Architectural Digest Germany - 11.2019

(coco) #1

D


as „H“ am Anfang ist stimmlos im Katalanischen. „Harquitectes“,
das klinge einfach nur wie „Architekten“, erklärt Roger Tudó, ei­
ner der vi er Partner des Büros aus Barcelona. „Das hat uns gefal­
len; die Anonymität eines Namens, der beinahe keiner ist.“ Zusam­
men mit ihren 16 Mitarbeitern schließen er, David Lorente, Josep
Ricart und Xavier Ros an die Bautradition ihres Landes an, an eine
Architektur ohne Architekten, namenlose Bauwerke stiller Meis­
ter. In gewisser Weise betreiben sie dabei Grundlagenforschung
und entdecken das längst Verlorene wieder; das, was man einst
konnte und irgendwann durch die Banalität technischer Lösungen
ersetzte. Klimaanlagen zum Beispiel. „Gebäude, die nur mithilfe
einer irgendwo versteckten Maschine funktionieren, interessieren
uns nicht.“ Sondern passive Lösungen, Bauwerke, die sich selbst
anpassen und verhalten, einfach durch ihre Materialität und die
Weise, wie sie strukturiert sind und mit der Umgebung und ihren
Nutzern interagieren.
In Barcelona entstand so zuletzt der Centre Cívic Cristalerías
Planell, eine Art Erwachsenenbildungsstätte hinter der histori­
schen Fassade einer alten Glasfabrik. Deren Reste integrierten
die Architekten gekonnt in einen Materialmix aus Backstein, Glas­
bausteinen und Stahl – und in ein Raumkonzept, das sich orga­
nisch aus dem Bestand ergibt. Klimatisiert ist das gesamte Bau­
werk über Solarkamine, die die warme Luft aus dem Gebäude
saugen und an heißen Sommertagen gut das Zehnfache von des­
sen Volumen umsetzen. Weil die Sonne im Winter anders über den
Kaminen steht, sinkt der Durchsatz in den kalten Monaten auf ein
Zehntel; so passt sich das Gebäude wie ein Thermostat an Um­
gebungstemperatur und Jahreszeit an. „Im historischen Bestand“,
erklärt Tudó, „ist so etwas gar nicht so einfach. Wir arbeiteten hier


Centre Cívic Cristalerías Planell, Barcelona

Hinter der historischen Fassade der Glasfabrik Planell(li. S.)entstand
mitten in der katalanischen Hauptstadt ein Bildungs- und Kultur-
zentrum mit smarter Klimatechnik: Der gesamte Bau wird mithilfe
von Solarkaminen passiv gekühlt; im Winter reguliert sich das
System durch den veränderten Sonnenstand selbst. Zwischen
Backstein und Glasrechts befinden sich Klassenräume wieunten.


Ro g e r Tu d ó

„Unsere Arbeit ist


oft experimentell,
unsere Projekte am

Limit – auch des
gesetzlich Erlaubten.“

Architektur
Projekt

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