Frankfurter Allgemeine Zeitung - 25.10.2019

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SEITE 22·FREITAG, 25. OKTOBER 2019·NR. 248 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


D


ieseNominierung ist auf den
ersten Blick überraschend, sie
enthüllt auf den zweiten Blick
jedoch eine Menge Logik: Der
französische Präsident Emmanuel Ma-
cron hat sich entschieden, den Manager
Thierry Breton zum Kandidaten für die
EU-Kommission zu nominieren. Der 64
Jahre alte Franzose ist eine Allzweckwaf-
fe, ein Wandler zwischen den Welten. Die
meiste Zeit seines Berufslebens war Bre-
ton Konzernmanager, doch er blickt auch
auf einen beeindruckenden Karriereab-
schnitt in der Politik zurück. Er geht auf
die Präsidentschaft des kürzlich verstorbe-
nen Jacques Chirac zurück, dem er bis zu-
letzt nahestand. Von 2005 bis 2007 war
Breton Finanz- und Wirtschaftsminister
seines Landes. In jener Zeit versuchte er
vor allem, seine Landsleute und nicht zu-
letzt seine Regierungskollegen und Präsi-
dent Chirac angesichts der wachsenden
Staatsverschuldung wachzurütteln – eine
Warnung, die sich als hochberechtigt her-
ausstellte. Er selbst und seine Regierung
schafften es, in seiner Amtszeit die Maas-
tricht-Kriterien zur Staatsverschuldung
einzuhalten, doch bald danach kam die Fi-
nanzkrise, und alle Dämme brachen.
Breton wird sein aktuelles Mandat des
Vorstands- und Verwaltungsratsvorsitzen-
den beim französischen IT-Konzern Atos
Ende des Monats niederlegen, wie das
Unternehmen am Donnerstagmorgen
mitteilte. Er hat den Konzern seit seinem
Amtsantritt vor mehr als einem Jahr-
zehnt von einem Nischenanbieter zu ei-
nem dominierenden Akteur der Branche
ausgebaut; Übernahmen wie die des IT-
Geschäfts von Siemens, eines Teils von
Xerox und des französischen Computer-
herstellers Bull, den er früher selbst ge-
führt hatte, trugen dazu bei. „Mit der Viel-
zahl von Akquisitionen hatAtosfast alles
erreicht, was es erreichen wollte“, sagte
Breton erst vor wenigen Tagen im Ge-
spräch mit dieser Zeitung; nur bei der Cy-
bersicherheit gelte es noch aufzuholen.
Wenn das EU-Parlament Breton an-
ders als die vor zwei Wochen zurückge-
wiesene französische Kandidatin Sylvie
Goulard akzeptiert, dürfte er in Brüssel ei-
ner der mächtigsten Kommissare werden.
Das vorgesehene breite Portfolio der In-
dustriepolitik, des Binnenmarktes, der Di-
gitalfragen sowie Verteidigung und Welt-

raum entspricht bestens seinen Vorlie-
ben. Er hätte bei diesen Themen „solide
Kompetenzen“ und sei „ein Mann der Ak-
tion“, teilte der Elysée-Palast mit. Aller-
dings wurde auch Kritik an möglichen In-
teressenkonflikten laut. Bretons Unter-
nehmen Atos ist beispielsweise Subventi-
onsempfänger und Auftragnehmer der
EU-Kommission. Breton hat über die Jah-
re bei Atos immer wieder Aktien oder Ak-
tienoptionen erhalten. Nach einer Auflis-
tung des Konzerns waren es in den ver-
gangenen fünf Jahren rund 250 000 Ak-
tien, die heute einen Wert von knapp 70
Euro je Stück haben. Im vergangenen
Jahr verkaufte Breton 92 000 Aktien im
Wert von 10,3 Millionen Euro. Danach be-
saß er laut französischen Presseangaben
noch einen Aktienbestand im Wert von
rund 50 Millionen Euro. Atos wollte dazu
am Donnerstag keine Stellung nehmen.
Im Elysée-Palast hieß es zu den mögli-
chen Interessenkonflikten, dass Breton
schon als Wirtschafts- und Finanzminis-
ter die Themen zu trennen wusste. Projek-
te, die direkt seine ehemaligen Arbeitge-
ber betrafen, seien damals vom Premier-
minister und nicht von Breton verantwor-
tet worden, hieß es.
Dass Breton vor einem guten Jahr-
zehnt die Führung des damals kleinen
Atos-Konzerns annahm, überraschte
nicht wenige. Schließlich hatte der Fran-
zose vorher Riesenkonzerne wie Bull,
Thomson und France Télécom erfolg-
reich geführt, und er leitete mit dem Mi-
nisterium für Finanzen, Wirtschaft und
Industrie eine der wichtigsten Schaltstel-
len der Politik. Doch Breton ist ein unkon-
ventioneller und auch ein rastloser Mann,
der immer neue Herausforderungen
sucht. „Ich hänge verschiedene Leben an-
einander“, sagte er einmal. Es begann, für
einen Vertreter der französischen Elite
untypisch, nicht auf einer der üblichen
Kaderschmieden des Landes, sondern
auf einer Hochschule für das Ingenieurwe-
sen. Dann ging er nach New York, um
dort auf dem französischen Gymnasium
Mathematik zu lehren. Später gründete er
eine Beratungsgesellschaft für IT-Fragen
und konzipierte sowie leitete den Park Fu-
turoscope bei Poitiers, einen großen Ver-
gnügungspark mit technologischer und
wissenschaftlicher Ausrichtung. Seine
Leidenschaft für technische Fragen mit

gesellschaftlichen Auswirkungen hat er
bis heute behalten. Über Quantenphysik
und Hochleistungsrechner kann er stun-
denlang referieren. Auch als Buchautor
hat er sich dabei etabliert. Mit 29 Jahren
schrieb er den Thriller „Softwar“, der sich
mit Computerviren beschäftigte. Zwei
weitere Werke erhielten Preise als gelun-
gene Science-Fiction-Romane.
Die Politik ließ ihn dabei nie ganz los.
Vor dreieinhalb Jahren etwa klopfte der
Manager an die Türen der Regierungen
in Berlin und Paris, um sie von seinem
Vorschlag zum Aufbau eines europäi-
schen Sicherheits- und Verteidigungs-
fonds zu überzeugen. Nach dem Vorbild
des europäischen Rettungsschirms for-

derte er den Aufbau eines grenzüber-
schreitenden Finanztopfs, der die Nied-
rigzinsen nutzen sollte, aber auch zur
Vergemeinschaftung eines Teils der
Staatsschulden geführt hätte. „Es geht
um unser aller Schicksal. Europa läuft
das Risiko, zu explodieren, wenn wir wie
bisher weitermachen“, appellierte Bre-
ton 2016 in der F.A.Z. Doch vor allem in
Berlin kam die Idee nicht an.
Überzeugter Europäer blieb der Franzo-
se dennoch. Für Atos richtete er neben
dem Konzernsitz bei Paris eine weitere
Leitungszentrale in München ein. Uner-
müdlich plädierte er auch dafür, dass Euro-
pa seine Kompetenzen bei den Superrech-
nern ausbaue. CHRISTIAN SCHUBERT

Wandler zwischen


den Welten


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Thierry Breton Foto AFP


A


lsChristoph Werner geboren wur-
de, gab es DM noch gar nicht. Erst
ein Jahr später, 1973, eröffnete sein Va-
ter Götz Werner seine erste Drogerie in
Karlsruhe. Die Preisbindung für Droge-
riemarktprodukte war gerade weggefal-
len, und Werner nutzte seine Chance.
Heute ist DM mit fast 3700 Märkten der
größte Drogist Europas. Und Christoph
Werner ist der neue Chef. Der Aufsichts-
rat mit seinem Vater hat die Nominie-
rung zum Vorsitzenden der Geschäftslei-
tung beschlossen, nachdem der langjähri-
ge Geschäftsführer Erich Harsch Ende
August überraschend seinen Wechsel zu
Hornbach verkündete hatte. Ob der Weg
vorgezeichnet war? Müssen hätte er
nicht, sagt Christoph Werner im Ge-
spräch mit der F.A.Z., aber wollen, das
schon. Sieben Kinder aus zwei Ehen hat
sein Vater, aber nur Christoph ist aktiv
im Unternehmen.
Der 46 Jahre alte Werner empfängt
den Besucher in seinem Büro in der neu
eröffneten 120 Millionen Euro teuren Fir-
menzentrale im Karlsruher Stadtteil Dur-
lach. Passend zum personellen Wandel,
hat der Konzern im Sommer das neue wa-
benförmige Gebäude bezogen, mit Platz
für 1800 Mitarbeiter. Groß, hell und sehr
aufgeräumt sind die Räume, fast leer.
Ein PC, ein großer Bildschirm für Video-
konferenzen an der Wand, sonst: viel
Platz – so präsentiert sich auch das neue
Chefbüro. Raum zum Denken sozusa-
gen. Immerhin hat Werner seinen eige-
nen Schreibtisch. Alle anderen machen
„Desksharing“. Wer kommt, sucht sich ei-
nen Platz. Und am Ende des Arbeitstages
räumt er seine Sachen wieder in den
Spind.
Werner macht nicht den Eindruck, als
könne ihm die neue Position zu Kopf stei-
gen. Aufgeräumt und aufmerksam ist er,
nahbar und gut gelaunt. Von Nervosität
keine Spur, zwei Tage vor seinem ersten
öffentlichen Auftritt auf der Jahrespresse-
konferenz. Gerade war sein Vater da. Der
75 Jahre alte Gründer ist von nun an
nicht mehr nur sein Ratgeber, sondern
sein Aufsichtsrat. Ob es nicht merkwür-
dig ist, seinem Vater auf diese Art Rechen-
schaft ablegen zu müssen? Werner lacht.
„Im Leben muss man immer Rechen-
schaft ablegen.“
Werner kann zuhören. Den Kopf in
die Hand gestützt, fragt er nach – immer
wieder, aufmerksam, unprätentiös. Blau-

es Hemd, blaue Hose, blaues Sakko über
dem Stuhl, keine Krawatte. Das leicht an-
gegraute Haar, zum Scheitel gekämmt,
umrahmt sein jungenhaftes Gesicht. Die
Fußstapfen seines Vater sind groß. Und
auch der angestellte Manager Harsch hat
über Jahre eindrucksvolle Arbeit abgelie-
fert.
Respekt verspüre er schon, sagt Wer-
ner. „Und Verantwortung. Was wir tun,
betrifft schließlich das Leben von 60 000
Kolleginnen und Kollegen und deren Fa-
milien.“ Aber Angst, nein, die habe er
nicht. Schließlich ist er gut ausgebildet,
seit 2011 schon in der Geschäftsführung.
Als Kind habe er seinen Vater oft beglei-
tet. In den Märkten geholfen, auch mal in
der Poststelle, „aber auch woanders“.
Werner hat die duale Hochschule in
Karlsruhe besucht – „Diplomstift hat
mein Vater gesagt“ – und parallel bei Te-
gut gearbeitet. Später war er bei L’Oréal
in Frankreich tätig, danach beim Phar-
maunternehmen Glaxo Smith Kline in
Amerika. Der neue DM-Chef ist verheira-
tet, Vater zweier Kinder und in der Hal-
tung seinem Vater durchaus ähnlich. Er
verwendet im Gespräch zwar häufiger

klassische Kaufmannsbegriffe wie
Cashflow, Fixkosten und Gewinn. Die be-
sondere Herangehensweise, die DM
nach innen und außen prägt, wird sich
unter ihm aber nicht ändern. DM ver-
steht sich als anderes Unternehmen,
ganzheitlicher, mit einem besonderen
Menschenverständnis, anthroposophi-
scher, auch wenn Werner diesen Begriff
nicht gelten lassen will.
Die neue Unternehmenszentrale heißt
Dialogicum, die Firma Arbeitsgemein-
schaft, Auszubildende sind Lernlinge,
und aus Kundenbindung wird Kunden-
verbindung. Nicht uneigennützig fördert
das Unternehmen die oft belächelten
„singenden Kindergärten“, frühkindliche
Bildung also, Mitarbeiter können auch
schon mal in Theaterworkshops ihre Per-
sönlichkeit schulen. Nicht der Gewinn
solle maximiert werden, sondern der
Kundennutzen. An dieser Grundhaltung
wird Werner festhalten. Auch die Idee ei-
nes bedingungslosen Grundeinkom-
mens, die der Vater propagiert, sieht der
Sohn positiv. Ihn wundere, sagt er, wie
wenig die Politik sich offenbar vorbereite
auf einen fundamentalen Wandel.

Wie sich die Welt verändert, das treibt
Werner um. Nicht nur weil das Geschäft
von DM davon betroffen sein wird. Dabei
müsste er sich deswegen keine Sorgen ma-
chen. Das Wachstum ist nach wie vor
groß. Um fast 5 Prozent auf 11,2 Milliar-
den Euro hat der Umsatz abermals zuge-
nommen. Der aktuelle Gewinn, sagt Wer-
ner, sei aber nur Ausdruck der Vergangen-
heit. Zudem hatten die Drogerien nach
dem Ende von Schlecker eine Sonderkon-
junktur, die sei vorbei. In dieser Zeit sei es
vor allem darum gegangen, neue Standor-
te aufzumachen, um schnell zu wachsen.
Die Expansion habe aber auch ihre Tü-
cken, sagt er. Die Unternehmen liefen Ge-
fahr, nur das Alte zu multiplizieren.
Jetzt werde es wieder wichtiger, die
Leistung zu verändern, das Sortiment at-
traktiv zu halten, um die bestehenden
Märkte zu stärken. „Ziel muss es sein,
stark zu sein, nicht groß.“ Der Handel be-
stehe nur, wenn er attraktiv bleibe. Dazu
gehöre es, dass Kunden das Einkaufen
nicht nur als notwendiges Übel betrachte-
ten, sondern beim Besuch der Märkte das
Sortiment „browsen“, also mit Spaß über
das Angebot schauen. Auch auf Klopa-
pier? Werner freut sich über das Stich-
wort. Selbst profane Dinge könne man in-
teressant halten, sagt er, läuft zum Com-
puter und präsentiert dann eine Seite vol-
ler Suchergebnisse mit DM-Klopapier im
Mops-Design. Die Sonderedition hatte
im Januar einen regelrechten Hype ausge-
löst. Man müsse eben auch scheinbar Ge-
wöhnliches ungewöhnlich machen.
Dass der Online-Handel weiter wach-
sen wird, davon ist auch Werner über-
zeugt. Die Auswirkungen auf die Märkte
aber seien nicht so trivial wie von man-
chen gedacht. Einer der wichtigsten Kos-
tenfaktoren dort sei schließlich die Mie-
te. Die aber werde voraussichtlich fallen.
Auch seien viele neue Geschäftsmodelle
im Online-Handel derzeit nur auf Wachs-
tum ausgelegt und deshalb noch ein Zu-
schussgeschäft. Erst wenn Investoren
kein frisches Kapital mehr nachschie-
ßen, könne man das Potential des On-
line-Handels wirklich abschätzen. DM
bereite sich vor, mit eigenem Online-
Shop und mit Testmärkten, in denen die
Kunden online bestellte Ware fertig zu-
sammengestellt abholen können. Seine
Vorsicht aber ist deutlich zu spüren. Ei-
nen radikalen Wandel wird es mit Chris-
toph Werner nicht geben.(Kommentar
Seite 24.) BERND FREYTAG

Festnahme nach Säureanschlag


Eineinhalb Jahre nach dem Säurean-
schlag auf Innogy-Manager Bernhard
Günther in Haan bei Düsseldorf haben Er-
mittler einen Durchbruch erzielt. Ein Ver-
dächtiger sitzt in Untersuchungshaft. Die
im September 2018 eingestellten Ermitt-
lungen seien aufgrund anonymer Hinwei-
se wieder aufgenommen worden und hät-
ten zu einem 32 Jahre alten Mann ge-
führt. Er sei am Freitag auf einer Veran-
staltung in Köln festgenommen worden,
teilte die Wuppertaler Staatsanwaltschaft
mit. Was hinter dem Anschlag steckt und
wie viele Verdächtige es gibt, wollten die
Ermittler aus taktischen Gründen nicht
verraten. dpa


Bosch baut noch mehr Stellen ab
Bosch plant weitere eintausend Arbeits-
plätze in Baden-Württemberg abzubau-
en. Betroffen ist der Geschäftsbereich Au-
tomotive Steering (Lenksysteme) in
Schwäbisch Gmünd, wie ein Unterneh-
mensmanager bestätigte. Die „Stuttgarter
Zeitung“ hatte zuvor darüber berichtet.
Gegenwärtig sind 5000 Mitarbeiter am
Bosch-Standort beschäftigt. Erst am ver-
gangenen Dienstag hatte der Autozuliefe-
rer bekanntgegeben, dass angesichts sin-
kender Nachfrage nach Diesel- und Ben-
zinautos in den kommenden zwei Jahren
gut 1600 Arbeitsplätze abgebaut werden.
Betroffen sind Arbeitsplätze in der An-
triebssparte an den Unternehmensstand-
orten in Stuttgart-Feuerbach und Schwie-
berdingen. dpa


Twitter enttäuscht Anleger


Das Geschäft des amerikanischen Kurz-
nachrichtendienstesTwitterwächst lang-
samer als von Analysten erhofft. Der Um-
satz stieg im abgelaufenen Quartal um 9
Prozent gegenüber dem Vorjahreszeit-
raum auf 824 Millionen Dollar. Analysten
hatten mehr erwartet. Unterm Strich blieb
ein Gewinn von 36,5 Millionen Dollar.
Vor einem Jahr waren es fast 790 Millio-
nen Dollar, allerdings stammten gut 700
Millionen Dollar aus einer einmaligen
Steuergutschrift. Die Zahl täglich aktiver
Nutzer, denen Twitter Werbung zeigen
kann, legte binnen drei Monaten von 139
auf 145 Millionen zu. dpa


5G-Kosten bedrücken Nokia
Der harte Kampf um Marktanteile im
5G-Geschäft hinterlässt bei den in der Ver-
gangenheit lange kriselnden Nokia-Kon-
zern Spuren. In diesem und im kommen-
den Jahr werde man erheblich weniger Ge-
winn machen als bisher angepeilt, teilte
Nokia mit. Hintergrund seien der Druck
auf die Margen und die Notwendigkeit,
mehr Geld in den 5G-Aufbau zu stecken.
An der Börse sorgte die Nachricht für ei-
nen Kurssturz, die Nokia-Aktie verlor
mehr als 20 Prozent an Wert. Eine Erho-
lung erwartet der Konzern erst 2021. dpa

Wacker spürt Preisdruck
Die trübe Weltwirtschaft und Preisdruck
im Solarmarkt hinterlassen beiWacker
ChemieSpuren. Insgesamt steigerte der
Konzern den Umsatz im dritten Quartal
um 2 Prozent auf rund 1,27 Milliarden
Euro. Das operative Ergebnis legte wegen
eines Einmaleffekts um 13 Prozent zu,
ohne diesen wäre es um mehr als ein Drit-
tel auf 160,4 Millionen Euro eingebro-
chen. Schwach lief das Geschäft mit dem
Solarindustrie-Grundstoff Polysilizium.
Wacker verkaufte mehr, die erhoffte Preis-
erholung sei aber ausgeblieben. dpa

Lastwagen-Kartell vor Gericht
Der größte Schadenersatzprozess gegen
ein Lastwagenhersteller-Kartell hat am
Donnerstag vor dem Landgericht Mün-
chen begonnen. Mehr als 110 Klagen sind
beim Münchner Landgericht eingegangen


  • über die mit Abstand umfangreichste
    wird nun verhandelt. 3200 Spediteure for-
    dern für 84 000 angeblich überteuerte
    Lastwagen 867 Millionen Euro zurück.
    Die beklagten HerstellerMAN, Daimler,
    DAF,Volvo/Renault undIvecobestreiten,
    dass ihr Kartell zu Preisaufschlägen ge-
    führt habe. Sie stellten auch in Frage, ob
    die Klage überhaupt zulässig sei. dpa


Airbus steht vor Großauftrag
Der FlugzeugherstellerAirbuskann in der
Krise seines Rivalen Boeing auf einen
Großauftrag aus den Vereinigten Staaten
hoffen.Spirit Airlineshabe einen Vorver-
trag über bis zu 100 Mittelstreckenjets un-
terzeichnet, teilte Airbus mit. Die Airline
wolle eine Bestellung abgeben, die die Va-
rianten A319neo, A320neo und A321neo
umfasse. dpa

tag.MAINZ, 24. Oktober. Der Chemie-
konzern BASF kommt nicht aus dem Tief.
Auch im dritten Quartal seien die Rah-
menbedingungen herausfordernd geblie-
ben, sagte Vorstandschef Martin Bruder-
müller zur Vorlage des Zwischenberichts.
Das um Sonderfaktoren bereinigte Be-
triebsergebnis sackte bei leicht sinkenden
Umsätzen abermals um fast ein Viertel
auf 1,1 Milliarden Euro ab. Seit Jahresan-
fang ist es um 32 Prozent auf 3,9 Milliar-
den Euro gefallen. Weil Analysten einen
noch stärkeren Rückgang erwartet hat-
ten, stieg der Aktienkurs am Mittwoch
dennoch um 2,5 Prozent deutlich an.
Der Handelskrieg zwischen Amerika
und China und die Unsicherheit über den
Brexit bremsen nach Brudermüllers Wor-
ten die Wirtschaft. Auch die Nachfrage
aus der Automobilindustrie sei weiter ge-
sunken. Er gehe zwar davon aus, dass
BASF die im Juli drastisch gesenkten Zie-
le erreichen werde. Ein Spaziergang sei
das in diesem Umfeld aber nicht. Für
2019 rechnet Brudermüller weiter mit ei-
nem Rückgang des bereinigten operati-
ven Gewinns um bis zu 30 Prozent.
Der vor ein paar Tagen angekündigte
Abgang des Asien-Vorstandes war nach
Brudermüllers Darstellung persönlich
motiviert und ändert nichts an Investi-
tionsplänen dort. Im chinesischen Guang-
dong will der Konzern für bis zu 10 Milli-
arden Dollar einen neuen Verbundstand-
ort bauen. Das Vorhaben ist eines der
größten Investitionsprojekte in der Ge-
schichte des Unternehmens. Auch der
Handelskonflikt hat nach Brudermüllers
Worten „überhaupt keinen Einfluss“ auf
die Entscheidung. Die Investition sei
schließlich auf Dekaden ausgelegt, zu-


dem hätten auch beide Regierungen ein
Interesse am Gelingen.
Da der Konzern an den schwachen Rah-
menbedingungen kaum etwas ändern
könne, nutze er das „Übergangsjahr“ wie
angekündigt zum Umbau, sagte Bruder-
müller. Prozesse sollen vereinfacht wer-
den, der Konzern schlanker. Von den an-
gekündigt 6000 Stellen seien schon 1800
abgebaut worden. Die neue Zuordnung
von 20 000 Mitarbeitern sei Anfang Okto-
ber abgeschlossen worden.
In diesem Jahr soll das Sparprogramm
500 Millionen Euro zum operativen Ge-
winn (Ebitda) beisteuern, von 2021 an
dann 2 Milliarden Euro jährlich. Aller-
dings werden dafür nach Angaben der
BASF in diesem Jahr auch 500 Millionen
Euro an Restrukturierungskosten anfal-
len, in den beiden Folgejahren nochmals
je bis zu 300 Millionen Euro.
Zu schaffen macht dem Konzern das
Geschäft mit Grundchemikalien. Die
Preise für wichtige Kunststoff-Vorproduk-
te stehen wegen der schwachen Nachfra-
ge gleich etlicher Industrien unter Druck.
Dagegen zeigen sich die Spezialchemie-
sparten robust. Auch das Pflanzenschutz-
geschäft lieferte mehr Gewinn ab. Neben
dem „guten Saisonstart in Südamerika“
macht sich hier vor allem die Übernah-
me der Pflanzenschutzgeschäfte von Bay-
er bemerkbar. Finanzvorstand Hans-Ul-
rich Engel sagte, BASF sei mit der Ent-
wicklung der zugekauften Aktivitäten
„vollends zufrieden“. Zugleich räumte er
ein, dass die neuen Geschäfte in diesem
Jahr wegen der laufenden Integration
noch nicht die beim Kauf genannten 550
Millionen Euro Ergebnisbeitrag liefern
würden.

Kurze Meldungen


Handelskonflikt hält


BASF im Griff


Konzern plant aber keinen Abstrich an Plänen in China


„Stärke zählt, nicht Größe“


Der Gründersohn Christoph Werner übernimmt die Führung der Drogeriemarktkette DM


Frankreichs Kandidat für die EU-Kommission,


Thierry Breton, ist Manager und war Minister.


Er „hängt verschiedene Leben aneinander“.


MENSCHEN& WIRTSCHAFT


Christoph Werner Foto Bernd Freytag

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