Focus - 12.10.2019

(Ron) #1
MITTELSTAND

tion bleiben und möglicherweise noch
„gestärkt“ werden.
Die Möbel seines Unternehmens tes-
tete der Firmenchef schon als Kind. „Ich
habe als Schulkind auf einem Stuhl von VS
gesessen. Mich machte das schon immer
sehr stolz“, erinnert er sich. Berühmt ist das
von dem Hausdesigner Verner Panton ent-
wickelte Pantoflex-Prinzip, das ergonomi-
sche Anforderungen und Ästhetik bei Sitz-
möbeln miteinander vereint. Der Däne gilt
als Pop-Art-Künstler unter den Designern.
Nach dessen Tod 1998 engagierte VS den
französischen Architekten und Star-De-
signer Jean Nouvel, der unter anderem
die Galeries Lafayette in Berlin und
den 142 Meter hohen Büroturm
Torre Glòries in Barcelona ent-
wickelt hatte. Die Firma wollte
damit ihrem hohen Anspruch an
Form und Funktionalität weiter
gerecht werden. Anregungen
dafür holt sie sich auch direkt bei
den Kunden, darunter BMW, Sie-
mens, Deutsche Bank und die Cross-
town High School im amerikanischen
Memphis. VS legt deshalb viel Wert auf
Beratung vor Ort und Direktvertrieb.
Die dramatische Veränderung der Lern-
und Arbeitswelt zwingt auch die Tauber-
bischofsheimer zu veränderten Arbeits-
weisen. Geschäftsführer Müller beschreibt
die Herausforderungen so: „Wenn wir uns
damit auseinandersetzen, treiben uns
dabei zwei Entwicklungen: die Digita-
lisierung – kein Büro und kein Klassen-
zimmer wird künftig ohne Computer und
ohne entsprechende Bildschirme auskom-
men – und die zunehmende Flexibilität
der Akteure. Die Menschen werden nicht
mehr an ein und demselben Arbeitsplatz
den Tag verbringen.“ Das Mobiliar müsse
deshalb sehr anwendungsspezifisch und
wandelbar gestaltet sein.
Das Unternehmen beauftragte daher
eine Firma innerhalb der VS-Gruppe
damit, sich ausschließlich mit der Digi-
talisierung zu beschäftigen und daraus
Folgerungen für neue Designs zu ziehen.
Die Stärke von VS, „die Einheit aus Funk-
tionalität und Ästhetik“, soll auch nach
120 Jahren nicht verloren gehen. n

HERBERT WEBER

DIE FIRMA VS Vereinigte Spezial-
möbelfabriken


GRÜNDUNG 1898 in Tauberbischofsheim


UMSATZ 238,5 Millionen Euro (2018)


MITARBEITER ca. 1500 (2018)


KUNDEN BMW, EZB, Deutscher Bundestag u. a.


Made in
Germany
Der Mittelstand
im FOCUS

SERIE, TEIL 21

78 FOCUS 42/2019


Philipp Müller leitet die VS Vereinigten Spezialmöbelfabriken.


Er stattet Büros und Klassenzimmer in aller Welt aus


Der Schulbankdrücker


E


s gibt wohl keinen Bundestags-
abgeordneten in Berlin, der seine
Akten nicht in einem Regal aus
Tauberbischofsheim stehen hat.
Die Büros des Parlaments sind
alle mit Möbeln der fränkischen VS Ver-
einigten Spezialmöbelfabriken ausgestat-
tet, eines Unternehmens, das seit mehr
als 120 Jahren zu den führenden Schul-,
Büro- und Objekteinrichtern gehört.
VS entstand 1898 aus der Vereinigung


von vier unabhängigen Schulmöbelher-
stellern. Erster Chef war Paul Johannes
Müller. Vor einem halben Jahr übernahm
Urenkel Philipp Müller die Firma – in
vierter Generation.
„Ich bin ein Schöngeist“, sagt der
38-jährige Firmenerbe im Gespräch. Wie
ein vergeistigter Intellektueller kommt
Müller dennoch nicht daher. Schließlich
sammelte er reichlich Erfahrungen im
Management eines Großkonzerns. Nach
dem Betriebswirtschaftsstudium stieg er
nicht gleich beim Familienunternehmen
ein, sondern zunächst bei Volkswagen in
Wolfsburg. Die Kenntnisse dürften ihm
helfen, 1500 Beschäftigte in sechs Wer-
ken – alle in Tauberbischofsheim – und
die Vertriebsunternehmen unter anderem
in Nordamerika und den Vereinigten Ara-
bischen Emiraten zu führen. Franken, so
betont Müller, soll Zentrum der Produk-

Die vierte Generation
Philipp Müller, 38, leitet seit März die
VS Vereinigten Spezialmöbelfabriken.
Er setzt die Tradition seiner Familie fort
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