Architectural Digest Germany - 11.2019

(coco) #1

kanischer Fuhrmänner. Oder das Grün im Wohnzimmer – das
hatte sie bereits in ihrem Shop in Marylebone eingesetzt.
Beide erinnern nicht unbedingt an „A Bigger Splash“, aber ei-
nen großzügigen Pool gibt es trotzdem. Nicht aus gechlortem Was-
ser, sondern voll Licht: Er ist in die Decke über dem Wohnzimmer
eingelassen. Alle weiteren Zimmer sind um diesen zentralen
Raum angeordnet, der so den Eindruck eines marokkanischen In-
nenhofs oder, wie Speake es sieht, eines römischen Atriums ver-
mittelt, nur dass sich das Impluvium hier eben himmelwärts öff-
net. Die umliegenden Zimmer bedienen sich aus diesem Lichtpool
über stahlgerahmte Innenfenster, die aus dem Battersea-Kraftwerk
stammen und, so Speake, „die Anmutung bestimmen. Was mir am
besten daran gefällt – und zu Beginn hat uns das auch ein bisschen
verunsichert: dass das ganze Haus, mit Ausnahme von Jimmys
hoch gelegenem Schlafzimmer, sein Licht von oben bekommt. Das
schafft eine ganz und gar andere, ruhige Art von Beleuchtung.“
Nirgendwo ist diese Ruhe deutlicher zu spüren als in Bella
Freuds Schlafzimmer. Das hat viel mit der goldfarbenen Palette
zu tun – ausg ehend vom Teppich in einer „seltsam ringelblumen-
artigen“ Farbe, die ihr vor einigen Jahren in einer vietnamesischen
Palastsuite aus den 1960er-Jahren begegnete. Ihr Ankleidezim-
mer hat F reud für privatere Bilder vorgesehen. Eins von zweien,
die hi er bis jetzt an der Wand hängen, ist eine Fotografie von ihr
selbst, aufgenommen von Alastair Thain in den 1980er-Jahren.
„Ich dachte, ich sollte ein Nacktfoto von mir selbst haben, damit ich
im Alter zurückblicken und denken kann: ‚Oh mein Gott, du sahst
einmal richtig gut aus!‘ Denn ich war ja immer so selbstkritisch.“
Das andere Bild ist eine Skizze für „das letzte Bild, bei dem ich
meinem Vater Modell saß – so hat er angefangen, und später be-
gann er von vorn mit einer viel größeren Leinwand“.
Über dem Bett hängt eine weitere Zeichnung von ihm, die sie
nach seinem Tod in seinem Atelier fand. „Sie zeigt mich, aber hin-
ter mir sieht man Performancekünstler Leigh Bowery, dann wie-
der mich. Ich liebe dieses Bild. Ich kann mich noch genau daran
erinnern, weil das Modellsitzen tagsüber war. Nachmittags war es


schwieriger, wach zu bleiben. Ich weiß
noch, einmal sind wir beide eingeschla-
fen, er auf dem einen Stuhl, ich auf einem
anderen – das war so nett.“ Ihr Vater ist
hier sehr präsent, nicht nur in Fotogra-
fien, S kizzen und Radierungen. An der
Wand im Wohnzimmer ist einer seiner
Malwagen geparkt – mit seinem Berg
an leeren F arbtuben, eingepackt in Folie,
wirkt e r selbst wie ein Kunstwerk. Und
ganz vi tale Referenzen sind die großblätt-
rigen Exemplare einerSparrmannia afri­
cana, der Kapländischen Zimmerlinde, die
den Besucher im Entree begrüßen. Eine
ist ein Ableger jener Pflanzen, die Lucian Freud in seinem Atelier
stehen hatte und die in mehreren seiner Gemälde auftauchen.
Ein Druck von Francis Bacons „Study for Head of Lucian Freud“
hängt ebenfalls hier, seine fleischfarbenen Töne werden vom Gal-
mei-Rosa d er Küchenwand aufgegriffen. „Ich verbinde diese Fake-
Sachen e infach gern mit Originalen“, sagt Bella Freud. „Da mache
ich mir wirklich keinen Kopf.“ Das Gleiche gilt auch für einige
Fotografien in der Küche: „Diese Aufnahme meines Vaters mit
Francis Bacon stammt von Harry Diamond, ich habe sie über die
Website der National Portrait Gallery gekauft, spottbillig.“ Das Bild
hängt über einem Ikea-Tisch, den sie seit 20 Jahren besitzt und der
„einfach überall hinzupassen scheint“.
Die Einrichtung wirkt unprätentiös und unerschrocken. Freud
gefällt, was ihr eben gefällt. Das geht so weit, dass sie an einigen
Lampenschirmen die Zellophanverpackung drangelassen hat: „Mir
hat einfach gefallen, wie sich das Licht darin fängt.“ Man hat das
Gefühl, dass dieses neue Zuhause für Bella Freud eine Macht-
übernahme bedeutet, zumindest in Einrichtungsdingen. „Als wir
oben wohnten, brauchte ich fünf Jahre, um Vorhänge zu bestellen“,
sagt sie. „Jetzt bin ich viel entscheidungsfreudiger.“ Vielleicht wä-
re zu diesem Anlass ein feierlicher Kopfstand angebracht.

Die Spiegel und
Fronten, die das Bad
o. linksin die Siebzi-
ger katapultieren, hat
Bella Freud in der
Londoner Gallery 25
gefunden. Im Schlaf-
zimmerobenführt ein
Ocker-Rot-Mix den
Look fort. Das Wie-
ner Parkett in der
Küche(re. S.)wurde,
wie die Stoffe an der
Wand, v on Retrou-
vius aufgearbeitet.

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