WIRTSCHAFT
Fotos: Andrzej Banas für FOCUS-Magazin, Szymon Szczesniak/Madame Figaro/laif
76 FOCUS 42/2019
Vereinigung exklusiver Marken wie Cha-
nel, Hermès oder Dior. Sie ist eines der
wenigen nicht französischen Unterneh-
men in diesem Club. „Damals, als ich
mein kleines Kosmetiklabor startete, hät-
te ich diese Entwicklung nicht für möglich
gehalten“, sagt Eris stolz. „Es war harte
Arbeit, Entschlossenheit und Glück.“
Mittelständische Firmen wie die von Eris
tragen den größten Teil zum erstaunlichen
Wirtschaftsboom bei, den Polen fast unun-
terbrochen seit der Wende 1990 erlebt hat.
Im Schnitt legte die Wirtschaft um rund
vier Prozent pro Jahr zu, fast 2,5 Prozent
pro Jahr mehr als die deutsche. Das Brut-
toinlandsprodukt hat sich versiebenfacht,
pro Kopf liegt das Durchschnittseinkom-
men heute, kaufkraftbereinigt, bei 70 Pro-
zent des EU-Durchschnitts. 1989 waren es
33 Prozent. Die Wachstumsprognose für
2019 hob die EU-Kommission gerade –
trotz eines ungünstigen globalen Umfelds –
auf 4,4 Prozent an (Deutschland: 0,5).
„Kein anderes Land in Europa hat es
nach dem Fall des Kommunismus besser
hinbekommen als Polen“, sagt der Har-
vard-Wissenschaftler Dani Rodrik. Das
Land erlebe ein echtes Goldenes Zeital-
ter, bestätigt Weltbank-Ökonom Marcin
Piatkowski, Autor des Buches „Europe’s
Growth Champion“. Auch das Beratungs-
unternehmen McKinsey sieht Polen als
„Europas neuen Wachstumsmotor“.
Und das, obwohl Experten vor den frei-
giebigen Sozialprogrammen der national-
konservativen PiS warnten, die seit 2015
die Regierung stellt. Dabei verstärkte sich
die Wirtschaftsdynamik unter ihrer Ägide
sogar. Der Export stieg 2018 um 7 Prozent
auf 221 Milliarden Euro. Im Geschäfts-
klima-Ranking der Weltbank liegt Polen
auf Rang 33, gleich hinter Frankreich und
vor Portugal. Und dank der Erhöhung des
Mindestlohns, des Kindergelds sowie der
Unterstützung von Rentnern sank der
Anteil der armen Haushalte um 2,2 Pro-
zent. Die Regierung konnte ihre Program-
me solide finanzieren, weil sie deutlich
mehr Steuern einnimmt. Der Wirtschafts-
boom ist der wichtigste Grund, warum
die PiS beste Chancen hat, bei der Par-
lamentswahl am 13. Oktober zu siegen.
Für das „Wunder an der Weichsel“ gibt
es mehrere Gründe. Dass Polen sogar
während der Finanzkrise 2009 als ein-
ziges Land in der EU noch wirtschaftlich
wuchs, lag nach Meinung der nationalen
Experten vor allem daran, dass Polen nicht
Mitglied der Euro-Zone war. Für polnische
Euro-Kritiker ist es das stärkste Argument,
dass sich dies auch nicht so bald ändern
sollte. Beigetragen zum Erfolg haben
anfangs vor allem die niedrigen Lohnkos-
ten, heute sind es fortschrittliche Technolo-
gien und hohe Produktqualität. Das Land,
das für fette Gänse, frische Pfifferlinge und
billige Plastikfenster berühmt war, mischt
nach und nach mit eigenem Know-how
die internationalen Hightech-Märkte auf.
Die neuen Exportschlager sind Pharma-
produkte, Software, Straßenbahnen, Elek-
trobusse und ergonomische Büromöbel.
„Unsere komplizierte Geschichte hat
den Einfallsreichtum in allen Lebensbe-
reichen beflügelt“, meint Selfmade-Mil-
lionärin Eris. Sie selbst borgte sich das
Startkapital von der Familie. Ihre Cremes
fabrizierte sie in einem Metalltopf mit
selbst gebautem Mischer und füllte sie
per Hand in Dosen ab. Abends vertrieb
Ehemann Henryk diese mit seinem
Fiat Polski über private Kioske. Heute
verkauft Eris ihre Produkte in über 60
Ländern, entwickelt sie im eigenen For-
schungslabor und produziert sie in der
eigenen Fabrik. Drei exklusive Spa-Ho-
tels und ein Netz von Schönheitssalons
gehören zum Imperium.
Zu den erfolgreichsten Wirtschaftszwei-
gen hat sich aber vor allem die Internet-
Branche entwickelt. „Polen ist eine IT-
Goldgrube“, sagt Janusz Filipiak, Gründer
und Chef von Comarch. „Es gibt kaum ein
anderes Land in Europa, wo man so viele
exzellente Software-Entwickler und talen-
tierte Programmierer findet.“ Mathematik
und Informatik gehören bei Deutschlands
Nachbarn zu den beliebtesten Studien-
gängen. „Der größte Vorteil ist aber die
Einstellung“, lobt der 67-Jährige, der
laut Börsenberichten rund 300 000 Euro
im Monat verdient – mehr als jeder andere
Top-Manager in Polen. In kommunisti-
schen Zeiten entwickelte Filipiak als Infor-
matikprofessor elektronische Zahlungs-
systeme. „Die jungen Polen sind ehrgeizig
und hungrig, sie wollen im Leben etwas
erreichen und packen es an. In Polen
kommt die Arbeit zuerst, die Work-Life-
Balance ist noch nicht entscheidend.“
Das hat sich herumgesprochen: Immer
mehr globale Konzerne, darunter Google
und Cisco, bauen in Polen ihre Aktivitäten
aus. Der Nachteil: „Westliche Konzerne
treiben die Löhne hoch“, schimpft Fili-
piak. „Heute verdienen die besten Soft-
ware-Entwickler bei mir nicht viel weniger
als im Westen.“ Comarch hat am Rande
„In Polen kommt die Arbeit zuerst, nicht die Work-Life-Balance“
IT-Profi Der frühere Informatikprofessor Janusz
Filipiak beschäftigt in seiner Krakauer Firma Comarch
4500 Programmierer und Sotfware-Entwickler
Beauty-Queen Polens bekannteste Kosmetikprodu-
zentin Irena Eris schaffte es in das exklusive französische
Comité Colbert, eine Vereinigung von Luxusmarken
Design-Vorbild Adam Krzanowski baute zusammen mit
Bruder Jerzy den drittgrößten Büromöbelhersteller Euro-
pas auf. Sie erhielten mehrere deutsche Design-Preise
Generali Deutschland Versicherung AG,
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