Süddeutsche Zeitung - 07.11.2019

(nextflipdebug5) #1
Papa Massata Diack, mutmaßlich zen-
traleFigur in einem internationalen
Doping- und Korruptionsskandal, ist in
seiner Heimat Senegal von einem Unter-
suchungsrichter befragt worden, berich-
tet die französische Nachrichtenagen-
tur AFP. Dem Sohn von Lamine Diack,
dem langjährigen Präsidenten des
Leichtathletik-Weltverbandes, werden
in Frankreich diverse Delikte vorgewor-
fen. Wegen „Geldwäsche in organisier-
ten Banden“, „aktiver Korruption“ so-
wie „Komplizenschaft bei passiver Kor-
ruption“ wird ihm, seinem Vater und
weiteren Beschuldigten im Januar in
Paris der Prozess gemacht. Sie sollen
unter anderem gegen Bezahlung positi-
ve Dopingtests vertuscht haben. In
einem weiteren Verfahren ermitteln die
Behörden wegen Korruptionsverdacht
bei der Vergabe von Olympia 2016 an
Rio und 2020 an Tokio sowie der Leicht-
athletik-WMs 2015 an Peking und 2019
an Doha. Während Lamine Diack seit
Jahren in Frankreich unter Hausarrest
steht, hat der Senegal erklärt, Papa
Diack nicht auszuliefern. sid

Dem kanadischen Eishockey-Profi
Evander Kane (FOTO: ELSA/AFP) droht juristi-
scher Ärger. Ein Casino in Las Vegas hat
den Flügelspieler der San José Sharks
verklagt. Kane soll im Luxushotel „The
Cosmopolitan“ um den 15. April herum
mehrere Casinomarken zwischen
20000 und 100 000 Dollar verspielt,

diese aber nicht bezahlt haben. Insge-
samt fordert das Casino nach Informati-
onen der ZeitungLas Vegas Review-Jour-
nal500 000 Dollar zurück. Die Sharks
gastierten zu dem Zeitpunkt in der
Spielermetropole, um dort in der ersten
Playoff-Runde gegen die Vegas Golden
Knights anzutreten. Kane hatte im vori-
gen Jahr einen mit 49 Millionen Dollar
dotierten Sieben-Jahres-Vertrag in San
José unterschrieben. sid

von johannes schnitzler

München– Romim Herbst ist halbwegs er-
träglich. Wenn die größte Hitze aus der Ewi-
gen Stadt weicht und die Sonne nicht mehr
so steil auf die sieben Hügel knallt, den
Aventin, den Quirinal und auch den Vatica-
nus. Eben dort, in der Sala Clementina,
dem Thronsaal der Päpste im Apostoli-
schen Palast, saßen Ende September 140
Menschen, die es gerne etwas kühler ha-
ben. Die Delegierten der im Weltverband
IIHF vereinten Eishockey-Nationen hatten
sich in Rom zum Halbjahres-Kongress ver-
sammelt. Das Protokoll sah unter anderem
eine Audienz beim Papst vor. In der ersten
Reihe saß Franz Reindl, der Präsident des
Deutschen Eishockey-Bundes (DEB).
Reindl war, wie er erzählt, „positiv über-
rascht“: Statt zu predigen, habe das Ober-
haupt der römisch-katholischen Kirche
über die Integrationskraft des Sports ge-
sprochen. Am Ende sagte der Pontifex, bes-
ser bekannt als Franziskus I., dem Besuch
aus Deutschland Grüßgott. „Honorable
and moving“, sei der Moment gewesen,
schrieb der nach seinen Worten nicht über-
mäßig religiöse Reindl danach in den Sozia-
len Kanälen, ehrenvoll und bewegend.


Franziskus und Franz, Hand in Hand. Es
gibt wohl kaum einen besseren Ort auf die-
ser Welt, um höhere Weihen zu empfan-
gen, als Rom. Von Reindl heißt es, er wolle
im nächsten Herbst, wenn nach 26 Jahren
die Präsidentschaft des Schweizers René
Fasel endet, dessen Nachfolge im höchsten
Amt der IIHF antreten. Bis zum 1. Juni
2020 müssen Bewerber ihre Kandidatur
einreichen. Reindl werden beste Chancen
nachgesagt – aber auch taktische Zurück-
haltung. „Er lässt sich nicht in die Karten
schauen“, sagt einer, der ihn gut kennt: „Er
tritt nur an, wenn er weiß, dass er ge-
winnt.“ Immerhin sagt Reindl: „Ich be-
schäftige mich intensiv mit dem Thema.“
Franz Reindl wäre aktuell der vierte
Deutsche an der Spitze eines olympischen
Weltverbandes neben Klaus Schormann
(Moderner Fünfkampf), Sepp Fendt (Renn-
rodeln) und Thomas Weikert (Tischtennis)
und der zweite deutsche IIHF-Präsident
nach Günther Sabetzki (1975-94). „Es wäre
die logische Folge seines Werdegangs“,
sagt ein Wegbegleiter. Dieser Werdegang
hat den gelernten Groß- und Außenhan-
delskaufmann aus Garmisch-Partenkir-
chen ins Innerste des nationalen und inter-
nationalen Geschäfts geführt. Im deut-
schen Eishockey war Reindl alles: National-
spieler, (Bundes-)Trainer, erster Geschäfts-
führer der Deutschen Eishockey Liga
(DEL), Sportdirektor, Generalsekretär,
mehrmals WM-Organisator, seit 2014
führt er den DEB. Vermutlich ist er auch
mal heimlich nachts mit der Zamboni
übers Eis gekurvt. Ähnlich wie Franz Be-
ckenbauer, der als einziger deutscher Fuß-
baller als Spieler und Teamchef Weltmeis-
ter wurde, ist Reindl der einzige Deutsche,
der als Spieler (1976, Bronze) und Funktio-
när (2018, Silber) eine olympische Eisho-


ckey-Medaille gewann. Vielleicht ist das
mit den Vornamen ja kein Zufall. Der Unter-
schied: Reindl gilt als unbescholten.
International ist Reindl engmaschig ver-
netzt. Seit 1998 ist er Mitglied in verschie-
denen Komitees der IIHF. Im Mai 2016
wählten ihn die Delegierten mit großer
Mehrheit ins Council, den obersten Rat.
Reindl vertritt die IIHF in der kontinenta-
len Champions League. 2016 führte er das
Team Europa an, das beim World Cup Platz
zwei belegte; berufen hatten ihn die NHL-
Klubs und die Gewerkschaft der NHL-Pro-
fis, ein Zeichen, dass er auch in Nordameri-
ka Respekt genießt. Das zeigte sich wieder
beim Kongress in Rom.
Reindl war Teil einer sechsköpfigen
Gruppe, die mit dem Vermarkter Infront ei-
nen neuen Kooperationsvertrag aushan-
delte. Der bringt der IIHF bis 2033 rund
450 Millionen Euro, etwa dreimal so viel
wie der noch bis 2023 laufende Kontrakt.
„Die Verlängerung bringt Entwicklungssi-
cherheit für unseren Sport“, sagt Reindl.
Der ehemalige Stürmer versteht es, das
Spiel aus dem Hintergrund zu lenken. Ein
Kongress wie in Rom diene „natürlich
auch dazu, Kontakte zu pflegen“, sagt er.
„Der Franz macht das gut“, sagt ein Ver-
trauter: Nähe schaffen. Brücken bauen. Im
Dialog berührt Reindl Gesprächspartner
schon mal vertraulich am Arm. Er kann
mit IOC-Präsident Thomas Bach ebenso
wie mit Alfons Hörmann, dem Präsidenten
des Deutschen Olympischen Sportbunds
(DOSB). In Pyeongchang war Hörmann
ständig in der Nähe der Mannschaft, Bun-
despräsident Frank-Walter Steinmeier be-
suchte das Trainingscamp. Die Nähe zu Fa-
sel, Bach und Hörmann, durchaus umstrit-
tenen Figuren des Weltsports, sehen man-
che kritisch. Reindl weiß das, er sagt, die
Aufgaben für den nächsten Präsidenten
stünden fest; Kompetenzen, Entschädi-
gung, Compliance – alles sei in Rom festge-
legt worden. „Das ist alles offen und trans-
parent. Es gibt keine Grauzonen.“
In anderen Augen ist es eben diese Tritt-
sicherheit auf schmalen diplomatischen
Pfaden, die Reindl für das Amt des IIHF-
Präsidenten prädestiniert. Fasels Nachfol-
ger wird in einer „Sandwich-Position“ zwi-
schen Nordamerika und Russland agieren
müssen und deren Milliarden-Ligen NHL
und KHL (deren Einfluss die NHL eindäm-
men möchte). „Das ist Weltpolitik“, sagt
ein Insider, mit all ihren Winkelzügen und
Strippenziehern. Ganz so hoch will Reindl
es nicht hängen. „Natürlich muss man mo-
derieren können, die Interessen auch der
kleinen Verbände und Institutionen se-
hen“, sagt er. Bevor man eine Kandidatur
verkünde, müsse man erst einmal „die Leu-
te hören. Das mache ich gerade. Ich höre da
wirklich rein“.
Im nächsten Jahr findet die WM in der
Schweiz statt, dort laufen alle Fäden zu-
sammen: Fasel, der die IIHF erst zu einem
großen Verband gemacht hat, ist Schwei-
zer; Vermarkter Infront, dessen Präsident
und Geschäftsführer Philippe Blatter ist,
ein Neffe des ehemaligen Fifa-Präsidenten
Sepp Blatter, sitzt in der Schweiz. Ebenso
das IOC. Was er aus seinen Sondierungsge-
sprächen herausgehört hat, ist „eine riesi-
ge Unterstützung“, sagt Reindl. Ob er aber
2020 den „ganz großen Schritt“ wage:
„Das weiß ich jetzt noch nicht.“
Wie intensiv er sich mit dem Thema be-
schäftigt hat, verraten indes zwei Details.
„Natürlich“ habe er mit seiner Frau Clivia
und den drei Kindern gesprochen. Ohne
Rückendeckung der Familie ein solches
Amt zu übernehmen, „das geht nicht“. Und
dann ist da noch sein Alter. Reindl wird am
24.November 65, er ist nur knapp fünf Jah-
re jünger als Fasel. Bis auf den IIHF-Vize
Bob Nicholson, 66, aus Kanada, sind seine
möglichen Konkurrenten teils erheblich
jünger: der Däne Henrik Bach Nielsen, 53,

der ehemalige tschechische Nationaltor-
wart Petr Briza, 54, der Weißrusse Sergej
Gontscharow, 36. „Es ist klar, dass man
mit Gegenargumenten konfrontiert wird“,
sagt Reindl. Das Alter sei keins. Wählbar ist
man bis 72, gewählt wird für vier Jahre.
„Zum Zeitpunkt der Wahl wäre ich 65.
Dann könnte ich mit 69 noch einmal antre-
ten.“ Zwei Amtsperioden, „mehr wollen die
Leute eh nicht“. Außerdem: „Jeder fühlt
sich so alt, wie seine Arterien sind. Und da
bin ich ganz gut unterwegs.“

Dass er auch mit 60 plus zupacken
kann, hat Reindl als DEB-Präsident bewie-
sen. Als diplomatisches Meisterstück rech-
nen ihm Unterstützer wie Kritiker die Sat-
zungsänderung des als verkrustet gelten-
den Verbandes und die Annäherung an die
Liga an. „Er hat ein total zerstrittenes Eis-
hockey-Deutschland wieder vereint“, sagt
ein DEL-Manager: „Das kommt direkt

nach dem Mauerfall.“ Mit mehr oder weni-
ger sanfter Gewalt zwang Reindl Ende
2014 die Klubs der ersten und zweiten Liga
zurück unter das Dach des DEB und mach-
te den klammen Verband wieder flüssig.
Er scheute sich nicht, mit der Gründung ei-
nes neuen Verbandes zu drohen, sollten
die Landesverbände nicht mitziehen. Un-
terstützung beim sogenannten Dialogtag
in München kam damals von: René Fasel.
Das Manöver löste kleinere Beben aus.
Aber seitdem steigt die Zahl der Mitglieder
und Aktiven, die Heim-WM 2017 war ein fi-
nanzieller Erfolg, die Nationalmannschaft
als Aushängeschild der zweitbeliebtesten
Mannschaftssportart im Land rückte wie-
der in den gemeinsamen Fokus. Unter dem
alten Präsidium, sagt ein Funktionär, der
die Zeit miterlebt hat, hätten Verband und
Liga „nicht mal mehr übereinander gere-
det“. Bis der verbindliche Franz die Kluft
überbrückte.
Die vorläufige Krönung folgte 2018 in
Pyeongchang. Den unglücklich agieren-
den Bundestrainer Pat Cortina recht unsen-
timental durch den völlig unerfahrenen
Marco Sturm zu ersetzen, war Reindls
Idee. Und das Kalkül ging auf. Sturm, der
deutsche NHL-Rekordspieler, öffnete die
Fenster, ließ frische Luft herein und holte
den größten Erfolg in der deutschen Eisho-
ckey-Geschichte: Olympia-Silber. Die Pro-
fis – auch aus der NHL – kommen wieder
gerne zum Nationalteam. „Der DEB hat in
den vergangenen Jahren ein paar sehr gute
Entscheidungen getroffen“, sagt ein DEL-
Manager. Die Nachwuchsmannschaften
seien nun alle mit hauptamtlichen Trai-

nern besetzt, Sturms Nachfolger Toni
Söderholm setzt wie sein Vorgänger (der in
die NHL wechselte) auf junge Spieler. Die
Kommunikation mit dem Verband und
dem Bundestrainer sei nie besser gewesen
als jetzt, heißt es aus der Liga.
Beim Deutschland Cup an diesem Wo-
chenende in Krefeld wird über eine Um-
wandlung des DEB von ehrenamtlichen
Strukturen hin zu einer professionell ge-
führten Gesellschaft diskutiert – für eine
Zeit nach Reindl? Der sagt: „Wir müssen
den DEB zukunftsfähig machen, unabhän-
gig davon, was 2020 bei der IIHF passiert.“
Die Strukturen müssten so schlank und ef-
fektiv sein wie möglich. Als potenzielle
Nachfolger gelten die Vizepräsidenten Da-
niel Hopp, 39, Geschäftsführer der Adler
Mannheim sowie stellvertretender Auf-
sichtsratsvorsitzender der DEL, und Marc
Hindelang, 52, Eishockey-Kommentator,
Präsident des EV Lindau und seit 2018 Pres-
sesprecher beim Fußball-Bundesligisten
Eintracht Frankfurt. Auch Sportdirektor
Stefan Schaidnagel, 38, dessen systemati-
sche Entwicklungsarbeit viele loben, und
DEL-Aufsichtsratschef Jürgen Arnold (In-
golstadt) werden für Führungsämter ge-
handelt. „Im Rahmen der Präsidiumssit-
zung wird beim Deutschland Cup dazu ein
erstes Gespräch stattfinden“, sagt Reindl
und bemüht ein Bild aus der Autoindus-
trie: „Erst müssen wir eine Karosserie bau-
en. Und dann suchen wir den Fahrer.“
Unabhängig davon, was 2020 beim DEB
passiert, prophezeien die meisten aber:
Reindl wird der nächste IIHF-Präsident.
Falls er nicht vorher Papst wird.

Die zweimalige Box-Olympiasiegerin
Nicola Adams tritt vom Leistungssport
zurück. Die 37 Jahre alte Britin sagte
der ZeitungYorkshire Evening Post, bei
der Fortsetzung ihrer Karriere drohten
ihr irreparable Schäden am Auge mit
dauerhaftem Sehverlust. Adams ge-
wann bei Olympia 2012 und 2016 Gold
im Fliegengewicht. Zudem wurde sie
2016 Weltmeisterin bei den Amateuren
und holte als Profi 2017 den WM-Titel
der WBO. „Nachdem ich mehr als 20
Jahre jeden Tag trainiert habe, freut
sich mein Körper auf eine Pause“, sagte
Adams. dpa

Wiedervereinigung: Verband und Liga zu versöhnen, komme „direkt nach dem Mauerfall“, heißt es in deutschen Eisho-
ckey-Kreisen. Dass es das Nationalteam auch noch ins Olympia-Finale schaffte (oben), toppte die Freude.SHARIFULIN / IMAGO

Wenn an diesem Donnerstag in Dubai die
Weltmeisterschaften der paralympischen
Leichtathletik (bis 15. November) begin-
nen, zählt Niko Kappel zu den Medaillen-
favoriten. Der kleinwüchsige Kugelstoßer,
24, gewann Gold bei den Paralympics in
Rio de Janeiro 2016 und bei der WM in Lon-
don 2017. Er hat die Verletzungen in der
Hüfte und im Knie, die ihn in der vergange-
nen Saison plagten, überwunden und im
Juni Bestleistung gestoßen: 14,11 Meter, da-
mals Weltrekord. Den hält inzwischen der
Brite Kyron Duke mit 14,19 Metern, im Fi-
nale am Sonntag wohl Kappels ärgster Kon-
kurrent um Gold.
Als einer der bekanntesten paralympi-
schen Athleten Deutschlands ist Kappel
auch Botschafter, er spricht in Betrieben
oder an Universitäten zum Thema Inklusi-
on und füllt die Rolle gerne aus, die ihm
medial oft zugeschrieben wird: „Außenmi-
nister des Behindertensports“.


SZ: Herr Kappel, wie geht es dem Knie?
Niko Kappel: Es ist nicht so, dass es voll-
kommen gut ist, das wird es auch wahr-
scheinlich nie wieder, aber zumindest
hält’s – und ich kann es voll belasten. Ich
musste ein paar Sachen weglassen, Joggen
ist aus dem Trainingsplan rausgeflogen.
Das ist aber als Werfer nicht ganz so wild,
man kann sich auch anders warm machen.
Ich konnte gut durchtrainieren, habe Best-
leistung gestoßen und das Niveau konstant
nach oben geschraubt. Hoffentlich kann
ich bei der WM noch einen draufsetzen.


Die WM findet in den Vereinigten Arabi-
schen Emiraten (VAE) statt. Die Leichtath-
letik-WM im Nachbarland Katar im Okto-
ber stand wegen der hohen Temperatu-
ren und des geringen Zuschauerinteres-
ses in der Kritik. Mit welchem Gefühl sa-
ßen Sie als Sportler vor dem Fernseher?
Das tut einem schon weh. Auch wenn man

die Berichte liest, dass Schmiergelder ge-
flossen sein sollen, damit die WM in Doha
stattfindet. Oder wenn man die Pressekon-
ferenz sieht, auf der der Organisator sagt,
bis auf 5000 Tickets sind alle verkauft –
und der IAAF-Präsident sitzt daneben und
kann sich das Lachen nicht verkneifen. Es
geht wohl schon so weit, dass es die Leute,

die über den Sport entscheiden, gar nicht
mehr interessiert, was eigentlich die
Leichtathletikwelt zu solchen Entscheidun-
gen sagt. Das ist enttäuschend und unver-
ständlich. Wenn es keine Sportler gäbe,
bräuchte es die ja nicht.
Auch wenn es nicht ganz so heiß wird wie
im Oktober und Sie kein Ausdauersport-
ler sind: Wie gehen Sie mit den Temperatu-
ren über 30 Grad um?
Es ist auf jeden Fall komisch. Man muss
schon darauf achten, dass man sich nicht
erkältet, weil man immer den Wechsel hat
zwischen der total runtergekühlten Klima-
anlage und der Wärme. Aber das weiß je-
der Athlet.
Und was erwarten Sie für einen Zuschauer-
andrang?
Wir gehen davon aus, dass im Stadion
nichts los sein wird. Organisatorisch gese-
hen wird es super sein, top Trainingsbedin-
gungen, top Hotel. Aber es ist schade, dass
man in ein Land fliegt, wo die Sportkultur
nicht unbedingt ausgeprägt ist. Gerade,
wenn man es mit der letzten WM in Lon-
don vergleicht, wo richtig viel los war.
Mehr als 300000 Karten wurden damals
verkauft, so viele wie noch nie für
paralympische Weltmeisterschaften.
In London hat man gesehen, wo es hinge-
hen kann, wie weitreichend der Sport sein
kann. Jetzt findet die WM – mal abgesehen
von vielen Journalisten, die hier sind –
quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit
statt. Wir werden eher nicht hunderttau-
send neue Fans hinzugewinnen. Und das in

Zeiten, wo der paralympische Sport sich so
nach vorne bewegt. Rekorde schaukeln
sich hoch, die Sportler haben spannende
Geschichten zu erzählen. Die möchte man
weitererzählen, man lebt das ja als Athlet!
Da ist es für mich unverständlich, dass
man ein Jahr vor den Paralympics so einen
Ort wählt, zu so einer untypischen Zeit.
Aber das ändert nichts daran, dass ich
mich natürlich sehr auf die WM freue.
Was ist das Problem mit dem Zeitpunkt?
Es sind eigentlich noch genügend Monate
Zeit bis Tokio 2020, aber wer nach der WM
angeschlagen ist oder etwas auskurieren
muss, hat die Zeit dafür nicht mehr. Die
WM zählt zum Quali-Zeitraum dazu, man
kann also die Norm schon in Dubai erfül-
len. Aber wenn das nicht passiert und man
der Norm hinterherläuft, kann die Zeit rich-
tig eng werden. Die Paralympics gehen am


  1. August los, bis Anfang Juli muss die
    Quali-Norm gelaufen oder geworfen sein.
    Rund um die WM in Katar haben viele
    Leichtathleten, die unzufrieden mit der
    Wahl des Ausrichters waren, ihre Wut ge-
    äußert. Halten Sie es für realistisch, dass
    Athleten in Zukunft mitsprechen dürfen,
    wenn es um die Vergabe von Großveran-
    staltungen geht?
    Es ist wichtig, dass man die Athleten mit
    ins Boot nimmt. Das wäre ein wichtiger
    Schritt, auch, um die Transparenz zu wah-
    ren. Es gibt ja vielleicht auch plausible
    Gründe für so eine Vergabe, aber die kom-
    men nicht an. Dass Weltmeisterschaften
    quer über die Welt verteilt werden, wollen


wir ja. Man muss auch sagen: Die VAE sind
kein unbeschriebenes Blatt in der paralym-
pischen Leichtathletik. Sie tragen seit
Jahren einen Grand Prix aus, haben große
Teilnehmerfelder. Wie die Athleten in die
Gesellschaft integriert sind, weiß ich nicht.
Doch sie kümmern sich um den paralympi-
schen Nachwuchs. Da ist es nicht weit her-
geholt, hier paralympische Wettkämpfe
auszutragen. Aber als Verband muss ich
mich doch drum kümmern, dass sich der
Sport weiterentwickelt! 2015 war die WM
in Doha. Es gibt eigentlich keinen Grund,
warum wir jetzt in Dubai sein müssen.
Sie sprechen die Integration paralympi-
scher Athleten an. In Abu Dhabi und
Dubai fanden 2019 bereits die Special
Olympics für Menschen mit geistiger Be-
hinderung statt. Die Veranstaltung, hieß
es, trage dazu bei, den Blick auf Menschen
mit Behinderung im Land ins Positive zu
verändern. Geht es Ihnen auch darum?
Das hat jeder im Hinterkopf. Davon sind
wir ja alle in gewisser Weise abhängig. Man
schaut schon: Wie machen das andere Län-
der, wie sind die Sportler akzeptiert, wie
sind sie ins Sportfördersystem eingebun-
den? Aber: Es ist eine WM, es geht um die
sportliche Leistung, nicht um das Drum-
herum. Dubai ist außerdem sehr touris-
tisch, da kommt ja die ganze Welt zusam-
men. Ich bekomme wahrscheinlich als
Athlet wenig davon mit, wie die einheimi-
sche Bevölkerung auf mich reagiert, wenn
ich durch die Stadt laufe.
interview: sebastian fischer

Die deutsche Tischtennis-Auswahl um
RekordeuropameisterTimo Boll hat
beim Team-Weltcup in Tokio als Grup-
pensieger das Viertelfinale erreicht.
Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick
Franziska besiegten am Mittwoch zu-
nächst den Außenseiter Australien 3:0,
wenige Stunden später folgte im Tokyo
Metropolitan Gymnasium ein weiteres
3:0 gegen den Weltranglistensechsten
Brasilien, der aber ohne seinen Spitzen-
spieler Hugo Calderano angetreten war.
Der deutsche Viertelfinal-Gegner wird
erst am Donnerstag ermittelt. sid

KURZ GEMELDET


Verjüngter Rekordsieger
Drei Spielebeim Deutschland Cup in Krefeld

Mit dem jüngsten Team seiner Turniergeschichte
tritt der Deutsche Eishockey-Bund beim


  1. Deutschland Cup in Krefeld an. Das Durch-
    schnittsalter der Mannschaft von Bundestrainer
    Toni Söderholm beträgt 25,6 Jahre. Zum Auftakt
    am Donnerstag (19.45 Uhr) trifft Rekordsieger
    Deutschland (sieben Erfolge) auf Titelverteidiger
    Russland. Am Wochenende folgen die Partien ge-
    gen die Schweiz (Samstag, 13 Uhr) und die Slowa-
    kei (Sonntag, 14.30 Uhr/alle live bei Sport1).


„Unverständlich, dass man so einen Ort wählt“


Kugelstoßer Niko Kappel spricht zum Beginn der Para-Leichtathletik-WM in Dubai über die Vereinigten Arabischen Emirate als Ausrichter und ungenutztes Potenzial im Behindertensport


„Hoffentlich kann ich bei der WM noch einen draufsetzen“: Kappel bei der EM in
Berlin im vergangenen Jahr, als er Silber gewann. FOTO: JENS BÜTTNER / DPA

Papa Massata Diack befragt


Boll und Co. im Viertelfinale


Eishockey-Profi verzockt sich


Trittsicher auf


schmalen Pfaden


DEB-Präsident Franz Reindl gilt als Favorit auf die Nachfolge
von Weltverbandschef Fasel. Er selbst hält sich bedeckt

Olympiasiegerin hört auf


DEFGH Nr. 257, Donnerstag, 7. November 2019 (^) SPORT 35
„Ich beschäftige mich intensiv mit dem
Thema“:Ob er 2020 für das Amt des IIHF-
Präsidenten kandidiert, wisse er aber
noch nicht, sagt Franz Reindl. FOTO: IMAGO

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