Focus - 12.10.2019

(Ron) #1

POLITIK


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  1. Januar 2019. Die Chemotherapie hat
    ihn verändert. Er ist abgemagert, der ele-
    gante Anzug wirkt zwei Nummern zu
    groß. Das Gesicht eingefallen, auf dem
    Kopf trägt er eine dunkelblaue Strick-
    mütze. An diesem Abend besucht Mike
    Mohring die Grüne Woche in Berlin. Der
    erste Auftritt nach dem Facebook-Video,
    mit dem er seine Krankheit öffentlich
    gemacht hatte. Umgeben von einigen
    Vertrauten, tastet er sich zurück auf die
    Bühne. Die ihn erkennen in der Messe-
    halle 11, flüstern Genesungswünsche und
    umarmen ihn. Nach jedem Kontakt reibt
    er seine Hände mit einem Desinfektions-
    mittel ein, lässt das kleine Fläschchen
    unauffällig in die Sakkotasche gleiten.

  2. Januar 2019. Es hat geschneit in Bir-
    kungen. In der Stadthalle hat die Mit-
    telstandsvereinigung der thüringischen
    CDU eingedeckt. Es gibt Schlachteplatte
    und Bier, Mike Mohring ist der wichtigs-
    te Gast. Kurz vor Beginn steigt er aus
    dem Dienstwagen, trägt nur Jackett und
    Mütze. Gleich hält er seine „erste Rede
    danach“. Er muss die Parteifreunde fes-
    seln, ihnen zeigen, dass sie zu Recht auf
    ihn setzen. Mohring spricht frei, dankt
    seinen Anhängern für ihre Genesungs-
    wünsche und blickt nach vorn: „Wenn
    wir dann zum Schlachtfest im nächsten
    Jahr wieder hier zusammenfinden, dann
    werden wir das feiern, in Regierungsver-
    antwortung! Alle im Saal stehen auf und
    applaudieren. Erleichtert. Beruhigt.

  3. März 2019. Im Landtag von Erfurt
    wird nicht geklatscht, hier schlagen sie
    mit der flachen Hand auf die Tische. Das
    sei eine Reaktion auf das unterwürfige
    Klatschen der Volkskammer während der
    DDR-Zeit, erklärt Mohring. Nur die Abge-
    ordneten der AfD klatschen noch, was vor
    dem historischen Hintergrund besonders
    bizarr wirkt. Der Landtag diskutiert das
    Behindertengesetz in einfacher Sprache.
    Mohring sitzt in der ersten Reihe, vertieft
    in das Gespräch mit seinem Sitznach-
    barn. An den entscheidenden Stellen
    schlägt er vor sich auf den Tisch, ohne
    aufzublicken. Seitdem die AfD im Land-
    tag sitzt, ist die Atmosphäre vergiftet.
    Kein Foto, das Mohring mit einem Politi-
    ker der ebenfalls oppositionellen Rech-
    ten zeigen würde, darauf achtet er. Zu
    groß die Angst vor dem politischen Scha-
    den. Die AfD macht der CDU den Raum
    eng: Was immer es an der rot-rot-grünen
    Koalition zu kritisieren gibt, Björn Höcke
    kritisiert es lauter.

  4. April 2019
    Annegret
    Kramp-Karrenbauer
    besucht Apolda
    und wirbt für den
    Kandidaten. Dahinter
    Mohrings Eltern
    Manfred und Carola

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