenen-
de selbst zu grundieren und zu streichen.

„Wird er aber nicht rechtzeitig fertig,
macht der mit dem Einbau der Teile beauf-
tragte Zimmermann seine Rechnung für
die freigehaltene Zeit geltend, und der Bau-
ablauf verzögert sich zusätzlich, bis ein
neuer Termin steht“, sagt Bertsch.
Bauherren laufen bei Eigenleistungen
schnell mal Gefahr, dass ihnen die Schuld
für Bauverzögerungen zugeschoben wird.
„Wer etwa die Fliesen selbst verlegt, muss
die vorhergehende Arbeit des Estrichlegers
fachlich beurteilen können und nimmt des-
sen Leistung automatisch ab“, sagt Ger-
hard Schoberth, Bauherrenberater im Weil-
heimer Regionalbüro des Verbandes Priva-
ter Bauherren (VPB). Ist er sich dessen nicht
bewusst, riskiert er, dass der Estrichleger
die Fliesenverlegung des Bauherrn zum Bei-
spiel für einen später erkannten Riss im Bo-
den verantwortlich macht. Fehler beim
eigenständigen Fliesen können erhebliche
Folgeschäden nach sich ziehen. „Häufig
wird nicht bedacht, dass unter den Fliesen

auch Abdichtungen auf dem Putz ange-
bracht werden müssen, für die es eine spezi-
elle Norm, die DIN 18534, gibt“, erläutert
Schoberth. Wer es vergisst, riskiert Wasser-
schäden, die erst später als dunkle Flecken
an einer angrenzenden Wand erkannt wer-
den könnten.
Architekt Schoberth betont, wie wichtig
professionelles Arbeiten an der Baustelle
ist. „Ich rate zur Vorsicht, weil sich viele
Leute mit Blick auf die erforderliche Quali-
tät und den Zeitaufwand überschätzen“,
sagt er. Ebenso sei die Geldersparnis oft
nicht so groß wie gedacht. Mitunter ist es
ja verlockend, etwa die Innentüren im
Handel eigenständig auszusuchen. Der
Generalunternehmer gewährt dann viel-
leicht für zehn Türen einen Nachlass von
3500 Euro. Weil er auf seinen einkalkulier-
ten Gewinn nicht verzichten will, so Scho-
berth, erstatte er in der Regel allerdings
nur den Selbstkostenpreis. Hinzu kommt:
Auch beim Einbau ist einiges Geschick er-

forderlich. Die Türen müssen mit der
Wasserwaage ausgerichtet, mit Klötzchen
und Keilen lagestabil fixiert und schließ-
lich befestigt werden.
Ein Teil der Ersparnis wird womöglich
schon wieder dadurch aufgezehrt, dass ein
Fachhandwerker die Türen vielleicht güns-
tiger einkaufen kann. „Handwerker erhal-
ten bei der Materialbeschaffung in der Re-
gel Sonderkonditionen und können zudem
nicht benötigtes Material auch zurückge-
ben“, sagt AIV-Mitglied und Architektin
Bertsch. Hinzu kommt, dass Handwerker
für nicht von ihnen selbst besorgtes Materi-
al keine Haftung übernehmen.
Unabhängig von möglichen Kostener-
sparnissen durch den Verzicht auf Hand-
werker hat die Eigenleistung am Bau auch
noch andere finanzielle Seiten. Wer etwa
Unterstützung durch Freunde und Bekann-
te bekommt, muss diese bei der Berufsge-
nossenschaft anmelden. „Damit ist dann
auch ein Unfallversicherungsschutz ver-

bunden“, erläutert Beraterin Schulz. Die
Bauherren selbst sowie ihre Ehepartner
sind damit allerdings nicht abgesichert.
Bei einem größeren Anteil an Eigenleistun-
gen sollte rechtzeitig an den Abschluss der
Bauhelferversicherung gedacht werden.
Ebenso kann die Eigenleistung ein The-
ma beim Finanzierungsgespräch sein.
„Banken sind durchaus bereit, sie als zu-
sätzlichen Wert bei der Besicherung zu be-
rücksichtigen“, sagt Schoberth. Die „Mus-
kelhypothek“ könne die Sicherheit um ein
paar Tausend Euro erhöhen. Allzu groß ist
der Effekt angesichts des doch relativ mo-
deraten Anteils der Arbeitskosten am ge-
samten Baupreis aber nicht.

Selbstgemacht: Weil die Baukosten gestiegen sind, packen viele Bauherren selbst an. FOTO: IMAGO

Wer kann,


der kann


Fliesen legen, Wände streichen: Wer selbst Hand
anlegt, kann beim Hausbau eine Menge Geld sparen.
Doch viele Bauherren unterschätzen die Risiken

Bauen, Renovieren, Finanzieren
Verantwortlich: Peter Fahrenholz
Redaktion: Marianne Körber, Andreas Remien
Anzeigen: Jürgen Maukner

DEFGH Nr. 257, Donnerstag, 7. November 2019 SZ SPEZIAL – BAUEN, RENOVIEREN, FINANZIEREN 21


Handwerker können


Materialienoft


günstiger einkaufen


Die Brillux Dämm-Initiative:Entdecken Sie unsereWärmedämm-
Verbundsysteme, die dafür sorgen, dass Wärme genau dableibt,

wo sie gebraucht wird: in Ihrem Zuhause.


Jetzt informieren unter
http://www.brillux.de/dämmen

WER


DÄMMT,


GEWINNT.

Free download pdf