Focus - 12.10.2019

(Ron) #1

WIRTSCHAFT


Fotos:

Madlen Krippendorf für FOCUS-Magazin, Pim Hendriksen, dpa

FOCUS 42/2019

Händen. Der Musiker und Cannabis-In-
vestor leiht Klarna nicht nur sein Gesicht,
sondern übernahm im Januar sogar selbst
Firmenanteile.
Der exzentrische Auftritt wirkt: Laut
einer Yougov-Studie konnte die Marke

so gut, dass er die Branche in nur weni-
gen Jahren das Fürchten lehrte. Das
„Handelsblatt“ nannte ihn vor Kurzem
schlicht den „Bankenschreck“.
Finanz-Schocker Siemiatkowski strotzt
jedenfalls vor Selbstbewusstsein. Seinen
jubelnden Mitarbeitern im
Funkhaus ruft er zu: „Gemein-
sam werden wir eine neue Art
des Bankings etablieren und
damit die Welt verändern.“
Wie jede gute Revolution
klingt auch Siemiatkows-
kis Mission ganz einfach –
„smooth“ würde der Klarna-
Gründer sagen. Seine Fir-
ma bietet sich als Zahlungs-
dienst beim Online-Shoppen
an. Entscheiden sich die Kun-
den für Klarna, erhalten sie
die Bestellung – ohne Vor-
kasse oder Sofortüberwei-
sung. Sie bezahlen erst nach
Erhalt der Ware und wenn
sie sicher sind, dass sie diese
auch behalten wollen. Man
will etwas, man klickt, man
kriegt es. Das Klarna-Kon-
sum-Motto („Werde smooth,
zahle später“) klingt umwer-
fend simpel.
Es ist jedenfalls umwerfend erfolgreich:
Der Schwede Siemiatkowski gründete
die Firma im Jahr 2005. Inzwischen nut-
zen 60 Millionen Kunden in insgesamt
17 Ländern den Dienstleister Klarna. In
Deutschland, seinem wichtigsten Markt,
erwirtschaftet Klarna rund 40 Prozent des
Gesamtumsatzes von 513 Millionen Euro.
Seit zwei Jahren hat die Firma eine Bank-
lizenz. Sie darf Kredite vergeben und
Spareinlagen einwerben. Für Siemiat-
kowski mag das Geschäft mit Krediten
und Konten nur eine Nebeneinnahme
sein – für die großen alten Player der ana-
logen Welt entwickelt sich der digitale
Emporkömmling Klarna zum Albtraum.


Rapper als Markenbotschafter


Zu einem schrillen obendrein. Der Finanz-
makler Klarna tritt nicht ruhig, seriös oder
gediegen auf, sondern laut, frech und
aggressiv.
Der Gangster-Rapper Snoop Dogg ist
der Held der aktuellen Klarna-Kampag-
ne. Begleitet von Afghanischen Windhun-
den, schreitet er im goldenen Anzug über
einen Plüschteppich vor rosa Kulisse. Er
nennt sich jetzt „Smooth Dogg“ und trägt
diesen Titel auf pinken Ringen an den


ihres Umsatzes im Zahlungsverkehr an
die digitalen Revolutionäre. Damit hätten
Fintechs einen Anteil von 14 Prozent am
globalen Markt. „Heute geht nichts über
Bequemlichkeit“, sagt Fintech-Experte
Clas Beese. Je einfacher es die Kunden
hätten, desto erfolgreicher sei
ein Unternehmen.
Der Erfolg lässt allerdings
die Kritik an Klarna nicht
verstummen. Die Firma ver-
dient nämlich nicht nur an
den Provisionen, die sie von
den inzwischen 170 000 On -
line-Händlern kassiert. Zum
Geschäftsmodell gehören auch
ziemlich happige Gebühren,
die bei verspäteten Zahlun-
gen fällig sind: Überschrittene
Fristen kosten die Kunden bis
zu 3,60 Euro. Nach 49 Tagen
schaltet Klarna ein Inkasso-
büro ein. Die Zinsen liegen bei
bis zu 14,79 Prozent. Deutlich
höher als bei anderen Raten-
kauf-Anbietern. Selbst man-
cher unverschämt teure Dispo-
kredit ist günstiger.
Klarna als Schuldenfalle?
„Wir sehen es kritisch, dass
die Firma Inkassounterneh-
men beim Rechnungs- und Ratenkauf
einschaltet“, sagt Michelle Jahn von der
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfa-
len. Das treibe die Forderungen in die
Höhe. Siemiatkowski verteidigt sich:
„Wir erinnern unsere Nutzer regelmäßig
per Mail oder App an ihre offenen Zah-
lungen und machen ihnen den Umgang
mit ihren Finanzen dadurch besonders
leicht.“ Außerdem prüfe Klarna die Liqui-
dität der Kunden eingehend, um sicher-
zustellen, dass nur die einkaufen, die es
sich auch leisten können.

Jagd nach dem perfekten Kundenprofil
Dieser durchdringende Blick auf den
Kunden ist nur möglich, weil sich die Fir-
ma als digitaler Detektiv betätigt. Klarna
sammelt Informationen über klassische
Auskunfteien, aber auch in den sozialen
Netzwerken. Selbst die Uhrzeit des Ein-
kaufs hat für den Datensammler Klarna
Aussagekraft: Wer um drei Uhr am Nach-
mittag einkauft, begleicht seine Rech-
nung eher als jemand, der um drei Uhr
morgens shoppt.
Das Kunden-Screening mittels Big Data
und künstlicher Intelligenz, so wie es
Klarna schon heute praktiziert, wird mor-

Pullover statt Anzug Klarna-Chef Sebastian Siemiatkowski will das
Vertrauen seiner Kunden auf seine ganz eigene Weise gewinnen

Klarna ihre Bekanntheit in Deutschland
von 2016 bis 2019 fast verdoppeln.
Die Firma kämpft um Popularität und
Marktanteile. Klarna bildet Allianzen mit
anderen Zahlungsplattformen wie Alipay
oder Adyen. So entsteht ein Produktport-
folio, das eine traditionelle Bank allein
nicht bieten kann.
Junge Unternehmen wie Klarna,
PayPal oder die deutsche Online-Bank
N26 beweisen, dass die alten Bran-
chenriesen die jungen Fintechs zu lan-
ge belächelt haben. Fintechs, das sind
Unternehmen im Finanzbereich, die
mit modernen Technologien neue
Lösungen anbieten.
Laut einer Studie des Beratungsunter-
nehmens Accenture verlieren Banken
künftig bis zu 280 Milliarden US-Dollar

„Was wir tun, kann


das Ende der


traditionellen Banken


bedeuten“


Sebastian Siemiatkowski

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