Süddeutsche Zeitung - 07.11.2019

(nextflipdebug5) #1
von silke bigalke

S


ie hatten ihn nach Sibirien ver-
bannt, natürlich dorthin. Im abgele-
genen, damals sicher recht sumpfi-
gen Tobolsk verbrachte der letzte
russische Zar einige der ihm noch verblei-
benden Monate seines Lebens. Das Ende
der Wegstrecke waren er, seine Frau und
die fünf Kinder mit dem Schiff gekommen,
über Flüsse, durch Moorlandschaft und
Wälder. Sie mussten weg aus Sankt Peters-
burg, in die raue Weite des Kontinents, die
Sibirien damals für viele Menschen zum
Gefängnis machte. Heute versucht man,
Besucher herzulocken. Wobei Sibirien so
unfassbar groß ist, dass gleich mehrere
Welten hineinzupassen scheinen. Touris-
ten denken bei Sibirien wohl zuerst ans Al-
tai-Gebirge oder den Baikalsee. Die Stadt
Tobolsk in Westsibirien liegt davon weit
entfernt, in der Region Tjumen. Allein die-
se ist fast viermal so groß wie Deutschland
und hat eine besondere Geschichte.
Das kleine Tobolsk, gegründet 1587, ist
eine der ältesten Städte Sibiriens. Einst
galt sie als Tor zu Asien, hier trafen sich
zwei Flüsse, der Tobol und der Irtysch.
Flüsse waren in Sibirien stets besonders
wichtig, ohne sie hätte man diesen un-
durchdringlichen Teil der Welt kaum er-
schließen können. Tobolsk liegt zudem an
einem Plateau, der einzigen Erhöhung mei-
lenweit. Es teilt die Stadt in ein Oben und
ein Unten. Oben steht die weiße Festung
mit der Kathedrale und ihren goldenen
Kuppeln. Es ist der einzige steinerne
Kreml östlich des Urals.
Das örtliche Tourismusamt möchte To-
bolsk nun zurückverwandeln in die kultu-

relle Hauptstadt Sibiriens, es wird dabei
aus Moskau unterstützt. 200 000 Besu-
cher kamen in den ersten neun Monaten
dieses Jahres, etwa doppelt so viele Men-
schen, wie in Tobolsk wohnen. Innerhalb
von zehn Jahren, so das Amt, sei die Touris-
tenzahl um das Zweieinhalbfache gewach-
sen. Vor allem der größte Arbeitgeber der
Region habe dazu beigetragen: Der Petro-
chemie-Konzern Sibur produziert chemi-
sche Kunststoffe unweit der Stadt, der es
daher wirtschaftlich recht gut geht. Das
Unternehmen hat kürzlich ein zweites gro-
ßes Werk gebaut und dafür viele Arbeiter
und Spezialisten auch aus dem Ausland
nach Tobolsk geholt.

Zar Nikolaus II. kam im August 1917 nach
Tobolsk. Die Familie bezog das frühere
Haus des Gouverneurs, erst vergangenes
Jahr öffnete dort ein Museum. Fotos zeigen
das Leben des Zaren im Exil, Geschirr, Ta-
schenuhren und Pfeifenköpfe liegen in Glas-
vitrinen. Es gibt Bilder vom unaufgeräum-
ten Zimmer der Zarentöchter, die es ge-
wohnt waren, mehr Personal zu haben. Ihr
Vater hatte kurz zuvor abgedankt, die Febru-
arrevolution war vorüber, die Oktoberrevo-
lution stand bevor. Die Zarenfamilie sollte
in der Ferne sicher sein vor den Bolschewiki
und den wütenden, hungernden Menschen
der Hauptstadt. Vielleicht hatte die Über-
gangsregierung aber auch deswegen Sibiri-
en gewählt, weil der Zar und seine Vorfah-
ren selbst Tausende Menschen dorthin ver-

bannt hatten. Die Museumsangestellte
spricht weniger über die Politik von damals,
sie betont die Rolle des Zaren als Vater und
Ehemann. Familie und Kinderreichtum
sind Werte, die der heutige Kreml propa-
giert, das schlägt sich in der Ausstellung nie-
der. Dort stehen auch einige nachgebaute
Möbel, das schmale Bettchen des Zaren-
sohns, der an Hämophilie litt, einer Erb-
krankheit, bei der die Blutgerinnung ge-
stört ist. Der verhältnismäßig schlichte Ess-
tisch, auf dem die Mahlzeiten bescheidener
wurden, nachdem die Bolschewiki im
Herbst 1917 die Übergangsregierung abge-
löst hatten.
Das Zarengefängnis war trotzdem ver-
gleichsweise bequem. Die weiße Steinvilla
sticht auch heute noch hervor. Sie stammt
aus einer Zeit, in der sich der untere Teil der
Stadt schnell entwickelte, damals war dort
das meiste Leben. Dort, am Fluss, wohnten
die Handwerker und reiche Kaufleute, die
sich Warenlager und prächtige Häuser bau-
ten, wie das des Gouverneurs. Tobolsk war
damals das politische und geistige Zentrum
Sibiriens. Deswegen steht die Stadt bis heu-
te voller Kirchen. Viele stammen aus dem


  1. Jahrhundert, prägten den „Sibirischen
    Barock“. Bereits seit 1705 wurden in To-
    bolsk Theaterstücke aufgeführt, die erste si-
    birische Zeitschrift wurde hier gedruckt. Es
    gab ein Gymnasium, dessen wohl berühm-
    tester Schüler dort vor mehr als 170 Jahren
    büffelte: Dmitri Mendelejew, geboren in To-
    bolsk, erfand später das Periodensystem
    der Elemente.
    Als Zar Nikolaus II. in Sibirien ankam,
    hatte die Stadt bereits viel von ihrer
    früheren Bedeutung verloren. Nachdem der
    „Sibirische Trakt“, die wichtige Fernstraße,


Ein Regierungsgremium in Israel hat
einem umstrittenenSeilbahnprojekt in
Jerusalem zugestimmt. Es handele sich
um ein strategisches Projekt zur Förde-
rung des Tourismus in der Altstadt,
sagte der zuständige Minister laut ei-
nem Bericht der Tageszeitung
Jerusalem Post. Die Seilbahn soll auf
einer 1,4 Kilometer langen Strecke vom
alten Bahnhof im Jerusalemer Westen
über den Ölberg zum Dungtor verkeh-
ren. Geplant sind 40 Kabinen für je
zehn Passagiere. Das Projekt hat viele
Kritiker. Mit der Seilbahn würde die
jüdisch-israelische Prägung der Stadt
noch verstärkt, bemängeln etwa Palästi-
nenser. Vertreter der Religionsgemein-
schaften kritisieren, die massiven Stüt-
zen kämen der Al-Aqsa-Moschee und
den Kirchen am Ölberg zu nahe. kna


In China gibt es eine neue Hochge-
schwindigkeits-Zugstrecke zwischen
den Provinzhauptstädten Guiyang in
Guizhou und Chengdu in Sichuan. Ab
Dezember kann man damit die belieb-
ten Touristenziele der beiden chinesi-
schen Regionen erreichen. Die 632 Kilo-
meter lange Bahnstrecke führt über
Brücken und Tunnel durch großteils
gebirgige Landschaft mit spektakulä-
ren Ausblicken. Die Bauzeit betrug
sechs Jahre. Im Oktober wurden bereits
Testfahrten auf der ganzen Strecke
unternommen, am 20. Dezember
nimmt die Bahn den Betrieb auf. Die
Route verbindet mehrere beliebte Touri-
stenziele der Provinz Sichuan. So kön-
nen Reisende an eigenen Haltestellen
den Zug verlassen, um den Huangguos-
hu-Wasserfall in Guizhou, den Großen
Buddha von Leshan oder den Emei
Shan, einen heiligen Berg des chinesi-
schen Buddhismus, zu besuchen. sz


Der Reisebüro-Verbund QTA und die
Organisation Atmosfair, führender
Anbieter von CO 2 -Kompensationen,
arbeiten seit Ende September zusam-
men. In den rund 8800 beteiligten Rei-
sebüros ist die Zahlung eines Klima-
schutzbeitrags nun ganz einfach mög-
lich. Der CO 2 -Rechner von Atmosfair
wurde in die Buchungsstrecke der Reise-
büros integriert. Was Urlauber zuvor
selbst machen mussten, erledigt nun
der Reisebüromitarbeiter mit ein paar
Klicks. „Wir müssen als Branche besser
deutlich machen, was wir für Nachhal-
tigkeit tun“, sagt QTA-Sprecher Thomas
Bösl, „und den Zugang zur Kompensati-
on einfacher gestalten.“ dpa


Der Klimawandel bedroht den Touris-
mus, aber das Reisen bedroht auch das
Klima. „Wir stecken in einem Dilemma,
weil wir Opfer und Täter gleichermaßen
sind“, sagte Michael Frenzel, Präsident
des Bundesverbands der Deutschen
Tourismuswirtschaft auf dem 22. Tou-
rismusgipfel in Berlin. Einschränkun-
gen und Verbote für Urlauber lehnte er
ab. Deutschland solle stattdessen in
Forschung investieren, etwa in klima-
schonende synthetische Kraftstoffe.
Der Klimaforscher Hans Joachim
Schellnhuber forderte dagegen entschie-
denes Handeln. „Im Kurz- und Mittel-
streckenbereich sollte das Fliegen ganz
verschwinden, so schön es auch ist“,
sagte Schellnhuber. dpa


Nach


Sibirien


Die Stadt Tobolsk, Exilort der


letzten Zarenfamilie, vermarktet


ihre Geschichte neu. So, dass es


dem Kreml gefallen dürfte


Seilbahn in Jerusalem


Warum wurde der Zar nach
Sibirien gebracht – um ihn zu
schützen oder aus Rache?

Touristenzug in China


Reisebüros und CO 2


Klima und Tourismus


Im Tobolsker Kreml befindet sich die Sophienkathedrale.
Unten:Zar Nikolaus II. mit seinen Töchtern,
vermutlich im Jahr 1917. FOTOS: IMAGO

30 REISE Donnerstag, 7. November 2019, Nr. 257 DEFGH


WELTWEIT


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