D I G I T A L E S A C K E R N
Automatisierter, nutzerfreundlicher und präziser: Die
Digitalisierung verändert auch die Landwirtschaft. Fünf
Trends aus der Landwirtschaft der Zukunft. Seite V4G R Ü N E G E B Ä U D E
In der Immobilienbranche wird das Thema Nachhaltigkeit
immer wichtiger. Für das grüne Bauen sprechen auch
handfeste wirtschaftliche Argumente. Seite V3E # M O B I L I T Ä T
Ein Gespräch mit Peter Fuß, Partner bei EY, über
Rohstoffe, Recycling und die Frage, wie umwelt -- November 2019 freundlich Elektroautos wirklich sind. Seite V2
Nachhaltigkeit und KlimaschutzE D I T O R I A L
Von Dirk MewisDer Klimawandel ist eines der großen Pro-
bleme unserer Zeit. Wenn wir das 1,5- oder
Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen – da ist
sich die Wissenschaft einig –, dann gelingt
das nur, wenn wir die Emissionen der
Welt bis etwa 2050 auf null zurückfahren.
Die Erwartungen an das Klimapaket der
Bundes regierung waren deshalb riesig. Aber
was die Bundesregierung da auf den Weg
gebracht hat, ist ziemlich teuer und nicht
besonders effektiv.
Drei Cent höhere Benzinpreise, während
die Pendlerpauschale sogar als Kompen-
sation erhöht wird. Die Mehrwertsteuer
für die Bahn wird ein paar Prozentpunkte
reduziert und die Luftverkehrssteuer dafür
angehoben. Die Elektroautos werden fi nan-
ziell unterstützt, und neue Ölheizungen
soll es bald nicht mehr geben. Und selbst
den eigentlich guten neuen Mechanismus
im Klima-Papier, den CO 2 -Preis, setzen die
Koalitionäre so niedrig an, dass er wohl de
facto wirkungslos bleiben wird.
Aber das Instrument, einmal geschaf-
fen, lässt sich relativ leicht nachsteuern –
zum Beispiel dann, wenn sich abzeichnet,
dass Deutschland seine Ziele schon wieder
nicht erreicht. Außerdem gibt es eine klare
Verantwortung der einzelnen Minister für
den Klimaschutz in ihrem Bereich, herunter-
gebrochen auf jedes einzelne Jahr. Der Druck
auf diejenigen, die so bummeln wie bisher
das Verkehrsministerium, wird also steigen.
Zumal sie dann verantwortlich sind für
EU-Strafzahlungen, die alle treffen.Auf dem Weg in Richtung TreibhausgasneutralitätMit dem Klimapaket will die Bundesregierung die Klimaziele für das Jahr 2030 doch noch erreichen. Ein Mix aus Steuererhöhungen und Fördermaßnahmensoll Entscheidungen von Unternehmen und Bürgern beeinfl ussen. Die betroffenen Branchen warnen vor Wettbewerbsverzerrung. Von Harald CzychollH
öhere Steuern auf Flugti-
ckets, höhere Spritpreise und
das schleichende Ende der
Ölheizung: mit dem Klima-
paket, das die Koalition aus
Union und SPD auf den Weg
gebracht hat, geht es vielen Menschen und
auch Unternehmen an den Geldbeutel. Vor
allem das Klimaschutzgesetz von Bundes-
umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist
umstritten, denn es macht Bereichen wie
Verkehr, Heizen oder auch der Landwirt-
schaft genaue Vorgaben, wie viel Treibhaus-
gas sie einsparen müssen. Auf diese Weise
will die Bundesregierung ihr selbstgesteck-
tes Klimaziel für das Jahr 2030, 55 Prozent
weniger Klimagase als im Referenzjahr 1990
auszustoßen, doch noch erreichen.
Die Steuer auf Flugtickets soll bereits
zum April kommenden Jahres steigen: Für
Inlandsfl üge und Flüge in EU-Staaten werden
dann 13,03 Euro pro Ticket fällig (bisher 5,65
Euro), für Langstreckenfl üge bis 6000 Kilo-
meter steigt die Luftverkehrsteuer um 9,96
Euro auf 33,01 Euro, und bei noch weiteren
Flügen sollen 59,43 Euro fällig werden – fast
18 Euro mehr als bisher. Da die Airlines die
Steuern zumindest teilweise auf die Ticket-
preise aufschlagen, dürfte das Fliegen, das
als besonders klimaschädlich gilt, damit
spürbar teurer werden. Matthias von Randow,
Hauptgeschäftsführer des Bundesverban-
des der Deutschen Luftverkehrswirtschaft
(BDL), warnt dementsprechend vor einer
„Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der
deutschen Fluggesellschaften und Flug-
häfen“. Dadurch werde die Innovationskraft
der Unternehmen geschwächt. „Statt Fort-
schritte beim Klimaschutz im Luftverkehr
zu erzielen, werden nunmehr Wege für
klimaschützende Investitionen in moderne
emissionsärmere Flugzeugfl otten und in
Kraftstoffe auf Basis von erneuerbaren Ener-
gien verbaut“, so von Randow.Zehn Prozent günstigere BahnticketsIm Gegenzug will die Bundesregierung aller-
dings das Bahnfahren fördern: Damit mehr
Bürger die Bahn anstelle eines Inlands fl uges
nehmen, soll die Mehrwertsteuer auf Tickets
im Fernverkehr von 19 auf sieben Prozent
sinken. Die Bahn hat zugesagt, dass die
Tickets zehn Prozent günstiger werden sol-
len, sobald die Steuersenkung in Kraft ist.
Auch das Autofahren dürfte demnächst
teurer werden – zumindest für Fahrzeuge,
die mit Benzin- oder Dieselmotoren unter-
wegs sind. Denn durch die Einführung eines
CO 2 -Preises will die Bundesregierung unter
anderem dafür sorgen, dass sich die Sprit-
preise verteuern. Die Rede ist bislang vonetwa zwei bis drei Cent pro Liter Diesel oder
Benzin. Um Menschen, die für den Weg zur
Arbeit auf das Auto angewiesen sind, nicht
über Gebühr zu belasten, soll im Gegen-
zug die Pendlerpauschale für lange Fahrt-
strecken steigen. Vom 21. Kilometer an sol-
len statt 30 dann 35 Cent pro Kilometer und
Arbeitstag von den zu versteuernden Ein-
künften abgezogen werden dürfen. Wer so
wenig verdient, dass er keine Steuern zahlt,
soll über eine Mobilitätspauschale das Geld
aufs Konto überwiesen bekommen.
Zudem wird die Elektromobilität weiter
gefördert: Neben der Elektroauto-Kaufprä-
mie in Höhe von 4000 Euro gilt für elektrisch
betriebene Dienstwagen ein Steuer privileg:
Bereits seit Anfang dieses Jahres muss
statt des sonst üblichen Satzes von einem
Prozent des Listenpreises für Elektro- und
Hybridfahrzeuge nur die Hälfte als geld-
werter Vorteil versteuert werden. Diese
Regelung wäre ursprünglich 2021 ausge-
laufen, nun gilt sie mindestens bis zum
Jahr 2030. Dies soll die Planungssicherheit
erhöhen. Aus Sicht des Verbands der Auto-
mobilindustrie (VDA) ist dies „der entschei-
dende Stellhebel für einen beschleunigten
Markthochlauf der Elektromobilität“. Dane-
ben müsse allerdings die Ladeinfrastruktur
schnell ausgebaut werden.
Einschneidend sind auch die Veränder-
ungen im Gebäudebereich: Hier wirdzunächst die energetische Sanierung stärker
gefördert – wer in seinem Haus oder seiner
Eigentumswohnung Wände, Decken oder
Dach dämmt, Fenster, Türen, Lüft ungen
oder die Heizung erneuert oder digitale
Anlagen zum Energiesparen einbaut, soll
ab 2020 über drei Jahre steuerlich gefördert
werden. Die Immobilie muss dafür älter als
zehn Jahre sein, die Fördermöglichkeit soll
zunächst auch zehn Jahre bestehen. Vor-
gesehen ist, dass 20 Prozent der Kosten und
maximal insgesamt 40 000 Euro je Haus oder
Wohnung über drei Jahre verteilt von der
Steuerschuld abgezogen werden können.Auftragsrückgänge im HeizungsbauIm Detail gibt es aber auch Änderungen,
die für Streit sorgen. So soll der Einbau
neuer Ölheizungen ab 2026 nur noch dann
erlaubt sein, wenn auch erneuerbare Ener-
gien wie zum Beispiel Solarthermie anteilig
zur Wärmeversorgung genutzt werden.
Die Neuinstallation von Gasheizungen soll
dagegen ohne weitere Aufl agen erlaubt
sein. „Durch die geplanten Anforderungen
würden Hauseigentümer mit Ölheizung in
vielen ländlichen Regionen bei der Heizungs-
modernisierung künftig einige tausend Euro
mehr bezahlen müssen als Hausbesitzer
mit Gasanschluss“, kritisiert Adrian Willig,
Geschäftsführer des Instituts für Wärmeund Öltechnik (IWO). „Dies ist eine massive
Benachteiligung und führt zu noch weniger
Sanierungen.“
In der Tat haben die im Klimapaket ange-
kündigten Maßnahmen beim Heizungsbau
bereits zu Auftragsstornierungen in drei-
stelliger Millionenhöhe geführt, ergab eine
Umfrage des Zentralverbands Sanitär Hei-
zung Klima (ZVSHK) bei seinen Mitglieds-
betrieben. Über ein Drittel der rund 24 000
Innungsbetriebe habe durchschnittlich
je zwei Auftragsstornierungen erhalten.
„Damit ist das eingetreten, was wir befürch-
tet und wovor wir die Politik gewarnt haben“,
sagt ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Helmut
Bramann. Der Verzicht auf eine Heizungsmo-
dernisierung ist dabei das Gegenteil dessen,
was die Bundesregierung eigentlich errei-
chen möchte. Denn schon durch den Aus-
tausch eines veralteten Heizkessels lässt sich
der Brennstoffverbrauch und damit auch der
CO 2 -Ausstoß um bis zu einem Drittel senken.Kritik am KlimaschutzgesetzTrotz des Aufschreis in den von den einzel-
nen Maßnahmen betroffenen Industrien hält
die Regierung jedoch an den Vorhaben fest:
Das Klimaschutzgesetz sei „das Kernstück
und die Basis der künftigen Klimapolitik“, so
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Wenn
die verschiedenen Maßnahmen nicht ausrei-
chen würden, müsse zudem nachgesteuert
werden. „Weil heute niemand mit Sicherheit
sagen kann, ob und wie beschlossene Maß-
nahmen morgen wirken, brauchen wir einen
Kontrollmechanismus“, so der SPD-Politiker.
Den Grünen gehen die bisherigen Pläne nicht
weit genug: „Sinnvolle Einzelaspekte“ wie
verteuerte Flug- und vergünstigte Bahn-
tickets könnten nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass die Koalition beim Klimaschutz
gescheitert sei, sagte Grünen-Fraktionschef
Anton Hofreiter. Er sprach von einem
„Klimapäckchen, das im Gesamten weit hin-
ter dem Notwendigen und gesellschaftlich
Möglichen zurückbleibt“.
Umweltministerin Schulze warnte
jedoch im Bundestag vor „Panik“ im Kampf
gegen die Erderwärmung. Das Klimapaket
sei ein weltweit einzigartiger „Fahrplan
Richtung Treibhausgasneutralität“ und
werde Entscheidungen von Unternehmen
und Menschen beeinfl ussen. Es sorge für
feste Regeln beim Klimaschutz und werde
die Zusammenarbeit der Bundesregierung
in diesem Bereich fundamental verbes-
sern. Man müsse aber auch die Sorgen
um Arbeitsplätze und schnellen Wandel
ernst nehmen, so Schulze, denn schließlich
brauche Klimaschutz „den Rückhalt in der
Bevölkerung“.Frankfurter Allgemeine ZeitungVerlagsspezialErderwärmung: Der Welt bleibt beim Klimaschutz kaum Zeit für die große Transformation. FOTO GECE33/ISTOCKI M P R E S S U M
Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Verlagsspezial der
Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH
Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt:
FAZIT Communication GmbH
Frankenallee 71–81
60327 Frankfurt am Main
Geschäftsführung: Peter Hintereder, Hannes Ludwig
Redaktion: Dirk Mewis,
Julia Hoscislawski (verantwortlich)
Layout: F.A.Z. Creative Solutions, Christian Küster
Autoren: Harald Czycholl, Hajo Hoff mann, Tom Kraus,
Peter Pickel, Hans-Wilhelm Schiff er, Guido Zinke
Verantwortlich für Anzeigen: Ingo Müller, http://www.faz.media
Weitere Angaben siehe Impressum auf Seite 4.3 5 P R O Z E N T
der gesamten Endenergie in
Deutschland verbrauchen wir in den
eigenen vier Wänden – vor allem für
Warmwasser und Heizung.4 , 6 M I L L I O N E N
Wohnungen wurden von 2006 bis
Dezember 2016 in Deutschland
energetisch saniert oder neu gebaut.3 0 0 M I L L I O N E N
Euro pro Jahr umfasst das Marktanreiz-
programm des BMWi, womit
erneuerbare Energien im Wärmemarkt
vorangetrieben werden sollen.2 7, 5 P R O Z E N T
des Darlehensbetrags werden bei
einem Kf W-Kredit bis 100 000 Euro für
die Sanierung der eigenen vier Wände
übernommen.DATENQUELLE BMWIE N E R G I E V E R B R A U C H D E S W O H N G E B Ä U D E B E S T A N D E S
In Deutschland gibt es rund 19 Millionen Wohngebäude, von denen rund 12 Millionen in die Zeit vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverord-
nung fallen; vorher war energieeffi zientes Bauen nur als technisches Regelwerk (DIN 4108), aber nicht ordungsrechtlich verankert.18016014012010080604020018.000.00016.000.00014.000.00012.000.00010.000.0008.000.0006.000.0004.000.0002.000.0000Energieverbrauch in kWh/(m#ANa)Energieverbrauch in kWh/(m%AN a) Anzahl der Wohngebäude Anzahl der WohneinheitenAnzahl Wohngebäude, Wohneinheitenbis 1918 1919 – 1948 1949 – 1978 1979 – 1990 1991 – 2000 ab 2001DATENQUELLE BMWI