Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.11.2019

(Greg DeLong) #1
K

ünstliche Intelligenz, KI abge-
kürzt, wird eine immer größe-
re Rolle in unserem Alltag
und unserer Wirtschaft spie-
len. Und deshalb entscheidet schon heu-
te unser Umgang mit KI ganz maßgeb-
lich über künftigen Wohlstand und Ar-
beitsplätze der Zukunft in unserem
Land. Der wichtigste Rohstoff, den wir
für die Entwicklung von KI-Anwendun-
gen brauchen, sind Daten. Erst das Kom-
binieren und Auswerten von großen Da-
tensätzen lässt neue Innovationen ent-
stehen. Diese Datenmengen können
uns beispielsweise dienen, Krankheiten
früher und zuverlässiger zu erkennen
oder den Verkehr flüssiger und schad-
stoffärmer zu lenken.
Die gute Nachricht: Von diesem wert-
vollen Rohstoff ist reichlich vorhanden.
Allein in unserem Alltag produzieren
wir alle tagtäglich Unmengen an Daten:
Etwa wenn wir in sozialen Netzwerken
unterwegs sind, ein Geschenk für die El-
tern im Internet bestellen, online nach
Infos zum letzten Fußballspiel suchen.
Und im Gegensatz zu Rohstoffen wie
Kohle, die uns in der Vergangenheit
Wohlstand beschert haben, verbrau-
chen sich Daten nicht. Wenn wir Daten
teilen, vergrößert sich also ihr Nutzen.
Doch es gibt auch eine schlechte Nach-
richt: Wir produzieren zwar Unmengen
an Daten, doch sie sind in den Händen
ein paar weniger großer Unternehmen
wie Facebook, Amazon und Google. Sie
sind die Alleinherrscher über die Daten.

Die Welt hat schon viele Alleinherr-
scher gesehen, und selten war Gutes da-
mit verbunden. Alleinherrschaft macht
faul, träge und selbstherrlich. Alleinherr-
scher sind getrieben von ihrer Macht.
„Sharing is caring“, reimt es sich so
schön im Englischen. Doch darum geht
es den Alleinherrschern über die Daten
nicht. Nicht ums Teilen, nicht um gesell-
schaftlichen Fortschritt und Zusammen-
halt, nicht um Innovationen. Zwar beru-
fen sie sich immer wieder auf das Ziel,
die Welt zu verbessern, doch im Grunde
geht es ihnen vor allem um ihre Rendi-
te. Alles andere ist, wenn überhaupt, zu-
fälliges Nebenprodukt ihres Machtstre-
bens. Es ist Zeit, die Machtfrage zu stel-
len und die Regulierung der dominan-
ten Plattformen konsequent anzugehen.
Was wir gesellschaftlich brauchen, ist
eine Demokratisierung beim Zugang zu
Daten. Damit können wir auch der inno-
vations- und wettbewerbsfeindlichen Al-
leinherrschaft ein Ende setzen. Es kann
nicht sein, dass sich einige wenige Gi-
ganten die Vorteile aus den Daten aneig-
nen, die uns allen gehören. Wir brau-
chen eine neue Kultur der Machtkontrol-
le, des Schutzes des Einzelnen und des
Daten-Teilens, von der Wirtschaft und
Gesellschaft gleichermaßen profitieren.
Das wichtigste Handlungsfeld sind da-
bei für mich zunächst die datengetriebe-
nen Märkte, denn hier sind die Monopo-
le besonders stark ausgeprägt. Das hat
einen einfachen Grund: Auf datengetrie-
benen Märkten ist der angebotene
Dienst umso besser, je mehr Nutzer und

damit auch Nutzerinformationen die
Unternehmen haben. Zum Beispiel ver-
bessert Google mit jeder Eingabe seine
Suchmaschine. Der Markt kippt: The
winner takes it all. Der Nutzer hat –
selbst wenn er wollte – keine Wahl
mehr. Große Konzerne hat es auch in
anderen Märkten schon immer gege-
ben. Doch hier hatten kleine Unterneh-
men die Chance, mit den Großen durch
Innovationen in Wettbewerb zu treten
und ihnen sogar den Rang abzulaufen.
In datengetriebenen Märkten aber sind
auch die Innovationen abhängig von Da-
ten – doch die bunkert der Alleinherr-
scher. Im Ergebnis findet Wettbewerb
nicht mehr statt – zum Schaden der Be-
schäftigten, anderer Unternehmen und
am Ende auch der Verbraucher. Die Be-
hörden haben gerade in den letzten Jah-
ren gezeigt, dass sie bereit und willig
sind, den Wettbewerb zu verteidigen.
Doch das Kartellrecht stößt in der Da-
tenökonomie an seine Grenzen. Wir
brauchen eine Pflicht für marktbeherr-
schende Unternehmen auf datengetrie-
benen Märkten, ihre Sachdaten und
anonymisierten Daten über Nutzerpräfe-
renzen zu teilen. Die Daten werden den
Konzernen nicht weggenommen, aber
andere können eben auch profitieren.
Eine staatliche Agentur muss definie-
ren, was datengetriebene Märkte sind,
und den Datenzugang und Datenaus-
tausch organisieren und überwachen.
Der Datenschutz des Einzelnen ist da-
bei stets von höchster Priorität. Eine eu-
ropäische Regelung wäre – wie in vielen

anderen Bereichen – die beste Lösung.
Im kommenden Jahr haben wir eine gro-
ße Chance, das Thema auf die europäi-
sche Tagesordnung zu setzen, denn im
Juli 2020 wird Deutschland die EU-Rats-
präsidentschaft übernehmen.
Falls sich keine europäische Lösung
findet, sollte Deutschland im Verbund
mit anderen Staaten vorangehen. Für
mich ist klar, wir brauchen eine harte
Regulierung gegenüber Google, Ama-
zon, Facebook und Co. Diese Regulie-
rung muss wirksame Sanktionen bei
Verstößen umfassen wie etwa hohe
Geldstrafen. Es ist Zeit, den Primat der
Politik im digitalen Raum durchzuset-
zen. Dafür brauchen wir jetzt auch eine
Datenstrategie der Bundesregierung,
die das Datenteilen für marktbeherr-
schende Unternehmen zur Pflicht
macht. Diese Pflicht ist der Dreh- und
Angelpunkt, wenn wir Innovation und
Wettbewerb fördern wollen. Begleitend
muss die Datenstrategie auch freiwillige
Datenkooperationen für den Mittel-
stand fördern und die Voraussetzungen
für Open Data in Staat und Verwaltung
regeln. Eine solche umfassende Daten-
strategie müssen wir zur Grundlage für
eine europäische Datenstrategie ma-
chen, um unseren Anspruch an einen di-
gitalen Weg nach europäischen Werten
mit Leben zu füllen. Es ist höchste Zeit,
den Alleinherrschern ein Ende zu set-
zen.

Der Autor ist Generalsekretär der SPD und
Mitglied des Bundestages.

S


chärfere Kontrollen an der
Grenze sind das Gebot nicht
nur der Stunde. Es geht auch
nicht in erster Linie um den Fall ei-
nes wieder eingereisten Clan-Chefs.
Aber in einem offenen Raum, der nur
von Schönwetterregeln eingehegt
wird, muss man wenigstens die Maß-
nahmen ergreifen, die nötig sind.
Wenn die meisten Flüchtlinge und
sonstigen Migranten weiterhin nach
Deutschland wollen und das auch
können, wenn größere Ströme vor al-
lem durch den Flüchtlingsdeal mit
der Türkei zeitweilig abgehalten wer-
den, dann ist die Frage entscheidend,
was geschieht mit den vielen, die ins
Land gelangen, die nicht in Not sind
und kein Recht haben, hier zu sein.
Und die man – siehe Clan-Chef –
auch nicht hier haben will. Doch was
bringt eine Abschiebung, so sie denn
überhaupt zustande kommt, wenn
die Wiedereinreise auf dem Fuße
folgt?
Eine verstärkte Schleierfahndung
und überhaupt mehr gezielte Kontrol-
len an der Grenze und im Landesin-
neren sind deshalb wichtig. Nicht als
Selbstzweck, sondern schlicht zur
Wiederherstellung eines „Normalzu-
stands“; also einer Lage, in der demo-
kratisch beschlossene Normen ange-
wendet und durchgesetzt werden.
Auch im europäischen Sinn. Das ist
wichtig für jeden einzelnen Bürger.
Es sind Gott sei Dank nur ganz weni-
ge, die Opfer ausreisepflichtiger oder
wieder eingereister Straftäter wer-
den. Aber jeder nimmt das Defizit
wahr: Der Staat hält seine Verspre-
chen nicht.


I

m Irak zeigen Staat und tiefer Staat
wieder ihr autoritäres, brutales Ge-
sicht. Am Dienstag wurde abermals
das Internet blockiert. Wieder wer-
den Demonstranten getötet, wird nicht
nur Tränengas, sondern auch scharfe Mu-
nition auf sie abgefeuert. UN-Generalse-
kretär António Guterres zeigte sich „ge-
schockt“. Die amerikanische Botschaft
im Irak erklärte am Mittwoch in einer Stel-
lungnahme: „Es gibt keinen Weg vor-
wärts, der auf der Unterdrückung des Wil-
lens des irakischen Volkes beruht.“
Mehr als 260 Tote haben die zwei Pro-
testwellen gefordert, die den Irak seit An-
fang Oktober erschüttern. Über Wochen
haben Abertausende der Brutalität und
der Todesgefahr getrotzt. Die Rikscha-
Fahrer, die bei Zusammenstößen nahe
der „Grünen Zone“ von Bagdad die Ver-
letzten in Sicherheit bringen, sind zu Hel-
den der Massen geworden. Vergangenen
Freitag kamen in der Hauptstadt Hundert-
tausende Demonstranten um den zentra-
len Tahrir-Platz zusammen und setzten
ein friedliches und deutliches Zeichen.
Die Leute, die auch in anderen Städten
des Iraks ihrer Wut Luft machen, wollen
das politische System beseitigen, das
nach dem Sturz von Saddam Hussein und
dem Einmarsch der Amerikaner errichtet
wurde. Sie wollen die korrupte politische
Klasse entmachten, die den ölreichen
Staat herunterwirtschaftet und seinen
Bürgern weder Sicherheit noch funktio-
nierende Dienstleistungen oder Zusam-
menhalt bietet, sondern Arbeits- und Per-
spektivlosigkeit.
So konnte auch das Friedensangebot
des Präsidenten die Protestbewegung
nicht umstimmen. Barham Salih hat ein
neues Wahlrecht versprochen, außerdem
Neuwahlen. Er hat sogar den Rücktritt
von Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi
in Aussicht gestellt. Allerdings erst, wenn
ein Nachfolger gefunden worden sein soll-
te. Der Regierungschef steht unter enor-
mem Druck. Der schiitische Prediger
Muqtada al Sadr betreibt offen seinen
Sturz. Sadr, der sich zum Volkstribun stili-
siert und zum Anwalt der einfachen Leu-
te erklärt hat, kann nicht nur mit einem
Fingerschnipsen Menschenmassen und
Milizionäre auf die Straße bringen. Seine

Wahlallianz stellt auch den größten Block
im Parlament.
Am Anfang standen bloß verstreute
Proteste. Sie entzündeten sich an der Ent-
lassung von Generalleutnant Abdul Wah-
hab al Saadi, der Nummer zwei der Anti-
Terror-Elitetruppe. Er war Ende Septem-
ber seines Postens in der Armee entho-
ben worden. Die Männer seiner „Golde-
nen Division“ werden als Helden des Krie-
ges gegen den „Islamischen Staat“ (IS)
verehrt. Und al Saadi war zudem gegen
Korruption in den Sicherheitskräften zu
Felde gezogen, was wohl zu seiner Herab-
stufung auf einen Verwaltungsposten im
Verteidigungsministerium geführt hat.
Doch das war nur der Funke, der ein
Pulverfass lange aufgestauter Wut entzün-
dete, die vor allem sozioökonomische
Wurzeln hatte. Anfangs waren die Protes-

te dominiert von jungen schiitischen Män-
nern ohne feste Arbeit aus den Armen-
vierteln. Längst steht die Bewegung auf ei-
ner breiten Basis. Kräfte der Zivilgesell-
schaft und der Gewerkschaften haben
sich ebenso angeschlossen wie Leute aus
der Mittelschicht wie Regierungsmitarbei-
ter. Früh waren Schüler und Studenten
mit dabei.
Unter jungen Akademikern ist die Ar-
beitslosigkeit besonders hoch. Und gera-
de die Mittelschicht hat in den vergange-
nen Jahrzehnten gelitten. Ihre Lage um-
schreibt die arabische Redewendung:
„Das Messer hat die Knochen erreicht“.
Besitz und Ersparnisse sind aufgezehrt.
Das hat auch damit zu tun, dass der Irak
in der jüngeren Vergangenheit ständig in
Kriege verwickelt war. Unter Saddam
Hussein waren es der Krieg mit Iran 1980

bis 1988 und der zweite Golfkrieg nach
dem Einmarsch in Kuweit von 1990 bis


  1. Nach der amerikanischen Invasion
    und dem Sturz Saddams 2003 folgten Jah-
    re des Aufstands gegen die Besatzer und
    des Blutvergießens zwischen den Bevölke-
    rungsgruppen. Zuletzt verwüstete von
    2014 an der Krieg gegen den IS den Irak.
    Das Land blickt aber nicht nur auf Jahr-
    zehnte der Gewalt zurück, sondern auf
    eine lange Tradition der Korruption. Sie
    florierte in den siebziger Jahren unter der
    Herrschaft der Baath-Partei und der Dik-
    tatur Saddam Husseins. Das Programm
    „Oil for food“, das die Vereinten Natio-
    nen 1995 lanciert hatten, um trotz der
    Sanktionen den Grundbedarf im Irak zu
    decken, war eine Einladung an die herr-
    schende Klasse, sich zu bereichern. Nach
    dem Sturz Saddam Husseins schürte ein
    konfessionalistisches System, das Posten
    entlang der ethnischen und religiösen Li-
    nien verteilte, Vetternwirtschaft und
    Selbstbereicherung; es beförderte ebenso
    die Korruption im Alltag. Ob es sich um
    den schiitischen, sunnitischen oder kurdi-
    schen Teil des Iraks handelte – stets gab
    es den Vorwand, die Interessen der jewei-
    ligen Bevölkerungsgruppe zu verteidigen.
    Den irakischen Staat selbst stellen die
    Demonstranten trotz allem nicht in Fra-
    ge. Im Gegenteil: Sie wollen ihn zurücker-
    obern. „Wir wollen ein Land“, rufen sie.
    Vor allem die jungen Menschen lassen
    das konfessionalistische Lagerdenken hin-
    ter sich. Zugleich scheint sich das nationa-
    listische Gefühl immer stärker gegen das
    Regime in Teheran zu richten. Die antiira-
    nischen Töne werden lauter. Es ist auch
    ein offenes Geheimnis, dass Iran die Pro-
    teste niederschlagen will. Es gibt überein-
    stimmende Berichte, laut denen Qassem
    Soleimani, der für die klandestinen Aus-
    landsoperationen der iranischen Revoluti-
    onswächter verantwortlich ist, eine akti-
    ve Rolle dabei spielt und dass von den Re-
    volutionswächtern gelenkte Milizen hin-
    ter den schlimmsten Gewaltexzessen ste-
    cken. In Kerbela griffen Demonstranten
    in der Nacht zum Montag das iranische
    Konsulat an und steckten es in Brand.
    Und die Stellungnahme der amerikani-
    schen Botschaft zielte wohl auch nicht in
    erster Linie auf die Führung in Bagdad.


Mehr Grenzkontrollen
Von Reinhard Müller

Blockade: In Nadschaf versperren Protestierer den Weg zum Flughafen. Foto AFP


D

ie Untersuchung wegen mög-
licher Absprachen seiner
Wahlkampfhelfer mit russi-
schen Stellen nannte Donald Trump
„Hexenjagd“. Die Vorermittlungen in
der Ukraine-Affäre wegen möglichen
Amtsmissbrauchs brandmarkt er als
„Lynchmord“. Aber selbst wenn der
Präsident zum schlimmsten Superla-
tiv greift, um sich als unschuldiges Op-
fer übler Demokraten darzustellen, so
erhärtet sich der Verdacht mehr und
mehr: Offenbar hat es doch ein „quid
pro quo“ gegeben, also das Ansinnen,
die Wiedergewährung von Militärhil-
fe an die Ukraine an den Beginn von
Ermittlungen gegen einen möglichen
demokratischen Gegner im kommen-
den Wahlkampf (und gegen dessen
Sohn) zu knüpfen. Nun fiel es Wa-
shingtons EU-Botschafter, einem
großzügigen Finanzier der Republika-
ner, doch noch ein, dass es da ein – il-
legales – Junktim gab; zuvor hatte er
sich noch ahnungslos gegeben.
Die demokratische Mehrheit im Re-
präsentantenhaus wird diese und an-
dere Aussagen und Erklärungen ei-
nem Amtsenthebungsverfahren zu-
grunde legen; mittlerweile ist davon
auszugehen, dass es kommt. Was wie-
derum dazu führen dürfte, dass das
Weiße Haus eine hyperaggressive Ver-
teidungsstrategie verfolgen wird.
Dass die Republikaner Wahlen in Vir-
ginia und, man höre und staune, in
Kentucky verloren haben, dürfte
nicht zur Beruhigung beitragen. Die
Präsidentenwahl findet erst in einem
Jahr statt. Doch man ahnt schon, wie
aufgepeitscht und erregt die amerika-
nische Politik dann sein wird.


Donald Trump schickt nicht zum ers-
ten Mal seinen Außenminister vor.
Es ist bekannt, dass der amerikani-
sche Präsident sich mit Deutschland
schwertut. Und wenn es um Bekennt-
nisse zum transatlantischen Bündnis
geht, gibt es in seiner Regierung kei-
nen Besseren als Mike Pompeo. Drei
Tage wird er in Deutschland verbrin-
gen. Und der Anlass – der Fall der
Berliner Mauer vor 30 Jahren – erin-
nert an bessere Zeiten im deutsch-
amerikanischen Verhältnis. In Berlin
nimmt er an den Feierlichkeiten teil
und führt Gespräche sowohl mit Bun-
deskanzlerin Angela Merkel als auch
mit Verteidigungsministerin Anne-
gret Kramp-Karrenbauer, die in Wa-
shington ungeachtet ihrer Probleme
als „die Neue“ bezeichnet wird. In
Leipzig diskutiert er mit Außenminis-
ter Heiko Maas über Herausforderun-
gen für das westliche Bündnis – ge-
meint ist nicht Trump, sondern Russ-
land, China und anderes. Schließlich
besucht Pompeo noch amerikanische
Militärstandorte in Grafenwöhr, Vil-
seck und Mödlareuth, was ihm ein be-
sonderes Anliegen sein dürfte.
Die deutsche Einheit erlebte der
heute 55 Jahre gebürtige Kalifornier
in „West Germany“. Nach seiner Zeit
an der Militärakademie in West
Point, die er 1986 als Jahrgangsbester
abschloss, war er fünf lang als Panzer-
zugführer an der innerdeutschen
Grenze stationiert. Die Jahre haben
ihn geprägt. Er ist das letzte Kabi-
nettsmitglied Trumps, das zum Flü-
gel der außenpolitischen Falken
zählt, was ihn nicht zuletzt in der Sy-
rien-Politik immer wieder zu Balance-
akten zwingt. Was Deutschland anbe-
langt, so mahnt auch Pompeo, der im
Frühjahr 2018 vom CIA-Hauptquar-
tier in Langley ins State Department
gewechselt war, dass Berlin sich an
das Zwei-Prozent-Ziel bei den Vertei-
digungsausgaben halten müsse. Doch
anders als Trump und Vizepräsident
Mike Pence wählt er dabei den Ton-
fall eines Diplomaten.
Mit im Flugzeug nach Deutschland
saß ein Diplomat, der gerade vom
Kongress unter Strafandrohung vor-
geladen worden war. Pompeo hatte –
den Anweisungen des Weißen Hau-
ses folgend – seine Diplomaten ange-
wiesen, nicht mit dem Kongress zu
kooperieren, woran sich freilich nicht
alle hielten. So kann auch die
Deutschlandreise nicht davon ablen-
ken, dass der Außenminister sich da-
für rechtfertigen muss, viel tiefer in
die Ukraine-Affäre verstrickt zu sein,
als er glauben machen wollte. Mehre-
re Zeugen haben vor den Impeach-
ment-Ermittlern ausgesagt, dass sie
sich an Pompeo gewandt hätten, weil
das Weiße Haus eine Nebenaußenpo-
litik in der Ukraine betrieb – mit dem
Ziel, Kiew zu einer Schmutzkampa-
gne gegen Joe Biden, Trumps mögli-
chen Herausforderer, zu drängen. So
korrigierte gerade erst Gordon Sond-
land, amerikanischer Botschafter bei
der EU, seine Aussage: Er gestand
ein, mit Pompeo über Rudy Giulianis
Tätigkeit gesprochen zu haben. Der
Außenminister habe nur die Augen
verdreht und gesagt: Das sei etwas,
mit dem man umgehen müsse.
MAJID SATTAR

Wiederentdeckung der Nation


Nicht ahnungslos
Von Klaus-Dieter Frankenberger

Mike POMPEO Foto AFP


Fremde Federn: Lars Klingbeil


Monopol der Datengiganten brechen


Kalter Krieger


Erneuerung durch Protest im Irak?


Von Christoph Ehrhardt und


Rainer Hermann


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